Ein deutlicher Sieg führt zum ersten Titelgewinn im DFB-Pokal seit 1997: Der VfB Stuttgart hat sich trotz einer von vielen Auf und Abs geprägten Saison am Ende doch noch belohnt. Es ist die vorläufige Krönung der Amtszeit von Trainer Sebastian Hoeneß - und die Zukunft sieht durchaus rosig aus. Beinahe beängstigend für die Konkurrenz in der Bundesliga.
GettyMit historischem Nick Woltemade: Warum der VfB Stuttgart für die Konkurrenz jetzt beängstigend werden könnte
(C)Getty ImagesSebastian Hoeneß: "Viele Emotionen, teilweise Leere"
Entsprechend ausgelassen und emotional wurde es nach Abpfiff. Erleichterung machte sich breit. Feuchte Augen auf den Rängen und dem Spielfeld. Rührende Szenen, gepaart von epischen Feier-Bildern im Pyrostrum der VfB-Fans.
"Ich bin fix und fertig. Die Emotionen kommen hoch. Ich kann es gar nicht in Worte fassen, hier gerade mit unseren Fans zu feiern. Das ist das schönste Gefühl, das man haben kann, glaube ich. Ich bin überwältigt", sagte Maximilian Mittelstädt. Hoeneß ergänzte mit teils überschlagener Stimme: "Es sind viele Emotionen, teilweise Leere. Ich bin überglücklich und stolz auf die Jungs. Es war keine einfache Situation vor dem Spiel."
Die Hoeneß-Truppe belohnte sich letztlich nicht nur selbst für die positive Entwicklung in den vergangenen beiden Jahren. Auch die Fans ernteten ihren verdienten Lohn für deren seit einigen Jahren unfassbaren Support. Inklusive eines spektakulären Auftritts in Berlin. Rund zwei Jahre nach dem der VfB dem Abstieg gerade noch so von der Schippe sprang. Wenige Tage nach einem enttäuschenden Abschneiden in der Bundesliga.
GettySaison des VfB Stuttgart glich einer Achterbahnfahrt
Nur Platz neun sprang am Ende für den Vizemeister der Vorsaison aus, nachdem die Schwaben insbesondere in der Rückrunde einen ordentlichen Durchhänger hatten. Insbesondere vor heimischer Kulisse war zwischendrin der Wurm drin. Die Heimschwäche nahm fast schon historische Züge an, ehe sie mit einem deutlichen Erfolg über den FC Augsburg am vorletzten Spieltag durchbrochen wurde. Andernfalls wäre der VfB Gefahr gelaufen, den Negativrekord von Tasmania Berlin mit den meisten Pleiten auf dem eigenen Rasen einzustellen.
Die Stuttgarter Saison glich einer wilden Achterbahnfahrt, die der VfB weitestgehend selbst unnötig rasanter machte. Dazu war in der Champions League bereits in der Ligaphase Schluss. Spielerisch gehörte der VfB auch in der zweiten vollen Saison von Hoeneß zweifellos zu den besten Teams der Bundesliga. In Teilen spielte der VfB den sogar spektakulärsten Fußball, noch spektakulärer als der souveräne Meister aus München.
Auf der anderen Seite präsentierte sich beinahe die Hälfte der Liga in einer Sache besser als der VfB: der Konstanz. Häufig schlugen sich die Stuttgarter selbst. Mal war es die schlechte Chancenverwertung. Mal die fehlende Restverteidigung. Mal fehlte schlichtweg das Quäntchen Glück.
Der Beinahe-Rückstand, die zwei unnötigen Gegentore und das kurze Zittern in der Schlussphase des Endspiels sind durchaus sinnbildlich für die Probleme, die Hoeneß noch in den Griff bekommen muss ("Wir haben schon geschwitzt. Das war ein ganz komisches Spiel."). Dann kehrt in den nächsten Jahren vielleicht auch wieder die Meisterschale an den Neckar zurück.
Der VfB Stuttgart hat ein vielversprechendes Fundament
Der VfB hat nach dem FC Bayern das wohl gefestigste Fundament in seinen Reihen. Auch wenn in Enzo Millot noch ein Stammspieler den Verein per Ausstiegsklausel verlassen könnte. Die Schwaben haben kaum Schwächen in ihrem Kader, lediglich Stellschrauben gilt es im Sommer zu justieren. Stattdessen überwiegt das große Potenzial, das schon vorhanden ist.
Im Tor wird Nationalkeeper Alexander Nübel dem VfB mindestens eine weitere Saison erhalten bleiben. In der Abwehr hat man in Finn Jeltsch eines der größten Talente des Landes verpflichtet. Im Mittelfeld glänzt Dauerbrenner Angelo Stiller. Im Angriff avanciert Nick Woltemade immer mehr zur deutschen Sturmhoffnung. Er könnte das DFB-Team Anfang Juni als Debütant an der Seite von Teamkollege Deniz Undav sogar zum Nations-League-Titel führen. Und an der Seitenlinie steht einer der besten Trainer des Landes.
Besonders Woltemade hat eine fabelhafte Entwicklung in seiner Premieren-Saison im VfB-Trikot hingelegt und war maßgeblich am Pokalsieg beteiligt. Sein Führungstreffer war nicht nur der Dosenöffner für die schwäbischen Festivitäten im Olympiastadion. Gleichzeitig traf er auch im fünften Pokalspiel in Serie. Das gelang zuletzt Mario Gomez in der Saison 2008/09.
Somit traf er auch in jeder seiner ersten fünf Partien im Wettbewerb, das seit Bundesliga-Gründung noch kein Spieler mit dem roten Brustring vollbrachte. Es folgte ein Knierutscher, den er erstmals in seiner Karriere auspackte. "Ich habe gleich blaue Knie bekommen", sagte Woltemade.
Getty Images SportNick Woltemade begehrt - aber in den VfB Stuttgart verliebt
Somit beendet er die Saison mit 17 Treffern und drei Assists in wettbewerbsübergreifend 33 Einsätze. Überragende Werte, die freilich in ganz Europa Beachtung finden. Seit einigen Monaten gibt es Gerüchte über einen möglichen Wechsel zu einem absoluten Topklub. Eine Ausstiegsklausel soll Woltemade aber immerhin nicht besitzen.
Allerdings hat sich Woltemade längst in den Verein und die Fans verliebt, wie der Ex-Bremer schon mehrfach betonte. Mehr als fraglich, dass es nach nur einer Saison zur Trennung kommt. Ganz egal, welcher Klub anklopft.
Die erneute Qualifikation für das internationale Geschäft - der Pokalsieger spielt bekanntlich in der Europa League - macht einen Verbleib außerdem wahrscheinlicher. Denn auch im nächsten Jahr heißt es wieder: "Nach all der Scheiße, geht's auf die Reise - Stuttgart international!"

