The streets won't forget: Ricardo Quaresma - Der König des Außenrists, der dachte, den Ballon d'Or gewinnen zu können

Als zweimaliger Sieger der Serie A, viermaliger Meister der Primeira Liga, Champions-League-Sieger und sogar Europameister 2016 mit Portugal hat Ricardo Quaresma eine glanzvolle Karriere hinter sich, die ihn unter anderem zum FC Barcelona, FC Chelsea, Inter Mailand, FC Porto und Besiktas Instanbul führte. Doch es ist nicht die große Sammlung von Titeln, die dem gebürtigen Lissabonner weltweite Verehrung einbrachte. Vielmehr war es sein extravagantes, elektrisierendes Auftreten am Ball, das die Herzen von Millionen Menschen eroberte.

Mit Spitznamen wie "Mustang" für seine kraftvollen und rasanten Dribblings oder "Harry Potter" für seine magischen Tricks, mit denen er sich aus den engsten Räumen befreien konnte, war Quaresma der Inbegriff eines Straßenfußballers. Viele würden jedoch argumentieren, dass er nie die Anerkennung erhalten hat, die er für seine Leistungen verdient, oder dass er trotz der großen Vereine, für die er spielte, nicht die Karriere-Level erreicht hat, zu denen er fähig gewesen wäre.

Nichtsdestotrotz ist er in vielen Kreisen nach wie vor ein Kultheld, und hier erforscht GOAL, warum Quaresma ein Name ist, den die Straßen nie vergessen werden.

  • Ricardo Quaresma Sporting CP 2001Getty

    Ricardo Quaresma: Fußball als Ventil

    Der Ursprung von Quaresmas Ruf als böser Junge mit reichlich Begabung können vielleicht auf seine Herkunft zurückgeführt werden. Er wuchs in einer armen Familie auf und war das Opfer von Diskriminierung.

    "Ich hatte immer das Gefühl, dass mich die Leute Zigeuner nannten, um mich zu verletzten. Als ob das ein Verbrechen wäre. Ich war als Kind darüber wütend", sagte er 2016 bei TV SIC. "Eines Tages ging ein Mantel in der Schule verloren und die Eltern sagten sofort, dass es der Zigeuner gewesen sei. Später wurde ihnen klar, dass ich es nicht war. Ich bin stolz darauf, wer ich bin, und auf die Eltern, die ich habe. Wenn ich diese Stärke und Persönlichkeit habe, dann deshalb, weil ich viel erlebt habe. Unser Haus war sehr klein, aber wir konnten dort schlafen und wir hatten etwas zu essen. Meine Mutter ließ mich nie etwas verpassen. Sie hatte mehrere Jobs."

    Der Fußball bot Quaresma ein Ventil, um seine Wut zu kanalisieren und einen Weg zu einem besseren Leben zu finden. Seine Reise begann, als er als Teenager in die Jugendakademie von Sporting CP eintrat und das System rasant durchlief. Im Alter von 17 Jahren wurde er bei seinem Debüt auf eine ungewöhnlich harte Probe gestellt, als er im ersten Ligaspiel der Saison 2001/02 gegen den portugiesischen Spitzenklub Porto eingewechselt wurde, das die Lissaboner mit 1:0 gewannen.

    Was das Debüt eines so jungen Talents angeht, so hätte das von Quaresma kaum besser laufen können. Mit fünf Toren und sechs Vorlagen in allen Wettbewerben gewann Sporting den portugiesischen Meistertitel und den Pokal. Auch in seiner zweiten Saison in der ersten Mannschaft, in der auch sein Jugend-Kollege Cristiano Ronaldo durchstartete, war er ein Star. Die beiden Portugiesen waren gleichermaßen spektakulär und erzielten im Laufe der Saison jeweils fünf Tore, auch wenn Sporting den Titel verpasste.

    Doch die zwei großartigen, explosiven jungen Angreifer, die beide auf beiden Flügeln spielen konnten, hatten das Zeug, zu einem wunderbaren Duo zu werden.

