Klopp Paris FCIMAGO / KCS Presse

Jürgen Klopp ist mittendrin: Wie der direkte Nachbar von PSG eine "Revolution" von nationalem Ausmaß vorantreibt

"Ich wollte Eintracht Frankfurt zum richtigen Zeitpunkt verlassen. In diesem Jahr haben wir uns für die Champions League qualifiziert. Das Ziel war, - es war sogar ein kleiner Traum -, den Verein zu verlassen, während er auf dem höchstmöglichen Niveau war", begründete der ehemalige Nationaltorhüter Kevin Trapp seinen Abschied bei der SGE gegenüber der französischen L'Equipe. "Und dann natürlich das Projekt hier in Paris", fügte er hinzu.

Das "Projekt" war jedoch nicht Paris Saint-Germain, wo Trapp bereits von 2015 bis 2018 spielte. Er hatte sich ein anderes Projekt in der französischen Hauptstadt ausgesucht. Für eine Million Euro ging es zum Stadtrivalen, der eigentlich keiner ist. Zum Paris FC. Während sein Ex-Klub PSG den Gewinn des lang ersehnten Champions-League-Titels feierte, war der Nachbar gerade erstmals seit 46 Jahren wieder in die Ligue 1 aufgestiegen.

  • Dabei ist der Paris Football Club kein gewöhnlicher Aufsteiger. Er strebt sogleich große Ziele an und hat ebenso große Namen hinter sich. Und natürlich mächtig viel Geld. Seit November des Jahres 2024 befindet sich der Fußballverein im Besitz der Familie Arnault. Bernard Arnault ist Gründer des Luxuskonzerns LVMH - und einer der zehn reichsten Menschen der Welt. Die L'Equipe nannte den Einstieg von Arnault "eine Revolution innerhalb des französischen Fußballs und der nationalen Politik und Wirtschaft".

    Sohn Antoine führt seit jener Fußball-"Revolution" von nationalem Ausmaß die operativen Geschäfte. Im vergangenen Jahr waren die Wünsche zunächst noch verhältnismäßig bescheiden: "Unser Ziel ist es zunächst, eine gute Saison in der Ligue 2 zu spielen und in die Ligue 1 aufzusteigen", ließ der 48-jährige Geschäftsmann verlauten. Doch Arnault stellte noch vor dem tatsächlich erreichten Aufstieg klar, dass dieser längst nicht mehr das höchste der Gefühle sei. "Dann wollen wir den Verein so aufstellen, dass er in die Riege der Topklubs vorrückt und sich dort etabliert, um dann hoffentlich regelmäßig europäische Plätze zu erreichen."

    Mit etwaigen Ambitionen war einst auch der katarische Staatsfonds QSI bei PSG eingestiegen. In Folge von Finanzspritzen in Milliardenhöhe und geschichtsträchtigen Mega-Transfers herrscht im französischen Fußball mittlerweile ein Machtmonopol. An der Spitze steht PSG und dann für gewöhnlich lange nichts. Seit dem Einstig von QSI 2011 gab es genau drei andere Meister in Frankreich, die nicht auf das Kürzel PSG hörten. Auch deshalb will Arnault, der laut eigenen Angaben seit seinem zwölften Lebensjahr Anhänger des kleinen Stadtnachbarn ist, von einer Konkurrenz zu PSG nichts wissen. "Vermessen" seien solche Gedankenspiele und schließlich sei die Hauptstadt "groß genug" für zwei Spitzenklubs.

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    PSG und PFC: Nur wenige Meter getrennt und doch keine Rivalen

    In der Historie sind die beiden Teams sogar untrennbar miteinander verbunden: 1969 wurde der PFC schon damals mit dem Ziel gegründet, wieder Spitzenfußball in Paris zu etablieren. Nur ein Jahr später schloss sich der Verein mit Stade 1904 Saint-Germain-en-Laye zusammen, da man zuvor ohne Mitglieder und Mannschaft dastand. Geboren war der Paris-Saint-Germain FC. 

