Woltemade NewcastleIMAGO / Sven Simon

Transfer-Desaster beim VfB Stuttgart? Die heftige Kritik von Sebastian Hoeneß nach dem Abgang von Nick Woltemade ist nur teilweise berechtigt

Schon vor einem Jahr hatten die Verantwortlichen des VfB Stuttgart um Sportvorstand Fabian Wohlgemuth eine regelrechte Mammutaufgabe vor der Brust. Nach der überraschenden Vizemeisterschaft gingen zahlreiche Stammkräfte (Hiroki Ito, Waldemar Anton, Serhou Guirassy) zur direkten Konkurrenz in der Bundesliga. Die Schwaben behielten jedoch die Ruhe, nahmen einerseits historisch viel Geld in die Hand (Ermedin Demirovic und Deniz Undav) und landeten andererseits mehrere günstige Transfercoups. 

Einer davon war die ablösefreie Verpflichtung von Nick Woltemade, der einen Sommer später zum viertteuersten Transfer der Wechselperiode avanciert ist. In Enzo Millot hat der VfB einen weiteren Leistungsträger verloren. Doch anders als im Vorjahr schien sich auf den letzten Metern - in Person von Trainer Sebastian Hoeneß - ein Hauch von Panik breit zu machen. Intern soll es Unstimmigkeiten wegen der Transferpolitik gegeben haben. Doch sind diese überhaupt berechtigt? Haben sich die Stuttgarter sogar verzockt? Jein. Es bedarf eines weitreichenden Blicks auf den Kader. 

  • Überraschend, für ihn vielmehr ungewöhnlich, waren die brisanten Aussagen von Hoeneß auf der Pressekonferenz vor dem Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach kurz nach Bekanntgabe des Wechsels von Woltemade zu Newcastle United. "Fakt ist, dass es für uns ein herber Verlust ist. Wir haben uns im Sommer letzten Jahres ein paar Dinge vorgenommen, die wir umsetzen wollten. Und ich muss ganz deutlich sagen, dass es auch, bevor der Nick jetzt transferiert wurde, noch nicht ganz gelungen ist, diese Dinge umzusetzen", sagte der offensichtlich verärgerte 43-Jährige und übte damit deutliche Kritik an Klubchef Alexander Wehrle und Wohlgemuth, der ihn einst zum damals abstiegsbedrohten VfB geholt hatte.

    Zwischen Hoeneß und den Kaderplanern, zu denen auch Sportdirektor Christian Gentner zählt, habe es laut einem kurz darauf erschienen kicker-Bericht "geknirscht". Die Stimmung sei "aufgeheizt". Rund 72 Stunden später jedoch wurden dem VfB-Coach aber zwei Verstärkungen für die bis dahin durchaus zu dünn aufgestellte Offensive zur Verfügung gestellt.

    Zur Einordnung: Zum Zeitpunkt (29. August) der Hoeneß-Ansage war weder die Verpflichtung von Badredine Bouanani (31. August) noch die Leihe von Bilal El Khannouss am Deadline Day (1. September) unter Dach und Fach. Die Neuzugänge sechs und sieben in dem nun abgelaufenen Transferfenster stellen jedoch keinen direkten Ersatz für Woltemade dar. Der wochenlange Ausfall von Deniz Undav, der sich beim 1:0-Sieg über Gladbach einen Innenbandriss im linken Knie zuzog, vergrößerte die Baustelle im Sturm nochmals ungeplant. 

    Unabhängig davon sollte in Hyeon Guy-Oh vom KRC Genk eigentlich ein weiterer Knipser verpflichtet werden, der allerdings durch den Medizincheck fiel. Im Werben um Alexis Claude-Maurice blitzte der VfB hingegen beim FC Augsburg ab. Zweifellos ein weiterer Nackenschlag für Hoeneß, der ihn aber keineswegs in eine Sackgasse befördert. 

