Liam Delap: Der nächste Harry Kane - und erneut ein unglaublicher Fehler von Pep Guardiola?

Allein die Torebeteiligungen sind beeindruckend. Allerdings ist das eine Statistik, die unterschlägt, dass der 21-Jährige auch bei den restlichen Toren mitunter große Aktien hat. Beispielsweise gegen die Wolverhampton Wanderers Mitte Dezember, als er den Führungstreffer mit einem kraftvollen Dribbling initiierte und aus statistischer Perspektive Pech hatte, dass Mitspieler Omari Hutchinson die perfekte Vorlage nicht verwandelte, sondern erst ein Nachschuss zu einem Eigentor führte.

Delap ist in seinen jungen Jahren der absolute Dreh- und Angelpunkt der Offensive - nicht bei einem Überfliegerteam aus dem oberen Tabellendrittel, sondern bei einem Aufsteiger und Abstiegskandidaten. In seiner ersten Saison in der Premier League zeigt er regelmäßig, dass er eine Klasse besser ist als seine Mitspieler und hält Ipswich somit am Leben.

Es sind Szenen wie die beschriebene gegen Wolverhampton, die Delap auszeichnen und die hoffen lassen, dass seine Leistungen nicht denen eines typischen One-Hit-Wonders entsprechen. Die Art und Weise, wie er sich mit dem Ball durchtankte, seinen Gegenspieler alt aussehen ließ und am Ende unter Druck noch die richtige Lücke für den Pass ins Zentrum fand, war die eines Spielers mit hoher Qualität.

Delap verfügt über eine gute Mischung aus physischen und technischen Fähigkeiten, die es ihm erlaubt, mehr am Spiel teilzunehmen als nur mit klassischen Neunerbewegungen. Immer wieder lässt er sich ins Mittelfeld fallen, um Gegenspieler aus ihren Positionen zu ziehen und Schnittstellen für seine schnellen Mitspieler zu öffnen.

Dieser weiträumige Spielstil erinnert an seinen Landsmann Harry Kane und auch die Art und Weise, wie er den Ball nach außen oder in die Tiefe weiterverteilt ist der des Bayern-Stürmers ähnlich. Ob Volley- oder Direktpässe, ob Seitenverlagerungen oder Steckpässe - Delap kann die Zehner- und Stürmerrolle vereinen, ohne seine Kernaufgaben zu vernachlässigen.

Im Abschluss ist der Engländer eiskalt, hat aus bisher 6,2 erwarteten Toren (via FBref) acht Treffer erzielt. Wichtig für Ipswich Town ist zudem, dass Delap mit seiner dynamischen und athletischen Spielweise immer wieder Standardsituationen herausholt. An neun Abschlüssen war er in dieser Saison allein damit beteiligt, dass er gefoult wurde.

Es verwundert daher kaum, dass die Gerüchteküche rund um den Angreifer brodelt. So berichtete The Athletic vor einigen Wochen, dass ein Wechsel zu einem der Top-Sechs-Klubs in England erwartet werde.

Manchester United und der FC Chelsea sollen großes Interesse haben und auch eine Rückkehr zu Manchester City wurde immer mal wieder ins Spiel gebracht. Ob die Skyblues eine Art Rückkaufklausel oder gar Vorrecht beim Verkauf des Top-Talents vereinbart haben, ist unklar. Jedoch haben sie derartige Vertragsdetails in der Vergangenheit immer wieder ausgehandelt.

Nach zwei eher unspektakulären Leihen in die Championship verkaufte der Klub mit Trainer Pep Guardiola den Stürmer für nur 15 Millionen Pfund (rund 18 Millionen Euro) an Ipswich Town, wo er nun sein Potenzial andeutet. In England ist die Aufregung entsprechend groß: Hat Guardiola erneut einen großen Fehler gemacht?

Schon nach dem Verkauf von Cole Palmer an den FC Chelsea gab es riesige Debatten darüber, ob City den Offensivspieler nicht lieber hätte behalten sollen. Guardiola stand in der Kritik.

Diesmal aber dürfte die Geschichte etwas anders verlaufen. Auch wenn Delap ein hervorragender Spieler ist, der in den kommenden Jahren noch weitere Fortschritte machen kann, ist er noch lange kein derartiger Überflieger wie Palmer.

Seine Leistungen schwanken noch spürbar, was einerseits mit der insgesamt niedrigeren Qualität seiner Mitspieler zu tun hat, andererseits aber auch damit, dass er noch am Anfang seiner Karriere steht und erst in den letzten Wochen und Monaten seinen Durchbruch zu schaffen scheint.

Sowohl für Manchester City als auch für den Spieler wäre es wohl kaum wünschenswert, wenn er hinter Erling Haaland auf der Bank geparkt würde – zumal die Offensive des Serienmeisters noch weiter verstärkt werden soll. Insofern dürfte Delap eher in die Kategorie jener Spieler fallen, die bei City im Moment und auch in naher Zukunft ohnehin keinen Platz hätten. Umso besser für ihn, dass er im Sommer die freie Wahl haben könnte.

Für Delap wird es darum gehen, seine Spielmacherqualitäten noch konsequenter einzubringen. Derzeit führen 2,31 seiner Aktionen pro 90 Minuten zu einem Abschluss seines Teams - damit steht er innerhalb des Ipswich-Kaders nur auf dem zehnten Rang und schafft es in der Premier League nicht mal in die Top-100.

Das liegt nicht daran, dass er zu wenig ins Spiel integriert ist. Wie eingangs beschrieben, ist er ein sehr umtriebiger Spieler, sammelt im Schnitt 21,9 Ballkontakte pro 90 Minuten, was bei einem Klub mit durchschnittlich 40,2 Prozent Ballbesitz viel für einen Mittelstürmer ist.

Es geht wohl eher um den Feinschliff: Wann muss er in welcher Position sein, um seinem Team optimal zu helfen? Feinschliff, den er sich bei seinem nächsten Karriereschritt holen muss, um irgendwann tatsächlich in die Fußstapfen von Kane in der englischen Nationalmannschaft treten zu können.

Sein Debüt steht dort noch aus, doch unter Nationaltrainer Thomas Tuchel könnte er schon bald die erste Chance erhalten, sich als optimaler Backup von Kane zu beweisen. In England wird schon über seine erste Nominierung spekuliert.

Delap ist definitiv ein heißes Eisen auf einer Position, auf der einige der Besten der Welt so langsam in ein Alter kommen, in dem sie tendenziell eher abbauen werden. Die Zukunft wird zeigen, ob er auf seinen hervorragenden Start in der Premier League aufbauen kann und ob es ihm gelingt, bei einem Topklub Spuren zu hinterlassen.