    Kurz darauf war das damalige Projekt schon wieder beendet. Zwar blieb der PFC nach weiterer Umbenennung noch bis 1979 erstklassig, doch verlor in der Gunst der Stadt deutlich gegen das aus der damaligen Fusion hervorgegangene Paris Saint-Germain.

    PSG wurde zwar zunächst in die Drittklassigkeit geschickt, konnte sich aber wieder hocharbeiten und dank des heimischen Prinzenpark im Herzen der Stadt und in der Gesellschaft verankern. Der PFC musste indes seine Heimspiele wegen Sperrungen teils weit entfernt austragen. Anfang der 1980er fanden die "Heimduelle" über 150 Kilometer entfernt in Troyes statt. Seit dem damaligen Abstieg dümpelte der Verein fernab von Interesse schon bald als Fahrstuhlmannschaft pendelnd zwischen dritter und vierter Liga vor sich hin.

    2015 erfolgte erstmals wieder der Aufstieg in die Ligue 2 - und der direkte Abstieg. Trotz einer Niederlage in der Relegation gelang 2018 dank eines Lizenzentzugs beim SC Bastia der erneute Aufstieg in die Zweitklassigkeit. Ein Jahr zuvor hatte der Verein eine Fusion mit dem Frauenfußballverein Juvisy FCF vollzogen.

    Juvisy war im Gegensatz zum PFC mit ordentlich Tradition im Frauenfußball ausgestattet: Der FCF war das einzige Team, das der eingleisigen ersten Liga seit der Gründung 1992 durchgängig angehörte. 2025 gewannen die Frauen des PFC gegen PSG sensationell im Pokalfinale den ersten Titel der Vereinshistorie.

    Die Männer zogen derweil nach ihrem großen Aufstiegserfolg um. Das Stade Jean Bouin soll bis 2029 die neue Heimspielstätte sein, das Stadion liegt unmittelbar neben dem Parc de Princes. Um genau zu sein trennen die beiden Klubs nun nur noch 44 Meter Luftlinie.

    Bei PSG heißt man den Nachbarn zumindest aktuell noch herzlich willkommen, anstatt ihn mit Hass und Rivalität zu überschütten: "Das ist super für Paris, super für den französischen Fußball", frohlockte PSG-Boss Nasser Al-Khelaifi.

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    Verpflichtung von Ex-Nationaltorhüter Kevin Trapp: Ein Fingerzeig in Richtung PSG

    Doch auch der katarische Geschäftsmann wird interessiert zur Kenntnis genommen haben, dass der neue Nachbar bei all den lieben Worten einige ernste Ambitionen mitbringt. Die Verpflichtung von Trapp, der nur als Ersatzkeeper eingeplant ist, mag aufgrund seiner Pariser Vorgeschichte nur ein kleiner Fingerzeig gewesen sein. Doch auch fernab des Torhüters ließ - wenngleich in anderen Sphären als der amtierende Champions-League-Sieger - der Aufsteiger auf dem Transfermarkt schon einmal ordentlich die Muskeln spielen.

    Neben Trapp wurden insgesamt noch acht weitere Neuzugänge für 57 Millionen Euro verpflichtet. Top-Transfer war Innenverteidiger Otavio, der vom FC Porto für 17 Millionen Euro aus Portugal kam. Transfereinnahmen beim letztjährigen Zweitligisten? Fehlanzeige.

    Dabei will man beim PFC trotz des vielen Geldes durch den Investor eigentlich besonnen agieren. "Die Idee ist nicht, Kylian Mbappe nach Paris zurückzuholen", stellte Vorstandsmitglied Michel Denisot, der in der Vergangenheit schon für PSG arbeitete, klar. Auch Arnault hatte zu Beginn des Investments betont, seine Familie habe "nicht die Angewohnheit, Geld zu verschwenden".

    Und so kaufte der PFC vor allem solide ein. Ähnlich wie beim Transfer für Trapp floss das Transferbudget vor allem in die Verpflichtungen von erfahrenen Spielern um die 30 Jahre, die das Team stabilisieren sollen und als Leader auf und neben dem Platz vorangehen können.

