Lange war von Serge Gnabry beim FC Bayern München in dieser Saison nur wenig zu sehen. Für das Viertelfinal-Rückspiel bei Inter Mailand in der Champions League könnte er plötzlich zur unverhofften Geheimwaffe von Trainer Vincent Kompany avancieren. Sein Tor und Assist gegen den BVB spielen dabei allerdings nur bedingt eine Rolle.
Getty Images"Wenn er körperlich stabil ist, kann man die Qualität auch nicht aufhalten": Warum Serge Gnabry für den FC Bayern gegen Inter Mailand zum X-Factor werden kann
Gnabrys Einwechslung war im Hinspiel genauso wichtig wie jene Müllers
Es ist vorrangig die Spielanlage des 29-Jährigen, die dem deutschen Rekordmeister den entscheidenden Punch für die Aufholjagd im San Siro bescheren könnte und noch im Hinspiel für einige Zeit gefehlt hatte. Gnabrys Anwesenheit war nach dessen Einwechslung in der 74. Minute sofort spürbar - und mindestens genauso wichtig wie die von Müller, der mit ihm gleichzeitig das Feld betreten hatte.
Zwar knackte letztlich Müller das italienische Bollwerk und traf zum zwischenzeitlichen Ausgleich, doch bereits in den Szenen zuvor brachte Gnabry das moderne Catenaccio von Inter mehrfach über seine linke Seite ins Wanken und riss zuvor nicht dagewesene Lücken. Mehr als es Leroy Sané über 73 Minuten gelungen war, der im Gegensatz zu Gnabry (zwei) keinen einzigen Schuss aufs Tor brachte.
Dabei befindet sich Sané derzeit keineswegs in einer schlechten Form. Für den März wurde er - durchaus verdient - von den Bayern-Fans sogar kürzlich zum vereinsinternen Spieler des Monats gewählt. Auch bei der Generalprobe für das Hinspiel in Augsburg hatte der 29-Jährige einen ansehnlichen Auftritt hingelegt. Bei seinen guten Leistungen in den Wochen vor dem Inter-Spiel lag jedoch zweifellos eine Diskrepanz in der Qualität seiner Gegenspieler vor.
GettyKlumpen vor dem Inter-Tor: Warum für Sané kein Durchkommen war
Sowohl die Nerazzurri als auch der BVB setzten auf eine dicht gestaffelte Fünferkette (das probierte auch der FCA) gegen den Ball, auf die Sané kaum eine Antwort fand. Beide Teams machten es ihm quasi unmöglich, seinen starken linken Fuß in Szene zu setzen. Bei Borussia Dortmund hielten ihn Julian Ryerson und Niklas Süle in Schach, noch weniger Luft ließen ihm Matteo Darmian und Benjamin Pavard. An beiden Inter-Verteidigern prallte er regelmäßig nur so ab.
Häufig blieb Sané also nichts anders übrig, als in die Mitte zu ziehen. Von links kommend ist er dort aber limitiert in seinen Aktionen. Sobald Sané auf seinen deutlich schwächeren rechten Fuß angewiesen ist, geht ihm einiges an Torgefahr ab. Zudem bekam er kaum Unterstützung von Linksverteidiger Josip Stanisic, der sich in inverser Rolle meist in die Mitte orientierte. Folglich musste Sané es meist allein mit Darmian und Pavard aufnehmen. Fehlende Breite war die Folge. Zur Verdeutlichung: Sané schlug nur eine mickrige Flanke - und damit eine weniger als Stanisic. Zu ausrechenbar für Inter.
Weil auch Michael Olise gerne in die Mitte zieht, entstand in zahlreichen Szenen zentral vor dem Sechzehner der Italiener eine Art Klumpen. Eine Lösung, diesen aufzudröseln, fanden die Bayern nur selten. Zumindest bis zur Einwechslung von Gnabry und Müller.
Gnabry: Kann Kompanys bester Joker auch Startelf?
Rechtsfuß Gnabry hat den Vorteil, dass er aus halblinker Position mit seiner guten Schusstechnik den direkten Abschluss suchen kann. Gleichzeitig ist er aber auch mit links in der Lage, eine ordentliche Flanke in den Strafraum zu schlagen. Im Dribbling ist er für tiefstehende Mannschaften dadurch schwerer zu verteidigen. Das stellte er auch gegen den BVB eindrucksvoll unter Beweis.
