Nuri Sahin, Sebastian KehlImago

Nicht nur Nuri Sahin: Auch eine Trennung von Sebastian Kehl wäre folgerichtig! Kommentar zur historischen Krise des BVB

Letztmals im Frühjahr 2000 war es der Fall, dass Borussia Dortmund vier Pflichtspiele in Folge verloren hat. Damals hagelte es unter der jeweils kurzzeitigen Leitung von Bernd Krauss und Udo Lattek sogar sechs Pleiten in Serie, ehe der zu diesem Zeitpunkt als Trainer noch unerfahrene Matthias Sammer den BVB wieder in die Erfolgsspur brachte. Knapp 25 Jahre später befindet sich Schwarzgelb in einer ähnlich historischen Krise, die einen noch radikaleren Schnitt benötigt.

Die in allen Belangen erschreckende 1:2-Niederlage beim FC Bologna in der Champions League machte endgültig deutlich, dass das Projekt Nuri Sahin gescheitert ist. Mittlerweile ist auch offiziell klar, dass es für Sahin nicht weiter geht. Am Mittwochmorgen gab der BVB die Trennung von seinem Coach bekannt. Dieses Aus war unausweichlich!

Doch damit nicht genug! Auch eine Entlassung von Sportdirektor Sebastian Kehl wäre spätestens im Sommer folgerichtig. Erneut hat es der langjährige BVB-Kapitän verpasst, einen ausgewogenen Kader aufzustellen und Sahin über weite Strecken der Saison einen Bärendienst erwiesen.

  • BVB: "Körperlich und geistig in einer Nicht-Verfassung"

    "Diese Mannschaft ist körperlich und geistig in einer Nicht-Verfassung. Die Grundlage ist nicht da. Aber leider kann die Mannschaft auch nicht verteidigen, angreifen kann sie auch nicht", sagte ein gefasster Sammer in seiner Rolle als Experte bei Amazon Prime Video kurz nach dem Abpfiff in aller Deutlichkeit. Eben jener, der den Verantwortlichen um Geschäftsführer Lars Ricken als Berater dient und selbst vier Jahre auf Dortmunds Trainerstuhl saß.

    Gleichzeitig betonte Sammer, dass der BVB keineswegs an einem unschlagbaren Gegner gescheitert sei. Zwar sei Bologna durchaus im Aufwind, aber bei weitem keine Übermannschaft. "Die eine kommt so langsam, die andere scheint zu gehen", lautete das vernichtende und zugleich treffende Urteil des 57-Jährigen.

    Zwei Punkte und ein Tor hatte Bologna vor dem Spiel auf dem Champions-League-Konto. Nach dem frühen 1:0 durch Serhou Guirassy zeigte allerdings nur ein Team eine der Königsklasse würdige Leistung - und das kommt gewiss nicht aus Deutschland. Während sich ein Spiel auf ein Tor abzeichnete, kam der BVB trotz des offensiven Systems mit gleich fünf nominellen Angreifern in der Startelf auf nur eine weitere Torchance. Wohlgemerkt in Minute 17. Konter mit der Führung im Rücken oder ein letztes Aufbäumen nach dem Rückstand? Fehlanzeige!

    Stattdessen war es das erstmals für den Wettbewerb qualifizierte Bologna, das den BVB wie einen Neuling aussehen ließ. Schon in der ersten Hälfte hätten die Italiener ihr zweites Champions-League-Tor der Vereinsgeschichte erzielen müssen, um dann nach zwei kapitalen Aussetzern der schwarzgelben Defensive innerhalb von 88 Sekunden auf drei Treffer zu erhöhen.

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  • Nuri Sahin Dortmund 2025Getty

    Nicht mehr tragbar: Nuri Sahins Experimente gingen alle schief

    Die Horror-Bilanz des BVB von 3:17 Schüssen, einer unterirdischen Passquote von 74,4 Prozent und reichlich Verzweiflung führten schließlich zu einer geschlossenen Meinung bei Ricken, Sahin und den Experten: Diese Niederlage war wie schon in Kiel und Frankfurt hochverdient.

    Das lag auch an der Reihe der (mal wieder) fehlgeschlagenen Experimente von Sahin, der seine beiden vermeintlichen Führungsspieler Emre Can und Julian Brandt auf die Bank gesetzt hatte und in Julien Duranville, Jamie Gittens, Giovanni Reyna und Maximilian Beier hinter dem zum wiederholten Male hilflosen Guirassy auf eine blutjunge Offensive setzte.

    Zu allem Überfluss brachten auch alle seine Einwechslungen nichts ein. Das krasse Gegenteil zu seinem Pendant Vincenzo Italiano, der gleich beide Torschützen eingewechselt hatte. Bolognas Doppelschlag erfolgte obendrein nur sieben bzw. acht Minuten nach der Hereinnahme von Can und Karim Adeyemi.

