Reece Oxford Augsburg 2022Getty Images

Über zwei Jahre ohne Einsatz: Long Covid zerstört die Karriere vom einstmals "vielversprechendsten Talent des englischen Fußballs"

Reece Oxford ist seit Anfang Juli vereinslos und muss um seine Fußballkarriere kämpfen. Der 26-Jährige, der einst mit hohen Erwartungen nach Deutschland kam und für Borussia Mönchengladbach und den FC Augsburg auflief, klagt über Long Covid.

  • Bei seinem Abschiedsinterview beim FC Augsburg gab Oxford sich vor einigen Monaten entspannt und aufgeräumt. Mit einem breiten Lächeln im Gesicht sagte er Richtung Fans: "Ich wollte euch noch einmal ein riesiges Dankeschön für die letzten sechs Jahre aussprechen." Sein Lächeln verschwand beim nächsten Satz jedoch schnell: "In den letzten zwei Jahren habt ihr mich natürlich nicht so häufig gesehen."

    Zuletzt sahen die Augsburg-Anhänger den Abwehrspieler am 12. November 2022 für die erste Mannschaft des FCA auflaufen. 76 Minuten lang stand Oxford bei der 0:1-Niederlage gegen den VfL Bochum in der Innenverteidigung auf dem Platz. Es folgte die Winter-Weltmeisterschaft in Katar und in der Bundesliga rollte der Ball erst wieder ab Ende Januar. Der Beginn der Leidenszeit des Engländers.

    Zunächst musste er mit hartnäckigen Wadenproblemen passen. Als er langsam wieder fit wurde, sollte er zunächst in der Reservemannschaft Spielpraxis sammeln. Gegen Wacker Burghausen ließ sich Oxford jedoch zu einer Tätlichkeit hinreißen. Eine Rote Karte und eine Sperre waren die direkte Folge. Als die Sperre längst abgesessen war, fehlte er weiter im Bundesliga-Kader der Fuggerstädter. Offizieller Grund: "Muskuläre Probleme".

  • Werbung
  • FC Augsburg v VfL Wolfsburg - BundesligaGetty Images Sport

    "Ärgerliche Geschichte": Oxford verpasst ganze Saison wegen Long-Covid

    Zunächst nichts Ungewöhnliches, zugleich eine schwammige Diagnose, die viel bedeuten kann. Vieles könnte erneut auf Probleme mit der Wade hindeuten oder wieder auftretende Ärgernisse mit dem Knie. Wegen einer OP hatte er zu Saisonbeginn zuschauen müssen und kam vor der Partie gegen Bochum nur auf zwei Kurzeinsätze in den Vorwochen.

    Es wuchs jedoch die Erkenntnis: Das einstige Supertalent litt unter den Folgen einer Corona-Erkrankung. In der Winterpause 2021 hatte sich der damalige FCA-Keeper Tomas Koubek mit dem Virus infiziert. Es folgten die zu der Zeit üblichen Tests bei den Mitspielern. Bei vielen von ihnen lieferten die Tests jedoch keine klaren Ergebnisse. Darunter auch der ehemalige Juniorennationalspieler Englands, der zunächst symptomfrei blieb und grünes Licht bekam. 

    In der Rückrunde verpasste er fernab einer Gelbsperre nur sechs Minuten möglicher Einsatzzeit. Bis zur Knie-OP machte sein Körper mit. Doch während die Knie- und Knöchelprobleme verschwanden, traten Long-Covid-Symptome auf. Die öffentliche Kommunikation ließ zunächst auf sich warten. Im Sommer 2023, als ihm sein Schützling noch immer nicht wieder zur Verfügung stand, brachte der damalige FCA-Coach Enrico Maaßen etwas Licht ins Dunkel: "Das ist eine sehr ärgerliche Geschichte. Er hat an seinen Long-Covid-Folgen zu knabbern, immer wieder muskuläre Probleme."

