Nur Freddy Adu war jünger: Auch der FC Bayern soll das MLS-Wunderkind beobachten, das wie Vini Jr. spielt

Der Moment war am 30. September 2023 gekommen. Als die New York Red Bulls mit einem Tor in Rückstand gerieten, wurde in der 80. Minute ein Wechsel vorgenommen. Julian Hall betritt den Platz, er ist erst 15 Jahre alt.

Zu jung, um den Führerschein zu machen, aber alt genug, um Spielminuten in einem MLS-Duell für ein Team zu sammeln, das sich noch mitten im Playoff-Rennen befindet. Mit seinem Auftritt wurde Hall zum zweitjüngsten Spieler der MLS-Geschichte. Der Einzige, der noch jünger war? Der einst gehypte und dann abgestürzte Freddy Adu.

"Ich würde nicht sagen, dass ich nervös war", sagte Hall GOAL, "was ziemlich überraschend ist. Ich konnte einfach nicht glauben, dass ich auf dem Platz stand. Es war wirklich surreal für mich. Es hat eine Weile gedauert, bis ich das Gefühl hatte, dass ich überhaupt mitspiele. Es war definitiv eines der besten Gefühle, die ich je erlebt habe."

Die ganze Fußball-Welt schaut jetzt bei ihm zu. Klubs aus ganz Europa werden mit ihm in Verbindung gebracht - große Klubs wie Chelsea, Manchester City, Manchester United und Real Madrid beobachten den 15-Jährigen angeblich. Laut dem Londoner Evening Standardinteressiert sich auch der FC Bayern München für den linken Flügelspieler.

Hall hat all die Entwicklungen in seinem Leben immer noch nicht wirklich realisiert. "Ich glaube, nach dem letzten Jahr hat sich alles sehr verändert", sagte er. "Ich habe die Highschool nie wirklich besucht. Es gab einen ziemlich großen Teil des Teenagerlebens, der ein wenig verloren gegangen ist, aber das ist jetzt alles aus einem guten Grund passiert: für meine Weiterentwicklung und für meine Karriere in diesem Sport."

Wie geht es für den 15-jährigen Nachwuchsstar weiter? GOAL sprach mit Hall über seine bisherige Karriere und natürlich auch über seine Hoffnungen für die Zukunft.

  • Julian HallInsta: julianhall_

    Die ersten Schritte

    Er erinnert sich weder an den genauen Zeitpunkt noch an den Grund. Irgendwann in jungen Jahren verliebte sich Julian Hall einfach in den Fußball.

    Hall hat auch andere Sportarten ausprobiert, doch er entschied sich dann für Fußball. Und es dauerte nicht lange, bis er merkte, wie gut er war. "Ich würde nicht sagen, dass ich am Anfang jemals der beste Spieler war, das kam erst später", sagte Hall. "Ich fing mit drei Jahren an, zu trainieren. Und da wurde mir klar, dass ich vielleicht eine Chance habe, Karriere zu machen. Wenn ich mir anschaue, wo ich jetzt stehe, habe ich das Gefühl, dass ich die Chance habe, mit dem Fußball etwas zu erreichen."

    Hall, der auch einen polnischen Pass hat, feuerte als Kind Manchester United im Fernsehen an, obwohl er sich hauptsächlich wegen der Trikotfarbe für den Verein entschieden hatte. Der Spieler, den er am meisten bewunderte, war Robert Lewandowski - sein polnischer Landsmann.

    Der in Manhattan geborene Hall wurde in der New Yorker Fußballszene groß, in der es viele verschiedene Einflüsse gibt. "Es gab alle möglichen Kulturen und Menschen", erinnerte sich Hall. "Als ich in meinem Team spielte, kamen die Leute aus der ganzen Stadt. Dort, wo ich herkomme, lebt der Fußball."

    Als er zwölf Jahre alt war, war Hall bereit, den Sprung von New York nach New Jersey zu wagen. Im Jahr 2020 schloss er sich den Red Bulls an, und bewährte sich in einer der besten Jugend-Akademien der MLS.

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  • Der große Durchbruch

    In seinen ersten Jahren in den Red-Bulls-Jugendmannschaften war Hall nicht zu stoppen. In 39 Spielen erzielte der Stürmer 28 Tore und arbeitete sich so stückweise nach oben. Seinen größten Erfolg feierte er mit der U15-Auswahl der Red Bulls beim MLS NEXT Cup 2023, bei dem er mit fünf Toren zum MVP gewählt wurde und mit seinem Team den Titel holte. Auch beim Generation adidas Cup 2023 gewann er den Goldenen Schuh mit fünf Toren, darunter zwei beim Sieg gegen den FC Chelsea.

    Vor der MLS-Next-Pro-Saison 2023 unterschrieb Hall seinen ersten Profivertrag. Er kam auf zehn Einsätze und erzielte dabei zwei Tore, obwohl er zu den jüngeren Spielern der Liga gehörte. Im September hatten die Verantwortlichen genug gesehen, um ihm einen Dreijahresvertrag für die erste Mannschaft anzubieten. Und nur 23 Tage später stand er mit 15 Jahren zum ersten Mal auf dem Platz.