    Den anderen Teil des Portfolios machen Spieler wie Otavio aus: Junge Talente mit Entwicklungspotenzial. Laut Trainer Stephane Gilli hat der Abwehrspieler die Anlagen, auf seiner Position einer der besten Spieler der Welt zu werden. Mit Nhoa Sangui kam zudem ein 19-jähriger Linksverteidiger von Stade Reims für fast zehn Millionen Euro. 

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    "Superspannendes Projekt": Red Bull, Klopp und Gomez mittendrin

    Auf der Suche nach Talenten verlässt man sich beim PFC jedoch nicht nur auf das eigene Scouting. Arnault selbst betonte immer wieder, "keine Kompetenzen" im sportlichen Bereich zu haben. Da trifft es sich gut, dass seiner Familie zwar 52 Prozent des Vereins gehören, aber elf Prozent eben auch Red Bull - in der Fußballwelt aufgrund zahlreicher Vereine, die übernommen wurden (Multi-Club-Ownership), bestens vernetzt und mit einer exzellenten Scouting-Abteilung ausgestattet. Bis 2027 sollen die Anteile der Arnault-Familie auf 80 Prozent ansteigen, Red Bull planmäßig auf 15 Prozent aufstocken.

    Die Roten Bullen kümmern sich also um das Sportliche und verlassen sich dabei auf ihre deutsche Expertise. Beim ersten Ligue-1-Spiel seit fast 50 Jahren standen sie plaudernd auf dem Rasen: Jürgen Klopp und Mario Gomez, der Head of Global Soccer und der Technische Direktor von Red Bull.

    Klopp schwärmte bereits vom PFC als "superspannendes Projekt". Coach Stephane Gill bestätigte, regelmäßig mit Klopp und Gomez in Kontakt zu stehen. Gegenüber der ZEITsagte Trapp, dass das Engagement von Red Bull durchaus ausschlaggebend für seinen Wechsel war: "Die Tatsache, dass Jürgen Klopp, der mit seinen früheren Vereinen erfolgreich war, und Mario Gomez, den ich seit mehreren Jahren kenne, Teil des Projekts sind, hat mich natürlich überzeugt."

    Auch Arnault bestätigte gleich auf seiner ersten Pressekonferenz, wie eng sein Klub mit dem ehemaligen Erfolgscoach von Borussia Dortmund und dem FC Liverpool vernetzt sei: "Mit Klopp habe ich mehrere Male gesprochen. Er ist sehr aufgeregt, mit uns zu arbeiten." Von der Zusammenarbeit mit Red Bull verspricht er sich vor allem bei der Sichtung von Talenten viel: "Paris hat vermutlich den größten Talentpool der Welt, nur Sao Paulo kann da mithalten. Red Bulls revolutionäre Daten-Tools werden uns beim Scouting sehr helfen."

    Seit Anfang Oktober soll ein weiteres aus der Bundesliga bestens bekanntes Gesicht dabei unterstützen: Marco Neppe. Der 39-Jährige war zuletzt als Berater beim Toronto FC aktiv, doch soll bereits im Sommer vor Vertragsantritt den Parisern hinter den Kulissen schon zur Seite gestanden haben. Nun wird Neppe neuer Sportdirektor. Von 2014 bis 2024 war er in verschiedenen Funktionen beim FC Bayern München tätig und gilt unter anderem als Entdecker von Jamal Musiala.

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    "Würde unseren Werten einen Schlag versetzen": Fans zwischen Freude und Sorge

    Dass Red Bull jetzt in Paris mitmischt, nehmen nicht alle Teile der wachsenden Fangemeinde positiv auf. Ein Sprecher der Ultras sagte gegenüber der Le Parisien eindeutig: "Wir wollen nicht Red Bull Paris werden." Das Brauseunternehmen hat sich mittlerweile ein weltweites Portfolio im Fußball aufgebaut. Neben RB Leipzig (Deutschland), RB Salzburg (Österreich) und den New York Red Bulls (USA) gehören dazu mit Leeds United, Bragantino und Omiya Ardija auch Klubs aus England, Brasilien und Japan.