    Schon hier zeichnete sich ab, dass der weitere Krankheitsverlauf für alle Beteiligten kaum einzuschätzen war: "Das ist schon sehr lang, sehr wellenförmig. Nach Weihnachten ist es wieder schlechter geworden", zeigte sich Maaßen ratlos. Es bestand Hoffnung, dass der Verteidiger zur Spielzeit 2023/2024 aufs Feld zurückkehren könnte. Seine Reha verbrachte er in London bei einem Spezialisten.

  • FBL-ENG-PR-ARSENAL-WEST HAMAFP

    "Wenn Messi vor mir stehen würde": Oxford überragte mit nur 16 Jahren

    In der Hauptstadt Großbritanniens war der Arsenal-Fan einst aufgewachsen und später ausgerechnet beim Rivalen Tottenham Hotspur ausgebildet worden, bevor er zur U13 von West Ham United wechselte. Bereits mit 15 Jahren spielte er für die U18 der Hammers und unterschrieb zeitnah seinen Profivertrag. Mit gerade einmal 16 feierte er im Juli 2015 sein Debüt bei den Herren in der Europa-League-Qualifikation. 

    Oxford war der jüngste Spieler in der Geschichte West Hams. Der Stempel "Supertalent" war ihm schnell aufgedrückt und bekam am 9. August desselben Jahres einen noch fetteren Abdruck. Ausgerechnet gegen Arsenal feierte er sein Debüt in der Premier League. Ganz aufgeräumt und gelassen leistete er im defensiven Mittelfeld einen souveränen Job. Die 16 Jahre und 237 Tage an zarter Erfahrung waren ihm zu keinem Zeitpunkt anzumerken.

    Nüchtern und verschmitzt bilanzierte er im Anschluss an den 2:0-Erfolg: "Der Trainer hat gesagt, dass meine Leistung ganz gut war." Für seinen damaligen Coach Slaven Bilic eine maßlose Untertreibung. Der Kroate war massiv beeindruckt von der Coolness des Youngsters: "Wenn Messi vor mir stehen würde, wäre ich deutlich beunruhigter als Reece." Kaum verwunderlich, dass dieser also in seinem ersten Einsatz mal eben Santi Cazorla und Mesut Özil locker in die Tasche steckte und ganz nebenbei 95 Prozent seiner Pässe an den Mann brachte.

  • Verhältnis zwischen Reece Oxford und West Ham kühlt ab

    Vor der Saison 2016/2017 wurde Oxford vom Daily Telegraph folglich zum "vielversprechendsten Talent des englischen Fußballs" gekürt. Mit einer Leihe zu Reading ging es jedoch nicht weiter steil bergauf, bevor er leihweise den Umweg über die Bundesliga nahm und bei Borussia Mönchengladbach aufschlug. Nach verkürztem Intermezzo und erwünschter Rückkehr zu West Ham, wurde er erneut an die Fohlen verliehen, bevor ein weiteres Leihgeschäft nach Augsburg folgte. 2019 verpflichtet der FCA den Defensivmann anschließend fest.

    Im Herbst 2021 erlebte er beim FCA einen Lauf: Drei Treffer in vier Partien als Defensivmann. Die direkte Belohnung folgte prompt und der einstige Vierjahresvertrag wurde um zwei weitere Jahre bis zum 30. Juni 2025 verlängert. "Ich bin überzeugt, dass meine Entwicklung noch lange nicht abgeschlossen und der FCA der richtige Verein für mich ist, der mir enorm viel Vertrauen geschenkt hat."

    Diese Vertrauen sollte nach der Erkrankung jedoch immer mehr angezweifelt werden - und zwar beidseitig. Als sich die Saison 2023/2024 dem Ende neigte, stand mittlerweile statt Maaßen der Däne Jess Thorup an der Seitenlinie der Augsburger. Auf den überwiegend in seiner Heimat weilenden Oxford zurückgreifen konnte er jedoch nicht. Im Hinblick auf die Sommervorbereitung angesprochen tappte auch der neue Chefcoach im Dunkeln: "Wie es jetzt weitergeht, weiß ich nicht zu hundert Prozent. Ob er von Anfang an bei der Vorbereitung dabei ist oder nicht, das müssen wir abwarten. Aber er ist zumindest auf dem Weg, wir sind in Kontakt."