    Sahin gelang schlichtweg nichts mehr. Dafür machte sich auf und neben dem Platz Ratlosigkeit breit. Entsprechend ernüchternd fiel sein Fazit auf der anschließenden Pressekonferenz aus. "Ich bin verantwortlich für die Leistung, die wir bringen und am Ende müssen wir liefern." Und das macht der BVB schon eine ganze Weile nicht mehr.

  • Unausgewogener Kader: Auch Sebastian Kehl ist gescheitert

    Eine Tatsache, die sich auch Kehl auf die Fahne schreiben muss. Wie schon in der vergangenen Saison, als die Borussia gehörig ins Straucheln gekommen und am Ende mit Ach und Krach die Champions-League-Qualifikation geschafft hatte, bedarf es im Winter an Nachjustierungen im Kader.

    Die durchaus von Risiko behafteten Leihgeschäfte von Ian Maatsen und Jadon Sancho hatten zu seinem Glück maßgeblichen Anteil daran, dass eine chaotische Saison trotz aller Nebenkriegsschauplätze versöhnlich endete und sogar beinahe mit dem Triumph in der Champions League in Vergessenheit geriet. Lehren daraus zog Kehl aber offenbar nicht und setzte Sahin bei dessen erster großen Trainerstation eine in weiten Teilen unausgewogene Mannschaft vor die Nase. Baustellen so weit das Auge reicht.

    Anstelle eines Maatsen-Ersatzes für die schon im Winter 2024 festgemachte Schwachstelle hinten links hatte Sahin nur einen gelernten Linksverteidiger zur Verfügung. In Bologna ersetzte deshalb Julian Ryerson den gesperrten Ramy Bensebaini und präsentierte sich ebenso überfordert wie der Algerier gegen die SGE. Der Norweger durfte sich letztlich glücklich schätzen, dass sich Gegenspieler Riccardo Orsolini in der ersten Hälfte verletzte, nachdem er ihn regelrecht schwindelig gespielt hatte.

    Drei gelernte Innenverteidiger, obwohl Sahin immer wieder mit einer Dreierkette liebäugelte, sind ganz offensichtlich ebenfalls zu wenig. Zumal es in den vergangenen Monaten immer wieder Ausfälle zu beklagen gab und Reserve-Spieler Yannik Lührs oder Can aushelfen mussten. Stattdessen stießen Spieler wie der frühzeitig fest verpflichtete Yan Couto per einfach zu erreichender Kaufpflicht oder Maximilian Beier für hohe Ablösen zum Verein hinzu, mit denen Sahin augenscheinlich nicht viel anzufangen wusste.

    Umso mehr überraschte die Vertragsverlängerung von Kehl, die Anfang des Jahres laut übereinstimmenden Medienberichten zufolge still und heimlich über die Bühne ging. Der womöglich nächste Fehler der Führungsetage, der bei einer Trennung viel Geld kosten könnte.

  • Sebastian Kehl Dortmund 2024Getty

    Nuri Sahin beim BVB entlassen: Steht der Ersatz schon parat?

    Ein sofortiges Ende der Zusammenarbeit mit Kehl wäre im Zuge der unvermeidbaren Trennung von Sahin aber wohl ein zu großer Umbruch. Der elegantere Zeitpunkt bietet sich nach Saisonende, wenn die Dinge neu und strukturiert bewertet werden können. Womöglich auch mit einem guten Ende für den 44-Jährigen.

    Zuvor muss Kehl abermals Löcher flicken und Sahins Nachfolger einen verbesserten Kader zur Seite stellen, um die Mindestziele zu erreichen. Ob er großen Einfluss auf die Trainersuche hat, darf hingegen bezweifelt werden.

    In Erik ten Hag soll dem Vernehmen nach ohnehin bereits ein Favorit als Sahin-Ersatz auserkoren worden sein. Zudem werden unter anderem die ebenfalls vereinslosen Niko Kovac, Roger Schmidt und Urs Fischer gehandelt.

    Doch ganz egal, wie und mit wem es beim BVB weitergeht: Es muss und kann nur besser werden!

  • BVB: Die kommenden Spiele von Borussia Dortmund

    Datum

    Wettbewerb

    Gegner

    Samstag, 25. Januar (15.30 Uhr)

    Bundesliga

    Werder Bremen (H)

    Mittwoch, 29. Januar (21 Uhr)

    Champions League

    Shakhtar Donezk (H)

    Samstag, 1. Februar (15.30 Uhr)

    Bundesliga

    Heidenheim (A)

    Samstag, 8. Februar (15.30 Uhr)

    Bundesliga

    VfB Stuttgart (H)