Sergio Ramos' Rückkehr zum FC Sevilla wird zum Albtraum: Drei Trainer, Champions-League-Aus und Abstiegsangst

Nachdem Sevilla Anfang 2024 die neunte LaLiga-Niederlage einstecken musste, waren die Nerven von Sergio Ramos natürlich strapaziert.

Während er ein Interview mit DAZN führte, wurde er von den Gesängen der sich leerenden Tribüne abgelenkt und schimpfte: "Habt ein bisschen Respekt, wir reden hier! Habt ein bisschen Respekt vor den Leuten und dem Wappen. Haltet die Klappe und geht!"

Der aufgeladene Wortwechsel ist bezeichnend für die unangenehme Atmosphäre, die sich in den letzten 18 Monaten im Estadio Ramon Sanchez-Pizjuan breitgemacht hat.

Derzeit liegt Sevilla, das nach 21 Spielen bereits den dritten Trainer verschlissen hat, nur einen Punkt über der Abstiegszone und hat in LaLiga erst drei Mal gewonnen. Doch der amtierende Titelträger der Europa League kann eigentlich nicht absteigen - oder doch?

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    FC Sevilla: Stammgast in der Champions League

    Die "Nervionenses" sind keine Unbekannten im Tabellenkeller. In der letzten Saison befand sich der Verein in einer ähnlich schwierigen Situation. In der Saison 2021/22 hatte sich der Klub noch gut geschlagen und war ein echter Titelanwärter, bevor ein Einbruch letztlich für Rang vier sorgte, wie schon 2020/21 - Meckern auf hohem Niveau.

    Der Vorstand hatte mehrere gut verdienende Spieler verpflichtet, um erneut so gut abzuschneiden: Anthony Martial, Erik Lamela und Thomas Delaney gehörten zu den erfahrenen Spielern, die geholt wurden. In der Champions League war dann aber schon in der Gruppe mit dem OSC Lille, Salzburg und Wolfsburg Schluss. In der so geliebten Europa League durften die Südspanier aber weitermachen - bis West Ham sie rauswarf.

    Im darauffolgenden Sommer 2022 wurde das Geld knapp und Sevilla verkaufte seine Star-Innenverteidiger Jules Koundé und Diego Carlos an den FC Barcelona bzw. Aston Villa. Julen Lopetegui, der kurz vor seiner Entlassung stand, bevor ihn Sportdirektor Monchi rettete, hatte mit diesem Umbruch in der Saison 2022/23 zu kämpfen. Seine Mannschaft gewann nur eines der ersten sieben Ligaspiele.

    Im Oktober 2022 wurde Jorge Sampaoli als Ersatz für ihn geholt. Der Trainerwechsel trug wenig dazu bei, dass die Mannschaft in der spanischen Heimat konstant spielte, und auch in der Champions League war es schwierig.

    Abseits des Platzes sah es nicht viel besser aus. Isco wurde im Dezember 2022 überraschend entlassen, da er laut Sampaoli "die Erwartungen des Vereins nicht erfüllt hat". Zu diesem Zeitpunkt wuchsen die Sorgen auf und abseits des Platzes exponentiell an und man hatte das Gefühl, dass Sevilla in Richtung Abstiegskampf rutschte.

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  • Sevilla Europa LeagueGetty

    FC Sevilla: Dank Mendilibar zum nächsten Europa-League-Titel

    Und doch konnte Sevilla am Ende derselben Saison nicht nur die Liga halten, sondern auch eine weitere europäische Trophäe gewinnen. Der Schlüssel zu dieser bemerkenswerten Wende war der Abgang von Sampaoli.

    Seine Amtszeit war geprägt von fragwürdigen Entscheidungen und chronischer Leistungsschwäche. So war es wenig überraschend, dass der Verein ihn nach der Niederlage gegen Getafe im März 2023 entließ.

    Sein Nachfolger, Jose Luis Mendilibar, schaffte fast im Handumdrehen den Umschwung: Sevilla gewann vier der nächsten fünf Spiele. Neben dieser bemerkenswerten Form in LaLiga gab es auch eine beeindruckende Serie in der Europa League.

    Auf dem Weg ins Finale schockte Sevilla sowohl Manchester United, als auch Juventus Turin und lieferte sich in Budapest ein spannendes Duell mit José Mourinhos Roma. In einem erschreckenden und unansehnlichen Finale voller Fouls und Schwalben triumphierte die spanische Mannschaft schließlich im Elfmeterschießen. Es war eine kaum zu glaubende Situation, aber nach all den Schwierigkeiten zu Beginn der Saison hatte Sevilla seinen Platz in der Gruppenphase der Champions League für die Saison 2023/24 gesichert.