    "Nach dem Training war das Debüt keine Überraschung mehr", befand Hall. "Ich versuche, auf alles vorbereitet zu sein. Es kann alles passieren. Aber das war etwas, das ich in diesem Moment nicht glauben konnte."

    Er fügte hinzu: "Für mich ist es jetzt unglaublich wichtig, mich zu konzentrieren, vor allem auf mich selbst."

    In nur wenigen Jahren hat Hall das System der Red Bulls quasi im Schnelldurchlauf absolviert. Er machte die einzelnen Schritte schnell hintereinander - und ist nun vor seinem 16. Geburtstag schon in der ersten Mannschaft gelandet.

  • So läuft's gerade

    Es ist davon auszugehen, dass Hall langsam an die erste Mannschaft der Red Bulls herangeführt wird. Immerhin ist er erst 15 Jahre alt. Er muss noch reifen, auf und neben dem Spielfeld, bevor er regelmäßig auf höchstem Niveau spielen kann.

    Wenn die Vorbereitung etwas gezeigt hat, dann könnte Hall jedoch nicht mehr weit von seinem zweiten MLS-Einsatz entfernt sein. "Julian gehört zu den Spielern, die, egal was wir von ihnen verlangen, entscheidend sind, weil sie sich auf alles einstellen können", erklärte Red Bulls-Akademieleiter Sean McCafferty. "Es wäre allerdings gelogen, wenn wir behaupten würden, dass wir erwartet hätten, dass er sich so schnell im Training der ersten Mannschaft zurechtfinden würde."

    Er fügte hinzu: "Das größte Kompliment, das ich ihm machen kann, ist, dass er jedes Mal, wenn man denkt, dass es schwer für ihn werden könnte, eine Lösung findet."

    Hall erhielt in der Vorbereitung viele Einsatzminuten für die Red Bulls und holte gegen St. Louis einen Elfmeter für sein Team heraus. Auch gegen Chicago Fire lieferte er einen Assist.

    Dennoch werden die Red Bulls ihn nicht verheizen. Hall wird alle Zeit bekommen, die er braucht.

  • Seine Stärken

    Hall kann jede Position in einem Dreier-Angriff spielen - am wohlsten fühlt er sich jedoch links.

    Seine Torausbeute in der Jugend spricht für sich, ebenso wie seine Leistungen in der Vorbereitung. Trotz seines Alters ist Hall selbstbewusst und dynamisch - ein Spieler, der in allen Altersklassen erfolgreich war.

    "Ich denke, dass es wichtig für einen Angreifer ist, dass er Torgefahr ausstrahlt. Ich muss ni dieser Hinsicht noch viel lernen. Ich habe tolle Vorbilder im Verein, die mir helfen, mich jeden Tag zu verbessern. Natürlich bin ich noch nicht fertig in meiner Entwicklung. Es gibt immer Dinge, die ich verbessern kann."

    Mit seinen 1,77 Metern hat Hall bereits eine gute Größe, und in Anbetracht seines Alters könnte er noch ein wenig wachsen. Er hat das nötige Tempo und kommt auch im Eins-gegen-Eins an seinem Verteidiger vorbei. Was die körperlichen Voraussetzungen angeht, so sind sie vorhanden, weshalb er mit doppelt so alten Spielern jetzt schon mithalten kann.

    Hall hat bei den Red Bulls bereits ein großes Vorbild gefunden: Vereinslegende Bradley Wright-Phillips. Der ist einer der erfolgreichsten Stürmer der MLS und hat Hall geholfen, sich an das neue Level zu gewöhnen.

    "Ich bin letztes Jahr ganz frisch ins Team gekommen. Es war ein neues Umfeld für mich", sagte Hall. "Bradley Wright-Phillips ist jemand, der die Liga kennt. Ich kann ihm jederzeit Fragen stellen und Infos von ihm bekommen."

    Der 15-Jährige erklärte außerdem: "Ich habe noch einen langen Weg vor mir. Ihn hier an meiner Seite zu haben, ist definitiv wichtig für meine Entwicklung."

    Wright-Phillips äußerte sich derweil auch über Hall: "Ich denke, er braucht noch viele Spiele auf dem MLS-NEXT-Pro-Level. Aber so wie er sich entwickelt hat, sein Körper, alles, ist er bereit, für die erste Mannschaft zu spielen und dort auch abzuliefern. Ich denke aber, dass wir bei jungen Spielern nicht zu schnell vorgehen sollten. Es gibt Schritte, bei denen man sein Spiel anpassen muss. Ich denke, Julian sollte diese Schritte gehen. Und wenn er sich auf der NEXT-Pro-Ebene weiterhin gut schlägt, dann wird er seine Chance in der ersten Mannschaft bekommen."

  • Julian Hall RBNY 2023New York Red Bulls

    Woran er arbeiten muss

    Das, was man bei Hall nicht vergessen darf, ist, dass er immer noch ganz am Anfang steht und lernt. Er ist weder auf noch neben dem Spielfeld in seiner Entwicklung fertig. Der neue Trainer der Red Bulls, Sandro Schwarz, stellte dies bereits während der Vorbereitung heraus und räumte ein, dass sich Hall noch an das Leben als Profi gewöhnen muss.