    Eine Umbenennung, wie in vielen Fällen geschehen, soll es beim Paris Football Club jedoch nicht geben. Der Präsident Pierre Ferracci habe dies angeblich persönlich versprochen. Sollte es doch so kommen, würde dies "unseren Werten einen enormen Schlag versetzen", heißt es aus der Szene weiter.

    Die Verantwortlichen sind bemüht, den Anhängern ihre Sorgen zu nehmen. Aus gutem Grund: Allzu viele Fans hat der Aufsteiger nämlich noch nicht. Doch der Verein wächst: 2024 waren es noch rund 700 Mitglieder, mittlerweile sind es 7.000. Das neue Stadion war bisher in der Liga noch nicht ausverkauft, doch der Schnitt wurde im Vergleich zur Vorsaison angehoben. Zu den bisherigen Heimspielen kamen pro Partie rund 17.000 Fans. 

    Auch Trapp offenbarte das Offensichtliche und gestand, dass der PFC "noch ein kleiner Klub ist". Doch der Verein soll wachsen, sich weiter in der Stadt etablieren - und Fans von PSG abwerben. In den vergangenen Jahren konnten die Anhänger immer wieder kostenlos ins Stadion und auch nach dem Aufstieg sind die Ticketkosten deutlich erschwinglicher als wenige Meter entfernt bei PSG im Prinzenpark. Zehn Euro kosten die günstigsten Karten, eine Dauerkarte bekommt man schon für 120 Euro. Beim amtierenden CL-Sieger nebenan sind es selbst bei den erschwinglichsten Plätzen mindestens 460 Euro.

    Die Fans sollen eine Bindung zu den Spielern aufbauen. Die Kooperation mit Red Bull soll dafür sorgen, dass die eigene Akademie aus dem angepriesenen Pariser Talentpool eines Tages "eine Mannschaft aus Spielern, die möglichst aus dem Großraum Paris stammen" ausspuckt. Für die ausgesprochenen Träume von Vorstand Denisot soll laut Arnault "das beste Trainingszentrum Frankreichs" aufgebaut werden.

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    Paris FC und Paris Saint-Germain: Es droht ein brisantes "Finale"

    Auf diese Weise soll trotz der finanzstarken Parallelen ein anderer Weg eingeschlagen werden als beim vielleicht zukünftigen Rivalen: "Bei PSG  gab es am Anfang Beckham, Zlatan und ganz andere ganz große Spieler, die für das Image und die Marke wichtig waren", erläuterte Trapp. "Wir ähneln eher dem heutigen PSG ohne Stars, mit guten Spielern, jungen und erfahrenen. Die Stimmung ist großartig."

    Das Image des ernstzunehmenden Stadtrivalen möchten sie beim PFC bisher aber nicht annehmen. Das gilt nicht nur für die sportlichen Ambitionen und auf dem Transfermarkt, sondern auch im Bereich der Fankultur. Zu groß ist die Schnittmenge mit PSG-Anhängern. Arnault ist längst nicht der einzige Pariser, der sein Herz schon lange Zeit zuvor an PSG verloren und nun eine zweite Liebe gefunden hat.

    Mit seinem Projekt könnte er dennoch bereits in dieser Saison zum Herzensbrecher werden. Das erste Derby zwischen den beiden Herrenmannschaften seit 47 Jahren findet Anfang Januar statt und Mitte Mai kommt es zum Rückspiel. Ausgerechnet am 34. und letzten Spieltag "reist" PSG zum PFC. Während Paris Saint-Germain aktuell im Titelrennen nur auf Platz zwei liegt, steht der Paris FC im gesicherten Mittelfeld der Tabelle.

    Sollte der kleine Nachbar dem großen Meisterschaftsfavoriten kurz vor Schluss noch den Titel kosten, würde es auf den Rängen sicher einige lachende und weinende Augen zugleich geben - und möglicherweise eine große Rivalität geboren werden.