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    Sergio Ramos kommt nach Hause zum FC Sevilla

    Dieser rekordverdächtige siebte Triumph in der Europa League hätte Sevilla zu einem Neuanfang bewegen können. Doch es dauerte nicht lange, bis weitere Berichte über Unruhen auftauchten. Weniger als einen Monat nach der siegreichen Nacht in Ungarn wurde berichtet, dass der gesamte Kader der ersten Mannschaft zum Verkauf stand, da der Verein Schulden in Höhe von bis zu 90 Millionen Euro zu bewältigen hätte.

    Diese offensichtlichen finanziellen Probleme hinderten den neuen Sportdirektor Victor Orta jedoch nicht daran, im Sommer 2023 für zahlreiche Neuzugänge zu sorgen. Insgesamt wurden acht Spieler verpflichtet, darunter Loïc Badé, Djibril Sow (zuvor Eintracht Frankfurt) und Dodi Lukebakio (Hertha BSC).

    Der mit Abstand wichtigste Neuzugang war jedoch Sergio Ramos. Nachdem der Verteidiger den ganzen Sommer über mit saudi-arabischen Vereinen geliebäugelt hatte, entschied er sich schließlich für eine sentimentale Rückkehr zu seinem Heimatverein, wo er nun deutlich weniger verdient als im Nahen Osten.

  • Sergio Ramos vor Rückkehr beleidigt

    Doch wenn Ramos geglaubt hatte, dass er für diese scheinbar gut gemeinte Entscheidung Anerkennung bekommen würde, hat er sich getäuscht. Als der Wechsel bestätigt wurde, veröffentlichte Biris Norte, Sevillas größte Ultra-Gruppe, eine feurige Erklärung zu seiner Rückkehr: "Wir möchten unsere Ablehnung gegenüber denjenigen zum Ausdruck bringen, die diesen Transfer vorgeschlagen haben. Wir sind nicht von Hass oder Groll getrieben, sondern von Liebe und Stolz auf unseren Verein, seine Geschichte und seine Fans."

    Weiter hieß es: "Wir sind der Meinung, dass allein schon der Vorschlag dieser Verpflichtung ein Mangel an Respekt vor den Werten ist, die uns groß gemacht haben, vor den Symbolen und Legenden, die unser Wappen verteidigt haben, und vor den Tausenden von Sevillistas, die in der Vergangenheit unter dem Spott dieses Spielers gelitten haben."

    Die beiden Parteien haben eine bittere Geschichte. Im Januar 2017 hatte Ramos vor den Augen der Biris Norte einen Panenka-Elfmeter für Real Madrid geschossen. Die Ultras hatten ihn das ganze Spiel über mit "Sergio Ramos, hijo de puta" (Sergio Ramos, H*rensohn) angestachelt. Als der freche Elfmeter im Netz landete, starrte der Verteidiger seine Peiniger an, wobei er sich besonders darum bemühte zu zeigen, dass sein Ärger nicht den anderen Fans von Sevilla galt, die auf den beiden Haupttribünen saßen.

    Ramos ließ sich von dem Vorfall seine Rückkehr nach Andalusien nicht verderben und erklärte in einer tränenreichen ersten Pressekonferenz seine Gründe: "Ich habe mich immer für Emotionen und Gefühle entschieden. Als man mir die Möglichkeit gab, mich für ein Projekt zu entscheiden, habe ich wirklich daran geglaubt. Es ist das erste Mal, dass ich auftrete, seit ich Paris verlassen habe, wo ich die Möglichkeit hatte, weiterzumachen, aber ich dachte, der Zyklus sei vorbei."

    Der Spanier äußerte sich auch zu den Finanzen: "Es war keine Frage des Geldes oder des Vertrags, sondern eine Frage der Philosophie, der Mentalität, des Gefühls. Bei Sevilla sind wir in diesen Werten vereint. Ich hatte die Möglichkeit, nach Hause zurückzukehren, und zwar als Anführer mit der Hoffnung, einen Titel zu holen. Ich wache jeden Tag für dieses Ziel auf, ich glaube, dass wir es schaffen können. Wir wissen, dass es sehr schwierig ist, aber das erste, was wir tun können, ist, daran zu glauben."

  • Ocampos Sevilla Athletic 2023 2024Getty Images

    Sergio Ramos' Rückkehr entpuppt sich als Albtraum

    Ramos hatte auf eine Traumrückkehr gehofft - doch die wurde es bisher nicht. Als er kam, befand sich seine Mannschaft bereits am Tabellenende und hatte die ersten drei Spiele verloren. Er schien sofort Wirkung zu zeigen, als er beim 1:0-Sieg gegen Las Palmas die Abwehr verstärkte - doch in der darauffolgenden Woche verpasste er das Unentschieden gegen Osasuna und den wichtigen Sieg gegen Almeria.

