HINTERGRUND
BVB: Ohne Champions League kein Haaland
Das Remis in Köln war ein böser Rückfall in längst überwunden geglaubte Zeiten, der Rückstand von Borussia Dortmund auf Platz vier und damit das Minimalziel ist wieder auf vier Punkte angewachsen. In zwei Wochen steigt das vorentscheidende Duell gegen Eintracht Frankfurt, den wahrscheinlich einzig noch einholbaren Kontrahenten. Wolfsburg scheint mit acht Zählern Vorsprung bereits enteilt, Leipzig und die Bayern sind das ohnehin.
Erling Haaland machte erst gar keine Anstalten, seine komplette Enttäuschung zu kaschieren und stapfte wild fluchend in die Kabine. Ein klares Signal an den Rest der Mannschaft von einem Spieler, der in jeder Partie nicht nur zeigt, dass er besser ist als die anderen, sondern immer auch bereit ist, einhundert Prozent zu geben. Was man offenbar immer noch nicht von jedem Dortmunder Profi behaupten kann.
Haaland ist neben Robert Lewandowski der beste Angreifer der Bundesliga und aktuell vielleicht sogar auf der Welt. Kaum vorstellbar, dass dieser Spieler mit diesen Fähigkeiten und Ambitionen und dem unbedingten Drang, sich immer auf dem Niveau der Besten zu messen, in der kommenden Saison mit dem BVB durch die Europa League quälen will. Verpasst die Borussia die Champions League, wird Haaland kaum noch zu halten sein.
Weil der BVB (trotz einem möglichen Sancho-Transfer) finanzielle Löcher stopfen müsste und die interessierten und finanzstarken Konkurrenten sich diese große Chance nicht entgehen lassen wollten. Wenn Erling Haaland auch in der kommenden Saison noch in Dortmund spielen soll, muss die Mannschaft die Königsklasse erreichen.
Getty ImagesLeverkusens Absturz und der große Druck
Die erste halbe Stunde von Bayer Leverkusens Auftritt in Berlin war schlicht nur gruselig, das Abwehrverhalten der Mannschaft besonders in den defensiven Umschaltmomenten nicht bundesligatauglich. Mal wieder, muss man sagen. Denn Probleme dieser Art ziehen sich nun wie ein Roter Faden durch das Kalenderjahr 2021. Und ein Lerneffekt bei der Mannschaft und ihrem Trainer will offenbar partout nicht einsetzen.
Immer, wenn Leverkusen mit einem vernünftigen Spiel scheinbar die Kurve kriegt, folgt garantiert in richtig schwacher Auftritt. Nach den teils blamablen Ausscheiden im Pokal und in der Europa League ist die Bundesliga die letzte Hoffnung auf eine erneute Teilnahme am internationalen Geschäft. Der Zug Richtung Champions League ist wohl schon abgefahren, jetzt gilt es, wenigstens den Trostpreis Europa League zu sichern.
Aber da sitzen Leverkusen gleich vier Teams im Nacken, Freiburg naht mit großen Schritten und wer weiß, Union wirkt stabiler als Bayer, Stuttgart ist eine Wundertüte und Gladbach unter Umständen wieder in der Spur nach dem ersten Sieg seit einer gefühlten Ewigkeit. Trainer Peter Bosz muss jetzt schleunigst die Wende einläuten, sonst wird es auch für ihn eng.
Natürlich fehlen Bayer einige sehr wichtige Spieler wegen Verletzungen, aber der Kader ist tief genug besetzt, um mehr als nur vier Siege in 17 Pflichtspielen in diesem Jahr einzufahren. Bosz steht massiv unter Druck, seine Vorgesetzten auch. Dass Bayer aber auch sehr erfolgreichen Fußball spielen kann, hat die Hinserie gezeigt - mit dem Trainer Peter Bosz. Leverkusen wäre wohl gut beraten, die aktuelle Krise mit seinem Trainer durchzustehen.
Die Bayern stoßen auf ihre Champions-League-Taktik
Vier Tore in Unterzahl, mal wieder ein neuer Rekord für den FC Bayern. Allerdings muss man die Umstände schon auch in Betracht ziehen, die Bayern spielten gegen einen Aufsteiger und das jüngste Team der Liga und erledigten einen an sich gar nicht so schlechten VfB binnen 21 Minuten. Weil jeder einzelne Bayern-Spieler eben mindestens eine Klasse besser ist als sein - in diesem Fall Stuttgarter - Pendant. Und dann lässt sich eine 80-minütige Unterzahl mit einer 20-Minten-Power-Phase locker und leicht überstehen.