  • VfL Bochum v FC Augsburg - BundesligaGetty Images Sport

    Der Körper "hat leider nicht mitgemacht": Augsburg-Comeback scheitert

    Doch der Weg zurück war ein weiter. Long Covid kann in unterschiedlichsten Formen auftreten, eine einheitliche Therapieform gibt es bisher nicht. Es gibt teils bessere und schlechtere Tage. Einen besseren erlebte Oxford am 9. Oktober 2024. Unter großem Applaus seiner Mitspieler, bei denen der Engländer als beliebt galt, kehrte er erstmals zurück auf den Trainingsplatz. 45 Minuten ist er bei der Einheit dabei, bestreitet das Aufwärmprogramm und hat den Ball wieder am Fuß.

    Coach Thorup freute sich für seinen Schützling und wollte ausdrücklich "keinen Druck" machen. Es wäre das letzte, was Oxford, der neben den physischen Problemen auch mental zu kämpfen hat, braucht. In der Heimat sollte neben der ärztlichen Expertise auch das familiäre Umfeld für seelische Unterstützung sorgen. Doch auf das kurze Hoch inklusive Trainingscomeback folgten mehrere Tiefs. Muskelschmerzen- und schwäche, Atemnot, Störung der Konzentration und Erschöpfung - Oxford fehlte wieder auf dem Trainingsplatz.

    Marinko Jurendic, zu dem Zeitpunkt Sportdirektor, fasst nüchtern zusammen: "Trotz aller Versuche eines nachhaltigen Aufbautrainings hat der Körper leider nicht mitgemacht." Hinter den Kulissen litt das einstige Vertrauensverhältnis zwischen Klub und Spieler. Oxford stand beim FCA unter Vertrag, ohne seine Leistung bringen zu können. Im Verletzungsfall sind im Profigeschäft Versicherungen für solche Fälle üblich - bei Covid nicht. Der FCA kam Oxford und seiner Familie zwar entgegen, doch die Vorstellungen unterschieden sich laut Augsburger Allgemeine.

    Zudem fiel Oxford nicht komplett aus und kämpfte sich zwischenzeitlich zurück. Im Frühjahr 2025 war er wieder regelmäßiger im Training dabei. Zwar weit entfernt von einem Pflichtspieleinsatz, doch auf dem Platz motiviert am Start. Er träumte vom großen Comeback: "Ende Januar war ich wieder voll im Training dabei und habe gehofft, zur Mannschaft zurückzustoßen", schaut Oxford auf die Zeit zurück. Es folgte eine Wadenverletzung. Noch einmal im letzten Vertragsjahr für den FCA auflaufen? "Keine Chance, es war einfach ein bisschen zu spät",  gestand der 26-Jährige abschließend niedergeschlagen.

  • Trotz Long Covid: Oxford gibt nicht auf

    Und so lief sein Vertrag Ende Juni in Augsburg aus. Null Einsatzminuten in 2024/2025, null Einsatzminuten in 2023/2024. Der einstige Hoffnungsträger verschwand wegen der schweren Krankheit nach und nach einfach vom Radar. Am Ende stehen 80 Pflichtspieleinsätze für den FCA zu Buche, zum Abschied gab es beim letzten Heimspiel gegen Union Berlin Blumen.

    Das Ende in Augsburg soll jedoch noch nicht das Ende der Fußballkarriere von Oxford sein. "Ich werde erst einmal mit meiner Familie Urlaub machen", verkündet Oxford bei seinem letzten Interview als Spieler des Bundesligisten, als er nach seinen Zukunftsplänen gefragt wurdet. Er wolle sich dann ganz genau überlegen, wie es weitergehen wird. 

    Andere Sportler, darunter auch Luca Beckenbauer, Enkel von Franz Beckenbauer, mussten aufgrund von Long Covid ihre Karriere beenden. Seine finale Entscheidung will das einstige Supertalent nun erst noch gemeinsam mit seiner Familie treffen, doch stellte sofort optimistisch klar: "Ich werde mich über den Sommer fit halten. Was auch immer auf mich zukommt, ich werde bereit sein."

0