Bei der Punkteteilung mit der Borussia profitierte er auch vom ebenfalls eingewechselten Raphael Guerreiro, der den klassischen Linksverteidiger gab und auf Gnabrys Vorlage traf. Stanisic rückte stattdessen für Kim in die Innenverteidigung. Kompany scheint dem Portugiesen defensiv jedoch nicht gänzlich zu vertrauen, weshalb Stanisic - sollte Min-Jae Kim nicht ausfallen - wohl auch im Rückspiel hinten links starten wird.
Denn spätestens nach den ersten 90 Minuten ist klar, dass Inters Offensive nicht zu unterschätzen ist. Obwohl beide Tore über die linke Seite initiiert wurden, präsentierte sich auch die rechte Seite stark, womit Stanisic jedoch über weite Strecken umzugehen wusste. Auch, weil ihn Sané tatkräftig unterstützte.
Eine Bereitschaft zur Defensivarbeit bringt Gnabry indes genauso mit. Gegen eine Startelf-Nominierung Gnabrys spricht eigentlich nur - ganz egal, wer letztlich sein Hintermann ist -, dass Kompany seinen besten Joker verlöre. Fünf seiner sechs Saisontore erzielte er nach Einwechslungen. In Kingsley Coman steht dem FCB-Coach nach überstandener Verletzung nun aber auch eine weitere Alternative von der Bank zur Verfügung.
Imago ImagesGnabry und das leidige Thema - sogar mit Sané in der Startelf?
Gnabry scheint nach mehreren Wehwehchen in dieser Spielzeit endlich wieder in bester körperlicher Verfassung zu sein und befindet sich laut Joshua Kimmich in einer "Phase in der er länger stabil bleibt und das ist bei ihm auch der Schlüssel. Wenn er dann körperlich stabil ist, dann kann man die Qualität auch nicht aufhalten." In diese Kerbe schlug auch Sportdirektor Christoph Freund nach dem BVB-Spiel: "Ich glaube, bei Serge ist das Thema, dass wir ihn dauerhaft fit bekommen müssen. Dann kann er entscheidende Sachen machen."
Der anschließende Tenor in der Presselandschaft: "Warum nicht immer so?" Es ist das leidige Thema in Gnabrys inzwischen rund sieben Jahren als aktiver Bayern-Spieler. Schon häufiger zeigte er in der Vergangenheit über kurze Zeit herausragende Leistungen, um dann wieder wochenlang abzutauchen. Mal spielt der Körper nicht mit, mal scheint es der eigene Kopf zu sein. Entsprechend unklar ist die Zukunft des gebürtigen Stuttgarters, der anders als Sané und Müller noch bis 2026 an den Verein gebunden ist. Im Sommer bietet sich die letzte Chance für die Bayern, eine Ablösesumme zu kassieren. Gnabry selbst soll dem Vernehmen nach aber nicht an einen Abschied denken.
Und Sané? Der könnte dennoch einen Platz in der ersten Elf einnehmen - und weitere Pluspunkte für einen neuen Vertrag sammeln. Als Zehner oder auf dem rechten Flügel würde er gemeinsam mit Olise für eine dauerhafte Rotation auf beiden Positionen sorgen, um das Angriffsspiel der Bayern nochmal variabler zu machen. Beide Linksfüße könnten zudem aus sämtlichen Lagen schießen. Damit würde aber einhergehen, dass sich Müller erneut auf der Bank wiederfindet - und Kompany womöglich die nächste Debatte am Hals hat, sollte die CL-Reise tatsächlich im San Siro enden. Zumal der Routinier gegen den BVB mit seinen unnachahmlichen Laufwegen und einigen kreativen Elementen durchaus Gefahr ausstrahlte.
Klar ist: An der Motivation dürfte es bei keinem der drei Offensivspieler mangeln. Die besten Argumente für die Startelf bringt jedoch derjenige mit, der lange überhaupt gar keine hatte.
FC Bayern München: Die nächsten Spiele im Überblick
Datum (Uhrzeit)
Gegner
Wettbewerb
Mittwoch, 16. April (21 Uhr)
Inter Mailand (A)
Champions League
Samstag, 19. April (15.30 Uhr)
1. FC Heidenheim (A)
Bundesliga
Samstag, 26. April (15.30 Uhr)
FSV Mainz 05 (H)
Bundesliga