Gefühlt dirigierte und spielte Thomas Müller allein auf der ungewohnten Position vor der Abwehr den VfB in Grund und Boden. Was für die Bayern im Hinblick auf den Rest der Saison noch viel wichtiger war: Durch die Unterzahl wurde das Team gezwungen, deutlich tiefer zu verteidigen und auf offensiven Umschaltfußball zu setzen. Und was soll man sagen? Die Bayern spielten diesen Ansatz in Perfektion.
In der Bundesliga wird das mit Ausnahme des Knallerspiels in Leipzig wohl eher kaum noch der Fall sein, dass die Bayern tiefer verteidigen und dem Gegner auch mal den Ball lassen. Aber in der Champions League gegen die Großkaliber kann diese Spielausrichtung noch ein richtig wichtiger Baustein werden. So gesehen könnte das Stuttgart-Spiel im Rückblick vielleicht nochmal ein entscheidender Wendepunkt gewesen sein.
GettyStefan Ortega wäre viel zu schade für die Bayern-Bank
Der schönste Job der Welt, so sagt man, wäre der des Ersatzkeepers beim FC Bayern München. Man spielt und trainiert mit einigen den besten Spielern der Welt zusammen, bekommt ein ganz ordentliches Gehalt, kommt viel in der Welt herum und am Ende jeder Saison regnet es Titel. Die Kehrseite der Medaille erfährt derzeit aber Alexander Nübel, der im besten Fußballalter auf der Bank sitzt und vergeblich auf Einsätze wartet.
Letzte Woche wurden Gerüchte um Stefan Ortega und ein mögliches Engagement in Bayern laut, quasi als Nübel-Ersatz. Dann wäre der mittlerweile 28-Jährige nach nur einer Saison im Oberhaus wieder zurück auf Los. Ein halbes Fußballerleben hat Ortega darauf hingearbeitet, endlich in der Bundesliga zu spielen - um sich dann wieder selbst aus dem Spiel zu nehmen? Schwer vorstellbar.
Und es wäre auch ein Jammer, weil Bielefelds Keeper immer noch latent unterschätzt wird und das grundsätzlich Potenzial hätte, auch bei einem ambitionierten Klub zu spielen, der in der Europa oder sogar in der Champions League unterwegs ist. Ortega ist nämlich nicht nur ein guter Fänger, sondern mit dem Ball am Fuß einer der besten Torhüter des Landes. Und so einer muss spielen, natürlich in der Bundesliga. Das hat er am Freitag gegen Leipzig wieder einmal bewiesen, als er sieben von acht Schüssen aufs Tor entschärfte.
Das Wolfsburger Powerhouse:
Wie konzipiert man ein Tor am Reißbrett, ohne den dafür eigentlich notwendigen Ballbesitz als Grundlage? Vielleicht so wie der VfL Wolfsburg gegen Werder Bremen. Das letztlich entscheidende zweite Wolfsburger Tor entsprang einer geplanten Pressingaktion, als der Gegner in eine scheinbar lösbare Konstellation gelockt wurde und die Falle dann zuschnappte.
Xaver Schlager war derjenige, der - zugegeben auch etwas glücklich - den Ball erobert. Keine drei Sekunden später schob Wout Weghorst mit dem zweiten Kontakt dieses „Angriffs“ den Ball ins Tor. So einfach kann es gehen, wenn man ein tragfähiges Konzept hat und die ausführenden Spieler die entsprechende Güteklasse besitzen. Im Wolfsburger 4-2-3-1 sticht hierbei die Doppel-Sechs immer wieder besonders hervor. Schlager und Maximilian Arnold bilden ein bestens aufeinander abgestimmtes Duo, das wenige Wünsche offenlässt.
Getty ImagesSchlager ist der etwas aggressivere Spieler mit einem großen Aktionsradius, der sich ohne Rücksicht auf Verluste in viele Zweikämpfe wirft und in der Offensive immer auch gut ist für eine blitzgescheite Idee oder einen eigenen Abschluss. Arnold spielt etwas kontrollierter, sichert mehr ab, baut mehr mit auf und ist als Standardschütze unverzichtbar. Das ist nicht immer spektakulär, in Summe gehören Schlager und Arnold aber mit zum Besten auf ihren Positionen. Mal schauen, wie lange Schlager noch in Wolfsburg spielen wird. Und Arnold? Der bleibt vielleicht für immer ein Wolfsburger - aber die Sache mit der Nationalmannschaft wird wohl nichts mehr werden. Dafür fehlt ihm offenbar die Lobby.
