BVB muss "wieder reden": Verkennt Edin Terzic grundlegende Probleme?

Reden, reden, reden - in Dortmund ist mal wieder die Zeit für Aufarbeitung gekommen. Vor allem Edin Terzic zeigte sich angefressen nach der 2:3-Niederlage gegen den 1. FC Köln.

"Wir haben eine sehr gute erste Halbzeit gespielt und konnten uns sehr viele Torchancen erspielen", analysierte der BVB-Trainer nach der Partie bei Sky: "Wir sprechen es in der Halbzeitpause an, dass es extrem wichtig sein wird, wie wir in die zweite Halbzeit starten. Dann bekommen wir gefühlt nach acht Sekunden die erste Ecke, weil wir nicht sauber sind am Ball, weil wir nicht bereit sind."

Man werde es wieder ansprechen, man werde erneut seine Lehren daraus ziehen: "Dann werden wir wieder darüber reden, dass wir eine Reaktion zeigen müssen und das endlich abstellen." Terzic war bedient. Aber er war vor allem wegen der schlechten Anfangsphase der zweiten Halbzeit bedient. Dabei haben sich die Probleme des BVB auch schon vorher angedeutet.

BVB: Werden Probleme verkannt?

"Wir treten immer wieder auf die Euphoriebremse, genau wegen Spielen wie heute", erklärte der 39-Jährige. Es trete wiederholt auf, dass Dortmund "Spiele, die wir komplett kontrollieren, einfach weggeben". Damit schob er einen Großteil der Verantwortung auf die Spieler.

Zu Recht war er unzufrieden über die 15 Minuten nach der Pause, in denen der BVB eine 1:0-Führung aus der Hand gab, weil er zu passiv und zu lethargisch agierte. Aber die Zufriedenheit über den ersten Durchgang lässt vielleicht auch tiefer blicken, als es Terzic selbst lieb wäre. Kontrolle, viele Torchancen, defensiv stabil - all diese Beschreibungen verwendete Trainer für die ersten 45 Minuten.

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Zur Wahrheit gehört aber auch, dass der BVB lange gebraucht hat, um Lösungen gegen den 1. FC Köln und sein gut organisiertes Pressing zu finden. Die Kölner machten das Zentrum mit ihrer Mittelfeldraute dicht, verschoben aber auch klug auf die Flügel, um den BVB dort unter Druck zu setzen. Das führte dazu, dass Dortmund aus eigenen Ballbesitzphasen so gut wie keinen gefährlichen Abschluss zustande brachte.

Borussia Dortmund schon im ersten Durchgang mit Problemen

Sehr gefährlich wurden die Schwarz-Gelben hingegen in offensiven Umschaltmomenten. Nach 27 Minuten eröffnete Donyell Malen die stärkste Phase seines Teams, als er aus guter Position scheiterte. Es folgten das Tor von Julian Brandt (31.) und ein weiterer Malen-Schuss. Alle drei Großchancen entstanden nach Ballverlusten der Kölner - beziehungsweise nach Ballgewinnen des BVB.

Statistisch gesehen hat Terzic also alle Zahlen auf seiner Seite, wenn er von einer guten Halbzeit mit klarer Überlegenheit spricht. Trotzdem war das Duell von Beginn an ausgeglichener, als es die Statistiken andeuten. "Wenn wir die erste Halbzeit sehen, dann finde ich, dass wir gute Aktionen hatten, wir haben den Ball aber nicht sicher zum Mann gekriegt", analysierte Kölns Trainer Steffen Baumgart hinterher: "Da hat man Dortmund dann eher im Konterspiel gesehen, weil wir sie eingeladen haben, weil wir es noch nicht sauber gespielt haben."

Die Probleme der zweiten Halbzeit waren auch schon in der ersten Halbzeit zu sehen. Allerdings haben Kölner diese dort noch nicht in der Form nutzen können, wie sie es im zweiten Durchgang getan haben.

Für den BVB ist es richtig und gut, sich mit der desolaten Phase nach dem Seitenwechsel zu beschäftigen. Noch richtiger wäre es, auch die ersten 45 Minuten kritisch zu betrachten.

Denn angesichts des Potenzials, das dieser Kader trotz aller Ausfälle hat, ist das Team in vielen Belangen zu risikoarm und zaghaft unterwegs. Das sollte nicht verkannt und auch nicht allein mit den fehlenden Spielern erklärt werden.

BVB: Karim Adeyemi und Anthony Modeste wirken deplatziert

27 Ballkontakte, zwei harmlose Abschlüsse nach Ecken, kaum nennenswerte Aktionen - die Bilanz für Anthony Modeste ist abermals keine gute. Der Franzose wirkt in der Offensive des BVB wie ein Fremdkörper. Will man seiner Rolle in der Offensive etwas Positives abgewinnen, dann sind es die guten Kopfballablagen, mit denen er nach langen Bällen oft zur Stelle ist.