    Die Zukunft sah für beide rosig aus, doch leider sollte diese nicht bei Sporting liegen, denn finanzielle Schwierigkeiten zwangen den Verein dazu, sowohl Quaresma als auch Ronaldo im Sommer 2003 zu verkaufen - ersterer spielte zwei Spielzeiten in der ersten Mannschaft, letzterer nur eine.

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  • Ricardo Quaresma Barcelona Rodriguez Boca Junior 2003Getty

    Im Krieg mit Rijkaard beim FC Barcelona

    Während Ronaldo zu Manchester United wechselte und sich dort zu einem der besten Spieler der Geschichte entwickelte, ging Quaresma, der ältere und vielleicht auch talentiertere der beiden, direkt ins Camp Nou, wo er in der Barcelona-Mannschaft von Frank Rijkaard mit Spielern wie Ronaldinho, Xavi, Andres Iniesta, Carles Puyol, Luis Enrique und Javier Saviola zusammenspielte.

    Für den 19-Jährigen hätte es ein Schritt in Richtung Star sein sollen, aber das Leben in Katalonien war nicht so toll, wie er es sich erträumt hatte. Vielmehr prallten hier zwei gegensätzliche Stile aufeinander: Rijkaard hoffte, Quaresma eine gewisse taktische Disziplin beizubringen und ihn davon zu überzeugen, auf seiner Position zu bleiben. Der mutige junge Flügelspieler wollte jedoch seine riskante, explosive Spielweise beibehalten und fühlte sich durch die Taktik des Niederländers eingeengt.

    Quaresma beklagte sich darüber, dass man ihm versprochen habe, in Barcelona dieselben Freiräume zu gewähren, die er bei Sporting erhalten hatte. Doch obwohl er in der ersten Saisonhälfte die Chance hatte, sich zu beweisen, wurde er nach der Hälfte der Spielzeit ausgemustert.

    Er sagte Jahre später: "Ich verstehe bis heute nicht, was mit mir in Barcelona passiert ist, denn am Anfang habe ich gespielt und es lief gut, aber plötzlich kam der schlimmste Moment meines Lebens, und der Trainer gab mir keine Erklärungen. Er wollte, dass ich auf eine bestimmte Art und Weise spiel - und ich habe versucht, das zu tun. Ich habe meine Spielweise geändert, um ihm zu gefallen, aber am Ende war das Ergebnis immer dasselbe: Ich saß auf der Bank oder auf der Tribüne. Also beschloss ich, meine Art von Fußball zu spielen - und der Krieg ging los."

    2021 blickte Quaresma auf seine Zeit bei Barcelona zurück und sagte: "Ich hätte mich mehr beherrschen müssen, aber das habe ich nicht. Ich war noch ein Kind und ich war rebellisch. Vielleicht war ich nicht auf die Größe des Vereins vorbereitet. Du kommst aus einem schlechten Viertel ins große Rampenlicht und du denkst, du hättest schon alles erreicht, dabei hast du noch nichts erreicht."

    Sein Ärger während seiner Barça-Zeit dürfte auch seiner Karriere in der portugiesischen Nationalmannschaft geschadet haben. Quaresma hatte im Sommer vor seinem Wechsel zu den Katalanen sein Debüt gegeben, wurde aber direkt wieder zur U21 geschickt und nicht für die EM 2004 nominiert, bei der Portugal im Finale gegen Griechenland verlor.

  • Ricardo Quaresma Porto 2015Getty

    Wiedergeburt beim FC Porto

    In Barcelona gab es für Quaresma keine Wende zum Guten. Der Verein hatte schnell die Nase voll von dem bockigen Youngster und beschloss, ihn nach nur einem Jahr zu verkaufen. Er wechselte nach nur zehn Spielen und einem Tor in LaLiga zum FC Porto.

    Für den 20-Jährigen lief es in Porto sofort wieder gut: Er bekam einen Stammplatz in der Mannschaft und brachte schnell das einzigartige Flair mit, das ihn einst zu einem begehrten Talent gemacht hatte.