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  • Sebastian Hoeneß und Nick WoltemadeIMAGO / Christian Schroedter

    Wilder VfB-Sommer: Zwei bittere Transferschlappen und Woltemades Abgang

    Es seien "zunehmend Komplikationen aufgetreten, die eine Einigung und letztlich einen Transfer des Spielers unmöglich gemacht haben", erklärte Wohlgemuth gegenüber der Bild-Zeitung über den geplatzten Oh-Deal. Für den 46-Jährigen war es die zweite Transferschlappe eines turbulenten Sommers. Schon beim ursprünglich als Ersatz von Millot auserkorenen Giannis Konstantelias ging der VfB - auf eine noch kuriosere Art und Weise - leer aus. Einer letztlichen Vertragsverlängerung des griechischen Nationalspielers bei PAOK Saloniki waren ein Fan-Aufstand an der Geschäftsstelle des Vereins und ein Umdenken von dessen berüchtigten Präsidenten Ivan Savvidis vorausgegangen.

    Weil auch bei den anderen Optionen kein zufriedenstellendes Paket geschnürt werden konnte, verzögerte sich auch die Suche nach einem Millot-Nachfolger, bis es fast schon zu spät war. Wenige Stunden vor Transferschluss wurde in El Khannouss aber ein hochbegabter Techniker von Leicester City inklusive Kaufpflicht in Höhe von kolportierten 17 Millionen Euro zunächst leihweise losgeeist. Der offensiv variabel einsetzbare Marokkaner gilt als trickreich sowie dribbelstark und glänzte in der Vergangenheit mit einem guten Passspiel. Auch Bouananis Ankunft macht das Stuttgarter Angriffsspiel nochmal vielseitiger. Der Algerier, der am liebsten auf dem rechten Flügel agiert, ist ebenso flexibel einsetzbar und traf am Mittwoch sofort beim 6:2-Testspiel-Sieg über die SG Sonnenhof-Großaspach. 

    Die Tatsache, dass Woltemade nicht positionsgetreu ersetzt wurde, wirft jedoch einen Schatten über die Transferphase des VfB. Das dürfte auch Hoeneß' Laune nicht unbedingt verbessert haben. Zumal die Belastung und der volle Terminkalender durch die Europa League erfahrungsgemäß ihren Tribut fordern werden. Gleichzeitig steigen die Ansprüche in Stuttgart. 

    Auf der anderen Seite sind zwei essentielle Faktoren nicht von der Hand zu weisen. 

  • VfB: Woltemade-Deal war nicht ablehnbar - Hoeneß hat reichlich Alternativen

    Die bis 90 Millionen Euro, die Newcastle für Woltemade auf den Tisch gelegt hat, waren schlichtweg nicht ablehnbar. Der Nationalspieler hatte dem VfB im Zuge der letztlich gescheiterten Verhandlungen mit dem FC Bayern München signalisiert, den Verein verlassen zu wollen. Wer weiß, ob ein Verein im kommenden Jahr nochmal so tief für den 23-Jährigen in die Tasche gegriffen hätte? Zudem knüpften seine Leistungen in den ersten Wochen der neuen Spielzeit nur bedingt an die der Vorsaison an. 

    Der VfB ist wie jeder andere Verein auf diesem Niveau in erster Linie ein Wirtschaftsunternehmen, der solche Summen - insbesondere mit Blick auf eine finanzschwache Vergangenheit - nicht ausschlagen kann. Da ist es auch verkraftbar, dass die Stuttgarter qualitativ einen Schritt zurück machen. Ob der sportliche Erfolg der Mannschaft unter der freilich risikobehafteten Transferpolitik - der Fokus lag größtenteils auf Entwicklungspotenzial anstelle von sofortigen Verstärkungen - stagniert oder gar darunter leidet, wird die Zukunft zeigen. Hoeneß hat wiederum reichlich Möglichkeiten, die Woltemade-Lücke zu stopfen. Außerdem kann im Winter noch immer nachjustiert werden. 