Gleichwohl ist das nicht ausreichend, um einen Stammplatz zu rechtfertigen. Das liegt zum Teil an den oben beschriebenen Problemen des gesamten Teams. Dortmund findet aus eigenen Ballbesitzphasen heraus keine Lösungen, um Modestes Stärken einzubinden - weder sein starkes Kopfballspiel, noch seine Physis. Gleichzeitig ist der Stürmer kein Spieler, der mit Tempo die Schnittstellen der gegnerischen Abwehr bearbeiten kann, weil ihm dafür auf diesem Niveau Geschwindigkeit und technische Fähigkeiten fehlen.

Nicht alles ist aber an Modeste festzumachen. Die BVB-Offensive hat insgesamt mit Unstimmigkeiten zu kämpfen. Auch Karim Adeyemi sucht seit seiner Ankunft nach einer optimalen Rolle für sich. Im 4-2-3-1 von Terzic muss er meist an der Außenlinie oder im Halbraum agieren. In Salzburg konnte er meist zentralere Räume bearbeiten und dort mit Tempo bei Gegenstößen ein wichtiger Zielspieler sein.

Bei Borussia Dortmund muss er mehr von der Außenbahn kommen, die Wege zum Tor sind somit komplizierter. Auch gegen Köln hatte der 20-Jährige wieder Schwierigkeiten, verrannte sich oftmals bei seinen Versuchen, in die Mitte zu ziehen. Zwar hatte der BVB gegen Köln insgesamt 22 Abschlüsse und hätte durchaus häufiger treffen müssen als nur zweimal. Trotzdem hakt es im Getriebe. Auch weil einige Spieler es in ihren Rollen nicht schaffen, sich bestmöglich einzubringen.

BVB defensiv weiter mit Problemen

Mit der neu aufgestellten Defensive sollten die Probleme in der Abwehr der Vergangenheit angehören. Spätestens nach den drei Gegentoren gegen den 1. FC Köln ist aber klar, dass Terzic immer noch viel Arbeit vor sich hat. Vor allem zwei Aspekte fielen am Samstag negativ auf: Die offenen Außenbahnen und das zu wechselhafte Pressing.

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Auf den Flügeln sind die Außenverteidiger selbstredend hauptverantwortlich. Thomas Meunier und Raphaël Guerreiro machten freilich kein gutes Spiel. Beide wackelten defensiv in den direkten Duellen und hatten offensiv nur in wenigen Momenten etwas anzubieten. Vor dem zweiten Tor schaffen es drei Spieler nicht, den Pass von Jonas Hector zu verhindern. In solchen Szenen offenbart sich ein großes taktisches Problem.

Beide Außenverteidiger besitzen viele Freiheiten im Spiel nach vorn und öffnen dementsprechend hinter sich einen großen Raum, der abgedeckt werden muss. Köln hat es dennoch mehrfach geschafft, mit langen Bällen oder schnellen Stafetten 2-gegen-1-Situationen auf den Flügeln herzustellen oder sich sogar in Unterzahl durchzukombinieren.

Borussia Dortmund vor wichtiger Woche

Dortmund fand darauf keine Antwort und ließ sich mehrfach überrumpeln. Ein Grund dafür war, dass Adeyemi und Malen jeweils zu halbherzig mit nach hinten verteidigten. Zwar waren sie in der Defensive präsent, Zweikämpfe führten sie aber so gut wie keine. Linton Maina konnte beim 1:1 nahezu ungestört an Adeyemi vorbeilaufen.

Die Dortmunder haben in der Arbeit gegen den Ball zu wechselhafte Phasen. In einigen Situationen sind sie gut sortiert, gewinnen die Bälle und bestechen mit tollen offensiven Umschaltaktionen. In anderen fehlt ihnen jeglicher Zugriff und sie begleiten den Gegner eher passiv, als aktiv zu stören. Nach 45 Minuten hatte der BVB nur vier Ballgewinne in der Hälfte des FC. Nach 90 Minuten waren es 13, aber nur vier in Strafraumnähe.

Beim BVB deuten sich abermals mehr Probleme an, als es die Ergebnisse bisher vermuten ließen. Ein schweres Auswärtsspiel beim FC Sevilla und das Top-Spiel gegen den FC Bayern München stehen als Nächstes auf dem Programm.

Spätestens dann könnte die Wohlfühlstimmung der letzten Wochen endgültig Geschichte sein. Die Zeit für Aufarbeitung ist dementsprechend gekommen – und für Taten. Denn nur reden hat schon in der Vergangenheit wenig geholfen.

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