    Seitdem läuft es ziemlich miserabel. In den 15 Spielen danach konnte Sevilla nur einmal gewinnen. Auch auf persönlicher Ebene gab es für Ramos eine Menge Tiefpunkte. Im September verlor Sevilla durch ein Eigentor gegen seinen alten Rivalen, den FC Barcelona, mit 0:1, bei der Niederlage gegen Real Sociedad sah er wegen Meckerns Rot.

    Ramos hat seit seiner Rückkehr bereits mit drei Trainern zusammengearbeitet, was die Unruhe widerspiegelt, die seit vielen Jahren in der Chefetage herrscht. Zunächst wurde Mendilibar, der Architekt des wundersamen Europa-League-Titels, nach einem 2:2 gegen Rayo Vallecano entlassen. Sein Nachfolger, Diego Alonso, hielt es gerade einmal 67 Tage aus, bis er im Dezember 2023 nach einer katastrophalen Serie von nur zwei Siegen in 13 Spielen entlassen wurde.

  • Diego Alonso Sevilla 2023Getty

    FC Sevilla: Klägliches Aus in der Champions League

    Ein entscheidender Grund für die Entlassung Alonsos war, dass es ihm nicht gelang, die Situation in der Champions League zu verbessern und Einnahmen zu generieren.

    In einer Gruppe mit dem FC Arsenal, der PSV Eindhoven und dem RC Lens hätte man sich realistische Hoffnungen auf das Weiterkommen machen können - doch nach zwei Unentschieden in den ersten beiden Spielen gegen die beiden letztgenannten Mannschaften stand man vor einer schweren Aufgabe.

    Wie zu erwarten war, erwies sich die Herausforderung als zu knifflig. Unter der Führung von Alonso musste man sich zu Hause gegen Arsenal 1:2 geschlagen geben. Im November war man dann im Emirates zu Gast, wo man sich mehr darauf konzentrierte, Bukayo Saka und Co. aus dem Weg zu räumen, als zu versuchen, ein Tor zu erzielen - was dazu führte, dass man an diesem Abend beim 0:2 nur einen einzigen Torschuss zustande brachte.

    Zumindest Ramos konnte mit seinen Treffern bei den beiden Niederlagen gegen den PSV und Lens für einen versöhnlichen Abschluss sorgen, doch die Bilanz war ernüchternd. Sevilla hatte nur zwei Punkte geholt, und das in einer Gruppe mit einem Team aus dem Tabellenmittelfeld der Ligue 1 und einer niederländischen Mannschaft, deren finanzielle Mittel sie in den Schatten stellen.

  • Wie geht es nun mit dem FC Sevilla weiter?

    Sevillas Ausscheiden aus der Champions League und Europa hat zumindest einen positiven Aspekt: Das Team kann sich auf den Kampf gegen den Abstieg konzentrieren. Der neue Trainer ist der ehemalige Watford-Boss Quique Sanchez Flores. Wie lange er auf dem heißen Stuhl bleibt, ist die Frage.

    Nach einem guten Start, bei dem Sevilla sein erstes Spiel gegen Granada gewann, kehrte das Unbehagen mit einer Serie von drei sieglosen Spielen zurück. Nach diesen Ergebnissen klang er ziemlich besorgt und sagte: "Im Fußball gibt es keine Zufälle. Alles wird sorgfältig bewertet und analysiert. Wir wissen, warum Dinge passieren. Wir befinden uns in einem defensiven Umbruch. Der Mangel an Struktur in unserem Angriff spiegelt sich in unserer Verteidigung wider. Es ist sehr schwierig, alles von Grund auf zu ändern."

    Sanchez Flores mag seine Zweifel gehabt haben, aber der Sieg gegen ein starkes Team aus Getafe (3:1) im Achtelfinale der Copa del Rey sorgte für eine gewisse Erleichterung nach einer bisher wahrlich miserablen Saison - ebenso wie die kürzliche Ankunft von Hannibal Mejbri, einer Leihgabe von Manchester United. Vor allem für Ramos war es ein wichtiges Spiel, denn er hatte den formstarken Mason Greenwood jederzeit unter Kontrolle.

    Doch schon am vergangenen Wochenende wurde Sevilla wieder auf den Boden der Tatsachen geholt, als Tabellenführer Girona sie mit 5:1 zerlegte. Die Ramos-Rückkehr verwandelt sich mehr und mehr in einen Albtraum, der Abstieg ist bedrohlich nahe wie selten zuvor.

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