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Joshua Kimmichs Verlängerung beim FC Bayern München: Macht, Gefühle und ein strukturelles Problem

Michael Ballack, Philipp Lahm, Toni Kroos, David Alaba - und nun Joshua Kimmich. Der FC Bayern hat in diesem Jahrhundert bereits einige Vertragsangebote an Führungsspieler öffentlichkeitswirksam zurückgezogen. Ballack, Kroos und Alaba verließen den Klub daraufhin. Wie einst mit Lahm fand der FC Bayern mit Kimmich letztlich doch noch zusammen.

Und wie sein prominenter Vorgänger dürfte auch Kimmich dafür irgendwann mit dem Kapitänsamt belohnt werden. Das betonte Sportvorstand Max Eberl wiederholt. Bis 2029 läuft der neue Vertrag des 30-Jährigen. So lange wird selbst der ewige Stammkeeper und Amtsinhaber Manuel Neuer (38) nicht mehr spielen. Grundsätzlich ist die Verlängerung sowohl für Kimmich als auch für den FC Bayern sinnvoll.

  • Joshua Kimmich Bayern 2025Getty Images

    Die Perspektive von Joshua Kimmich und vom FC Bayern München

    Kimmich fungiert unter Trainer Vincent Kompany als unumstrittener Chefstratege mit umfassendem Gestaltungsspielraum. In etlichen statistischen Rubriken führt er das europaweite Ranking der Mittelfeldspieler an. Sei es bei den Pass- und Zweikampfquoten, sei es bei den Torschussvorlagen. Eine derart prägende Rolle hätte sich Kimmich bei einem anderen internationalen Topklub erst mühsam erarbeiten müssen. Zudem ist er mit seiner Frau und seinen vier Kindern in München heimisch.

    Der FC Bayern hat mit Kimmichs Verlängerung eine neuralgische Position langfristig besetzt - und damit letztlich Geld gespart. Obwohl Kimmich mit einem geschätzten Jahressalär von 20 Millionen Euro weiterhin zu den absoluten Topverdienern im Kader gehört und das Gehaltsgefüge entsprechend mindestens für die kommenden vier Jahre stark belasten wird, ist die Verlängerung aus Sicht des Klubs die finanziell günstigere Option. Die Verpflichtung eines würdigen Nachfolgers wäre teurer geworden.

    Für die Zukunft des FC Bayern ist Kimmichs Verlängerung ähnlich wichtig wie die von Jamal Musiala, der im Februar bis 2030 unterschrieben hat. Musiala ist zwar der spektakulärere Spieler, Kimmich aber der prägendere. Mit diesen beiden so unterschiedlichen Akteuren im Zentrum ist den Münchnern in den kommenden Jahren alles zuzutrauen.

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  • Joshua Kimmich FC Bayern 2025Getty Images

    Kimmich beim FC Bayern: Es geht auch um Macht und Gefühle

    So viel zum Resultat des Deals. Und damit zum Hergang. Verstrichene Deadlines, angebliche Gespräche mit anderen Klubs, ein zurückgezogenes Angebot, Ball beim Verein, in der Luft und volley genommen. Wenn alles so klar ist, warum dann dieses öffentlich ausgetragene Theater? Dabei ging es um Macht und Gefühle.

    Nach all den für ihn persönlich kränkenden Corona-Querelen und Holding-Six-Debatten wollte Kimmich den FC Bayern ein bisschen zappeln lassen. Dass er sich seit Saisonbeginn in bestechender Form befindet, kam ihm dabei äußerst gelegen. In der Vergangenheit vermisste Kimmich oftmals die Wertschätzung des Klubs. Durch sein jetziges Zögern erzwang er sie gewissermaßen. Vor allem Eberls Charmeoffensive dürfte ihm geschmeichelt haben.

    Der Sportvorstand lobte Kimmich wiederholt in den höchsten Tönen, wartete geduldig auf seine Entscheidung - oder doch etwas zu unterwürfig? So sahen es wohl die Granden im Hintergrund.

    Zwischenzeitlich zurückgezogen wurde das Angebot nämlich auf Betreiben des neunköpfigen Aufsichtsrats. Bei Entscheidungen von einer finanziellen Dimension wie Kimmichs Verlängerung hat dieses Gremium das letzte Wort. Dominiert wird es von den langjährigen Bossen Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge. Der Tenor: Spieler kommen, Spieler gehen und den FC Bayern gibt es immer noch. Niemand ist größer als der Verein (außer vielleicht sie selbst).

  • EberlGetty Images

    FC Bayern: Die aktuelle Konstellation erschwert Eberls Arbeit

    Der Hergang von Kimmichs Vertragsverlängerung gewährte somit spannende Einblicke ins tiefste Innere des FC Bayern. Sie zeigt die Macht des Aufsichtsrates und wie aktiv er seine Rolle ausübt - gerade auch im Vergleich zu anderen Klubs. Sie zeigt, dass Eberl letztlich weiterhin unter der Kontrolle von Hoeneß und Rummenigge steht. "Es ist hinreichend beschrieben in der Öffentlichkeit, wer alles zustimmen muss", bestätigte Eberl im Zuge der Verhandlungen mit Kimmich zuletzt selbst.

    Ja, Kontrolle ist richtig und wichtig. Ja, der Aufsichtsrat muss die finanzielle Gesamtsituation im Blick haben. Es gibt auch Argumente dafür, dass es richtig war, das Angebot zwischenzeitlich zurückzuziehen. Stichwort: Planungssicherheit. Zudem ging der Poker mit der nun erfolgten Verlängerung letztlich auch auf.

    Wenn sich der Klub aber für einen Vorstand entscheidet, sollte er ihm auch einen gewissen Gestaltungsspielraum lassen und Vertrauen schenken. Die aktuelle Konstellation erschwert Eberl die alltägliche Arbeit bei Verlängerungen und Transfers jedoch sehr. Auch in der Kommunikation mit den Spielern, die wissen: Eberls Wort ist nicht gleichbedeutend mit einem Vollzug. Bei der kürzlichen Verlängerung mit Alphonso Davies gab es übrigens ähnliche Komplikationen wie nun bei Kimmich.

    Dass derartige Vorgänge sogar in die Öffentlichkeit dringen, schwächt die Position der amtierenden sportlichen Führung weiter. Vielsagend lobte Kimmich zuletzt, dass er es "sehr zu schätzen" wisse, dass "aus den Gesprächen mit Max (Eberl, Sportvorstand), Jan-Christian (Dreesen, Vorstandschef) und Christoph (Freund, Sportdirektor) eigentlich gar nichts an die Öffentlichkeit gedrungen ist". Zumindest indirekt sagte er damit auch, woher er die öffentlich kursierenden Informationen vermutete.

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