Zwischen Sextape-Affäre und Champions League: Raúl Asencio könnte Real Madrid unverhofft eine Menge Geld sparen

Dem 1,84 Meter großen Rechtsfuß eilte in der Jugend früh der Ruf voraus, ein Überflieger zu sein. Er wurde auf den Kanarischen Inseln geboren und spielte dort für Las Palmas, ehe ihn Real 2017 im Alter von 14 Jahren in die spanische Hauptstadt und seine Akademia La Fabrica holte. Er entwickelte sich gut, spielt mit 19 für die C-Mannschaft und stieg schnell in Raúls Castilla auf. Der ehemalige Weltklassestürmer machte Asencio dort zu seinem Kapitän.

Der Schritt in die erste Mannschaft deutete sich mit Einsätzen in der Saisonvorbereitung gegen Milan und Chelsea an, ehe die angesprochene Verletzungsmisere ihn halsbrecherisch beschleunigte: Als Militão sich am 9. November gegen Osasuna zum zweiten Mal das Kreuzband riss, warf Ancelotti Asencio ins kalte Wasser. Der Youngster legte ein bemerkenswertes Debüt hin und verlor in den rund 60 Einsatzminuten keinen einzigen Zweikampf. Dazu lieferte er mit einem 60-Meter-Zuspiel noch einen sehenswerten Assist für Jude Bellinghams ersten Saisontreffer.

Asencio gab sich später überwältigt. Er habe "Schwierigkeiten, sich auszudrücken", gab er in seinem ersten Interview als Real-Profi zu: "Als kleiner Junge habe ich immer davon geträumt, für die erste Mannschaft zu spielen. Das ist der Traum jedes Kindes, das zum ersten Mal gegen einen Ball tritt." Generell aber liege es an seinen Mannschaftskameraden, dass er auf Anhieb starke Leistungen abliefert: "Das sind die besten Spieler der Welt, und sie erleichtern es Neulingen wie mir ungemein."

Dass sein gutes Debüt keine Eintagsfliege war, zeigte sich auch in der Folge. Asencio absolvierte seit dem Osasuna-Spiel zunächst alle Partien über die volle Distanz und überzeugte. Am vergangenen Wochenende entschied sich Ancelotti dann für Aurélien Tchouaméni in der Innenverteidigung als Rüdigers Nebenmann, Asencio wurde aber eingewechselt. Selbst beim Debüt in der Champions League, dem 0:2 gegen den FC Liverpool an der Anfield Road, wirkte er nicht überfordert, sondern gehörte noch zu den besseren Spielern seiner Mannschaft.

Die Chemie mit Nebenmann Antonio Rüdiger stimmt. Obwohl er kein Hüne ist, hat Asencio ein gutes Kopfballspiel. Er ist körperlich robust, stark im Zweikampf und spielt kluge Bälle in der Eröffnung. Arbeiten muss er dagegen noch an seiner Rückwärtsbewegung. Vor allem gegen die rasanten Liverpooler wirkte er bei einigen schnellen Angriffen leicht orientierungslos.

Vor dem unglücklichen 1:2 gegen Athletic Club in der vergangenen Woche sagte Ancelotti etwas, das nicht nur als Lob für den Youngster, sondern auch als Wasser auf die Mühlen Raúls gewertet werden darf: "Ob mich Raúl Asencio überrascht hat? Ja, das hat er. Er ist sehr reif, niemals hastig und sehr von sich überzeugt. Er ist nun fester Bestandteil unserer Mannschaft und er verdient das."

Die Frage ist nun, wie groß das Vertrauen in Asencio mit Blick auf die zweiten Saisonhälfte, wenn die Titelentscheidungen für den spanischen Meister und CL-Sieger anstehen, ist. Ursprünglich war erwartet worden, dass Real im Januar einen neuen Verteidiger verpflichtet, um auf die namhaften Ausfälle zu reagieren. Über kostspielige Deals mit Europameister Aymeric Laporte (Al-Nassr) oder Ilya Zabarnyi (AFC Bournemouth) wurde spekuliert.

Womöglich ist man in Madrid nach der "bestandenen Feuerprobe" (O-Ton Ancelotti) bereit, das Risiko mit Asencio in der Rückserie einzugehen und sich mehrere Dutzend Millionen Euro für das Sommertransferfenster zu sparen. Mögliches Indiz dafür: Laut Marca habe man sich mit Asencio bereits darauf verständigt, nach der Saison wegen einer Verlängerung des noch bis 2026 laufenden Vertrags zu verhandeln. "Wenn es eines Tages darum geht, ihn auf die Bank zu setzen, muss ich mir das gut überlegen", bekannte Ancelotti.

Asencios Auftritte in den letzten Wochen waren so gut, dass Spaniens Nationaltrainer Luis de la Fuente bereits öffentlich darüber nachdachte, ihn demnächst für seinen Kader zu nominieren. Es wäre der Höhepunkt einer rasanten Entwicklung.

Zur Wahrheit bei Asencio gehört aber auch, dass aktuell nicht alles rosarot ist. Sportlich mag es passen, privat aber ist er ins Visier der Polizei geraten. Grund dafür ist ein Vorfall aus dem Sommer 2023. Asencio steht im Verdacht, gemeinsam mit drei anderen ehemaligen Spielern aus der Real-Jugend auf Gran Canaria ein Sextape aufgenommen und verbreitet zu haben. Zwei ebenfalls involvierte Frauen erstatteten daraufhin Anzeige.

Relevo berichtete damals, eine der Frauen sei noch minderjährig gewesen und das Video sei ohne das Wissen und die Zustimmung verbreitet worden.

Die drei anderen Spieler wurden im September 2023 verhaftet. Asencio sollte zunächst als Zeuge aussagen, anschließend wurden die Ermittlungen auf ihn ausgeweitet. Das berichtet The Athletic. "Der Richter ermittelt gegen vier Fußballspieler, die mit Real Madrid in Verbindung stehen, wegen des Verdachts der Weitergabe von Geheimnissen und der Verbreitung von Pornografie", teilte das Gericht dem Portal mit.