    "Er hat in den letzten Tagen große Schritte gemacht", erklärte der frühere Coach von Mainz 05 und Hertha BSC, "aber er muss außerhalb des Platzes weiter hart arbeiten, genauso wie auf dem Platz, damit er sich professionell verhält. Ich bin mir aber sicher, dass er das tun wird."

    Es gibt einige Aspekte, die Hall in seinem Spiel verbessern möchte. Vieles davon ist jedoch nur Feinschliff, denn Hall verfügt bereits über viele Eigenschaften, die einen produktiver und guter Flügelspieler braucht.

    "Ich denke, es gibt eine Menge Dinge, die ich noch verbessern kann", sagte Hall. "Von der Akademie in die erste Mannschaft zu wechseln, ist ein großer Sprung. Der Torabschluss, das Kombinationsspiel, selbst die Dinge, die bei mir gut laufen, kann ich noch verbessern."

    Er fuhr fort: "Ich denke, in der ersten Mannschaft sind es definitiv die Körperlichkeit, die Spielgeschwindigkeit, die ich verbessern muss, um auf diesem Niveau gut zu spielen."

  • Vinicius Junior Real Madrid 2023-24Getty Images

    Der neue ... Vinícius Júnior?

    Es klingt arg verfrüht: Hall als den nächsten Vinícius Jr. zu bezeichnen, kommt zu schnell. Der Brasilianer ist einer der besten Flügelspieler der Welt, ein Champions-League-Sieger. Hall ist ein Teenager, praktisch ohne Profi-Erfahrung.

    Wenn es allerdings einen Spieler gibt, dem Hall am ehesten gleicht, dann ist es der Star von Real Madrid. Hall selbst schaut sich zwar lieber Robert Lewandowski an - aber sein Spiel spricht viel eher für eine Karriere auf dem Flügel.

    "Ich schaue mir Robert Lewandowski an", sagte Hall, "aber es gibt so viele Flügelspieler wie Vinícius, die so viel Zug zum Tor haben. Sie wissen, was sie mit dem Ball machen wollen, bevor sie ihn bekommen. Sie sind einfach sehr clever. Es ist alles nur eine Frage des Spielverständnisses."

    Für Hall ist das das Wichtigste, was es zu entwickeln gilt: den Fußball-IQ und seine Intuition. Deshalb ist es für ihn auch so hilfreich, manchmal mit Wright-Phillips zu trainieren, denn nur so kann er von einem der besten MLS-Torjäger lernen.

    "Mit BWP ist es das Gleiche", sagt er, "deshalb ist es so schön, dass er bei uns im Verein ist."

  • Wie geht es weiter?

    Hall kennt die Gerüchte, die ihn mit einigen Top-Klubs Europas in Verbindung bringen. Die meisten 15-Jährigen würde das aus der Bahn werfen. Hall hingegen findet die Gerüchte spannend.

    "Ich bin auf Twitter unterwegs und sehe das alles. Wenn ich die Klub-Namen höre, erinnere ich mich daran, dass ich diesen Klubs früher zugeschaut habe", sagte er. "Ich versuche, mich nicht mit den Gerüchten zu befassen. Aber ich finde es verrückt, dass all diese Namen auftauchen."

    Damit Hall das Niveau für einen Wechsel nach Europa erreichen kann, muss er sich weiterentwickeln. Dank seines polnischen Passes könnte er den Sprung nach Europa wagen, bevor er 18 Jahre alt wird. Aber der Flügelspieler weiß, dass er noch viel Arbeit vor sich hat, bevor er für einen solchen Schritt bereit ist.

    Im Moment denkt er noch nicht so weit in die Zukunft. Halls aktuelle Ziele stellt er sich im Hier und Jetzt: mehr Einsätze in der MLS.

    "Es wäre toll, wenn ich in dieser Saison viele Minuten spielen könnte", sagt er. Sollte dies der Fall sein, wird der Hype nur noch größer werden. Vor einem Jahr war er noch ein relativ anonymer Red-Bull-Nachwuchskicker. Jetzt steht er unter viel größerem Druck. Die Scouts einiger Top-Klubs, wie die des FC Bayern München, schauen zu.

    Für all die jungen Fans, die gerade auf Hall aufmerksam geworden sind und seine Karriereschritte nun ebenfalls verfolgen, hat er eine Botschaft: "Ich möchte, dass die Leute, vor allem auf Social Media, mitbekommen, dass ich ein ganz normaler Typ bin", sagte er. "Ich bin ein normaler Teenager. Ich gehe zum Training, fahre dann wieder nach Hause. Auf Social Media sieht das vielleicht anders aus, aber ich möchte, dass die Leute das wissen."

    Hall mag ein ganz normaler Teenager sein, aber er hat außergewöhnliche Ziele im Fußball in Aussicht, wenn er seinen Weg weitergeht, der gerade erst begonnen hat.