    In seiner ersten Saison traf er fünfmal und wurde mit dem Team Vizemeister. In der darauffolgenden Saison lief es noch besser, denn Quaresma trug zusammen mit Spielern wie Benni McCarthy, Lucho Gonzalez, Pepe und Jose Bosingwa dazu bei, dass die Portugiesen das Double aus Meisterschaft und Pokal holten. Er schoss fünf Tore, lieferte elf Vorlagen und wurde zum Spieler des Jahres in der Liga gewählt.

    Nach diesem Durchbruch mit Porto war Quaresma nicht mehr zu stoppen. Seine Entwicklung zu einem großartigen Angreifer setzte sich fort, und er trug mit seinen Tricks, seiner Beweglichkeit und dem berühmten, unverschämten Schwung, den er mit der Außenseite seines Fußes auf den Ball bringen konnte, dem sogenannten Trivela, entscheidend zum Erfolg der Mannschaft bei. Porto wurde zum zweiten und dritten Mal in Folge Meister.

    "Wenn ich in Barcelona das gemacht hätte, was ich in Porto gemacht habe, wäre ich auf Augenhöhe mit den ganz Großen, um den Ballon d'Or zu gewinnen", sagte er Jahre später. Monate nachdem Quaresma mit Porto seinen dritten Meistertitel gewonnen hatte, gewann Cristiano Ronaldo seinen ersten Goldenen Ball.

    "Aber so ist das Leben: Man hat Gelegenheiten und man nutzt sie oder nicht. Und es gibt keinen Grund, das im Nachhinein zu bedauern."

  • Ricardo Quaresma Inter 2009-10Getty

    Verletzt worden von José Mourinho

    Die Ankunft dieses besonderen Spielers in Porto fiel mit dem Weggang von "The Special One" zusammen, da José Mourinho zum FC Chelsea wechselte, nachdem er den Verein 2004 zum Champions-League-Sieg geführt hatte. Er und Quaresma sollten jedoch noch einmal zusammenfinden, als der legendäre Trainer seinen Landsmann zu Inter holte.

    Für den Flügelspieler war dies eine weitere Chance, sich in einer der Top-Ligen Europas zu beweisen und die Dämonen aus seiner Zeit in Barcelona ein für alle Mal zu vertreiben. Leider lief es noch schlimmer als bei seinem Albtraum im Camp Nou.

    Ein wunderschönes Tor bei seinem Debüt in der Serie A gegen Catania war vielversprechend, aber Quaresma war nie in der Lage, das zu wiederholen. Es war ein übler Konflikt, denn Mourinho verlangte einen disziplinierteren Spielstil, den Quaresma nicht lieferte - und deshalb wurde er schnell fallen gelassen. Mourinho wollte seinen fehlenden Einsatz nicht tolerieren und gab ihn nach der Hälfte der Saison auf Leihbasis an den FC Chelsea ab. Zu allem Übel wurde Quaresma auch noch zum schlechtesten Spieler der italienischen Liga gewählt.

    Auch die Zeit in London war ein Desaster. Quaresma spielte in vier der ersten sechs Premier-League-Spiele nach seinem Transfer im Januar - und stand nur in einem einzigen in der Startelf -, bevor Luiz Felipe Scolari ihn ganz fallen ließ und ihn im Sommer ins San Siro zurückkehren ließ.

    In der Saison 2009/10 kam Quaresma in der Serie A nur sporadisch zum Einsatz, in der Champions League spielte er gar eine unbedeutende Nebenrolle, doch für das Triple reichte es damals auch für ihn.

    Im Rückblick auf seine Zeit mit Mourinho sagte Quaresma Jahre später: "Bei Inter war ich nicht mehr so jung, aber es sind Dinge passiert, die nicht hätten passieren dürfen. Das hat mir wehgetan. Und wenn man eine Person als Vorbild hat und dann sieht, dass sie nicht das ist, was man dachte. Mourinho ist ein großartiger Trainer, aber es gab Dinge, die mir wehgetan haben."