    Bis dahin kann selbst der Ausfall von Undav mit dem vorhandenen Personal aufgefangen werden, sollten obgleich der Dreifachbelastung keine gravierenden Verletzungen in der Offensive hinzukommen. Woltemade spielte nur selten als alleinige Spitze, wurde unter Hoeneß nicht als klassischer Neuner eingesetzt und agierte stattdessen hinter oder an der Seite eines weiteren Stürmers. In Gladbach begann Undav hinter Demirovic. Diese Rolle können neben - in anderer Form - Khannouss auch Bouanani, der ebenfalls neu verpflichtete Tiago Tomas und Chris Führich einnehmen. Des Weiteren bringt Jamie Leweling die Anlagen mit, im Zentrum zu stürmen. Gleiches gilt für Silas, der jedoch noch länger mit seiner hartnäckigen Fußverletzung zu kämpfen haben dürfte. 

    Außerdem könnten die beiden 18-jährigen Youngster Lazar Jovanovic und Noah Darvich mit ihrem unbestrittenen Talent im Laufe der Saison zu ernsthaften Alternativen für die Startelf aufsteigen. Ersterer wurde bereits zweimal eingewechselt, während der U17-Welt- und Europameister bislang nur für die Reserve in der 3. Liga zum Einsatz kam. 

  • Fabian Wohlgemuth, Sebastian Hoeneß NeuIMAGO / Sportfoto Rudel

    Hoeneß muss jetzt liefern: Der VfB Stuttgart hat sich in der Kaderspitze verbreitert

    Trotz der schmerzhaften Abgänge von Woltemade und Millot hat sich der VfB in der Kaderspitze verbreitert. Dazu tragen neben den aufgezählten Ergänzungen für die Offensive auch die Verpflichtungen von Rechtsverteidiger Lorenzo Assignon und Mittelfeldspieler Chema Andres bei, die schon in der kurzen Zeit ihren Mehrwert für den Kader angedeutet haben. Verkaufskandidaten wie Josha Vagnoman, der auf der rechten Abwehrseite aktuell sogar die Nase vorn hat, oder Yannik Keitel wurden obendrein gehalten.

    Hoeneß wurde eine konkurrenzfähige Mannschaft zur Verfügung gestellt, mit der die gestiegenen Ambitionen des VfB auf dem Papier vielleicht nicht gänzlich erfüllt werden, die zwischenzeitliche Frustration aber durchaus in weitere Erfolge umgemünzt werden können. Abseits des bewusst aufgenommenen Risikos der Führungsetage liegt es nun vor allem am Trainer selbst, dass sein weiterhin hochveranlagtes Team und die vielen Neuzugänge am Ende funktionieren. 

  • VfB Stuttgart: Alle Transfers des Sommers 2025 im Überblick

    • Zugänge:
    NamePositionabgebender VereinAblösesumme (laut transfermarkt.de)
    Lorenz AssignonAbwehrStade Rennes12 Mio. Euro
    Noah DarvichMittelfeldFC Barcelona1 Mio. Euro
    Chema AndresMittelfeldReal Madrid3 Mio. Euro
    Badredine BouananiMittelfeldOGC Nizza15 Mio. Euro
    Bilal El KhannoussMittelfeldLeicester City (Leihe + Kaufpflicht)Leihgebühr unbekannt
    Lazar JovanovicAngriffRoter Stern Belgrad5 Mio. Euro
    Tiago TomasAngriffVfL Wolfsburg13 Mio. Euro
    • Abgänge:
    NamePositionaufnehmender VereinAblösesumme (laut transfermarkt.de)
    Dennis SeimenTorSC Paderborn (Leihe)0,25 Mio. Euro (Leihgebühr)
    Anrie ChaseAbwehrRB Salzburg2 Mio. Euro
    Woo-yeong JeongMittelfeld1. FC Union Berlin4 Mio. Euro
    Luca RaimundMittelfeldFortuna Düsseldorf0,4 Mio. Euro
    Enzo MillotMittelfeldAl-Ahli30 Mio. Euro
    Luca PfeifferAngriffSV Elversbergunbekannt
    Jacob Bruun LarsenAngriffFC Burnley4 Mio. Euro
    Nick WoltemadeAngriffNewcastle United85 Mio. Euro