  • Ricardo Quaresma Cristiano Ronaldo Portugal Euro 2016Getty

    Späte Triumphe mit der Nationalmannschaft

    2010, als Mourinho Inter verließ, um zu Real Madrid zu wechseln, wurde Quaresma an Besiktas verkauft und legte einen großartigen Start hin. Elf Tore in allen Wettbewerben gelange ihm, er sicherte sich mit dem Team den türkischen Pokal und erzielte im Finale sogar den Führungstreffer. Er war offensichtlich reifer geworden, denn in seiner zweiten Saison wurde ihm sogar die Kapitänsbinde anvertraut.

    Doch gerade als Quaresma sein volles Potenzial auf dem Spielfeld zu zeigen begann, kam die andere Seite seiner Persönlichkeit zum Vorschein: Als er in einem Champions-League-Spiel früh ausgewechselt wurde, wütete er gegen Trainer Carlos Carvalhal. Er wurde suspendiert und der türkische Klub entschied sich, ihn im Januar 2012 zu Al-Ahli nach Dubai ziehen zu lassen, Nach zehn Einsätzen wurde er auch dort nach nur wenigen Monaten schon wieder entlassen.

    "In der Welt des Fußballs muss man sagen, was die Leute hören wollen. Und ich bin nicht so", sagte Quaresma einmal. "Ich sage, was ich denke, und manchmal kommt das bei den Leuten nicht gut an."

    Nach einigen Monaten ohne Klub wurde er von vielen Fans empfangen, als er im Januar 2014 nach Porto zurückkehrte, wo er sich erneut gut präsentierte. Nach anderthalb starken Jahren in Portugal entschied er sich jedoch seltsamerweise für eine Rückkehr zu Besiktas, wo er von den Fans des Klubs ebenfalls erneut begeistert empfangen wurde. Diesmal erwies sich die Rückkehr in die Süper Lig als die perfekte Wahl, denn dort blühte er auf und gewann in der Saison 2015/16 den Meistertitel, auch wenn er aufgrund von Disziplinlosigkeiten immer noch hin und wieder gesperrt wurde.

    Dank dieser Wende zum Guten erspielte sich Quaresma vor der EM 2016 das Vertrauen von Portugals Trainer Fernando Santos. Der Flügelspieler kam dann beim Turnier in Frankreich in jedem Spiel zum Einsatz und krönte sich mit dem Team zum Europameister.

    Seit seinem Debüt in der A-Nationalmannschaft im Jahr 2003 war es ein langer Weg gewesen, mit langen Phasen der Nicht-Nominierungen. Der Gewinn der EM 2016 war sicherlich der Höhepunkt, aber nicht das Ende seiner Länderspiel-Karriere. 2018 nahm er im Alter von 35 Jahren zum ersten Mal an einer Weltmeisterschaft teil. Gegen den Iran erzielte er sogar ein herrliches Trivela-Tor, indem er den Ball von der Strafraumgrenze mit der Außenseite ins Netz beförderte.

  • Und danach?

    Nach dem Erfolg bei der EM 2016 kehrte Quaresma zu Besiktas zurück und spielte eine entscheidende Rolle beim erneuten Gewinn der Süper Lig. Nach fünf Jahren beim Istanbuler Klub verbrachte er eine Saison bei Kasimpaşa, bevor er für zwei Spielzeiten nach Portugal zu Vitoria Guimarães zurückkehrte.

    Und so endete seine Riesen-Karriere nicht mit einem Knall, sondern sie lief einfach aus. Quaresmas Spielzeit bei Vitoria wurde immer kürzer und irgendwann war es vorbei.

    Der spektakuläre, manchmal provozierende, aber immer unterhaltsame Flügelstürmer kehrte nie wieder in den Fußball zurück und verbringt nun ein entspanntes Leben mit seiner Familie.

    Nach einer wilden Karriere mit ständigen Höhen und Tiefen in sechs verschiedenen Ländern, einer beachtlichen Anzahl von Titeln mit einigen der größten europäischen Klubs und Länderspiel-Erfolgen mit seiner Nationalmannschaft hat Quaresma die Ruhe und die Entspannung verdient. Doch die Straßen werden ihn nie vergessen.