Paul Pogbas schier endlosem Albtraum: Doping, Verletzungen und Erpressung

"Paul ist zurück in Turin. Er ging als Junge und kehrt als Mann und Champion zurück, aber eines hat sich nicht geändert - der Wunsch, noch einmal gemeinsam unvergessliche Seiten der Vereinsgeschichte zu schreiben. Pogba ist zurück und wir könnten nicht glücklicher sein." Diese offizielle Erklärung, in der Pogbas Rückkehr zu Juventus im letzten Sommer offiziell gemacht wurde, brachte die Euphorie um den ablösefreien Transfer in Italien perfekt auf den Punkt.

Und das war bis zu einem gewissen Grad auch verständlich. Juve hatte nichts bezahlt, um einen Spieler wieder unter Vertrag zu nehmen, den sie 2016 für die damalige Weltrekord-Rekordsumme von 105 Millionen Euro an Manchester United verkauft hatten.

Außerdem war er 2022 "erst" 29 Jahre alt. Die Hoffnung war, dass die Bianconeri zumindest noch ein paar weitere herausragende Spielzeiten von Pogba bekommen würden, der während seiner ersten Amtszeit in Turin den besten Fußball seiner Vereinskarriere gespielt hatte.

Allerdings gab es auch zwei große Zweifel an diesem Deal.

Erstens kam Pogba nicht zu einer Juve-Mannschaft, die auch nur annähernd das gleiche Qualitätsniveau hatte wie die, die er verlassen hatte - und es gab schon lange Bedenken, ob Pogba ohne Weltklassespieler um ihn herum glänzen könnte.

Zweitens, und das ist weitaus wichtiger, war Pogbas jüngste Verletzungshistorie im Old Trafford alles andere als unproblematisch.

In den letzten drei Spielzeiten in Manchester musste er achtmal wegen Verletzungen und verschiedener Beschwerden pausieren. Seinen letzten Auftritt für United hatte er im April 2022, als er bei der 0:4-Niederlage gegen Liverpool vom Platz humpelte.

Hinter Pogbas Fitness stand also ein berechtigtes Fragezeichen.

Pogba kehrte am 11. Juli 2022 offiziell zu Juve zurück. Weniger als zwei Wochen später verletzte er sich im Training vor einem Vorbereitungsspiel gegen den FC Barcelona in Dallas.

Der Verein erklärte in einer öffentlichen Mitteilung: "Nachdem Paul Pogba über Schmerzen im rechten Knie geklagt hatte, hat er sich einer Röntgenuntersuchung unterzogen, bei der eine Läsion des Außenmeniskus festgestellt wurde. In den nächsten Stunden wird er sich einem orthopädischen Spezialisten unterziehen. Um die Behandlung fortzusetzen, nimmt er daher nicht an der Reise nach Dallas teil."

So kam es, dass er an keinem der beiden verbleibenden Freundschaftsspiele von Juve in den Vereinigten Staaten teilnahm. 45 Minuten gegen Chivas de Guadalajara waren seine gesamte Vorbereitung.

Stattdessen kehrte er am 23. Juli zur weiteren Untersuchung nach Italien zurück, bevor er am 1. August ins französische Lyon flog, um einen Kniespezialisten aufzusuchen. Am folgenden Tag entschied er sich gegen eine Operation und für eine "konservative" Therapie - eine bis heute umstrittene Entscheidung.

Trainer Maximiliano Allegri reagierte entsprechend: "Was ich denke? Ich denke nichts, ich habe mich auf das verlassen, was gesagt wurde und auf die Entscheidung, die getroffen wurde. Ich bin kein Arzt", sagte er damals zu Reportern.

"Es wurde eine konservative Therapie beschlossen, in fünf bis sechs Wochen wird er wieder auf dem Platz stehen können. Man braucht Vertrauen. Das war die Entscheidung, dann werden wir sehen, ob sie richtig oder falsch war."

Pogbas Überlegung war klar: Er wollte bei der Weltmeisterschaft 2022 in Katar mitspielen und seine Teilnahme nicht durch eine Operation gefährden. Doch gerade dafür hätte er alles anders machen müssen.

Ein Monat dieser "konservativen" Therapie brachte nicht das gewünschte Ergebnis, am 3. September 2022 wurde Pogba schließlich mit Verspätung doch am Knie operiert. "Die Operation ist sehr gut verlaufen, ich werde mich erholen und sehr, sehr schnell zurückkommen", schwor er in einem Social-Media-Post. "Ich möchte euch allen für eure Nachrichten und eure Unterstützung danken. Ihr sollt wissen, dass es mir mental gut geht, trotz aller Sorgen, der Verletzung und der anderen Probleme."

Diese anderen Probleme waren keine Bagatelle. Denn Pogbas Verletzungsprobleme ereigneten sich vor dem Hintergrund eines verstörenden Familiendramas.

Am 28. August stellte Pogbas Bruder Mathias ein Video online, das "explosive" Enthüllungen über den Mittelfeldspieler und seine Agentin Pimenta versprach. "Die französische, italienische, englische und spanische Öffentlichkeit verdient es, bestimmte Dinge zu erfahren", sagte Mathias Pogba.

"Im Grunde genommen muss die ganze Welt, einschließlich der Fans meines Bruders, Frankreichs, Juventus und seiner Sponsoren, diese Informationen erhalten, damit sie eine fundierte Entscheidung darüber treffen können, ob er den Respekt und die Liebe der Fans verdient. Ob er es verdient, für Juventus zu spielen und einen Platz im französischen WM-Kader zu bekommen", erklärte er weiter.

"Ich möchte die Augen über die sogenannte mächtigste Frau im Fußball öffnen, die mein Bruder seine zweite Mutter nennt. Ich denke, dass das, was ich sagen werde, viele Menschen interessieren wird. Ich werde wichtige Dinge über Kylian Mbappé sagen. Viele Elemente und Zeugen bestätigen, was ich sagen werde. Es könnte brisant sein."

Pogbas Rechtsbeistand bestätigte sofort, dass sie bereits von den Behauptungen wussten - darunter, dass der Spieler einen Hexendoktor engagiert habe, um seinen französischen Mannschaftskameraden Mbappé zu verhexen - und erklärte, dass diese mit einem Erpressungsversuch einer organisierten Verbrecherbande zusammenhingen.

Pogba hatte der französischen Polizei bereits mitgeteilt, dass er am 19. März 2022 in Paris von zwei mit Sturmgewehren bewaffneten Kapuzenmännern bedroht und ihm unter anderem sein Mobiltelefon abgenommen worden war. Er habe 13 Millionen Euro "Schutzgebühren" zahlen sollen. Pogba hatte sich auch an die italienischen Behörden gewandt, nachdem er in Turin weiteren Drohungen und Einschüchterungsversuche erhalten habe.

Vier Personen, darunter sein Bruder Mathias, wurden schließlich am 14. September 2022 verhaftet, doch am 23. Dezember wurde er wieder aus dem Gefängnis entlassen.

Nachdem sich Pogba endlich unters Messer gelegt hatte, rechnete man damit, dass er weitere acht Wochen lang ausfallen würde.

Doch kurz nachdem er wieder losgelegt hatte, wurde Pogba am 19. Oktober von einem Oberschenkelproblem oberhalb seines geschwächten rechten Knies heimgesucht. Die WM 2022 geriet immer mehr in Gefahr für den Weltmeister von 2018.

Die schlechte Nachricht wurde schließlich am 31. Oktober von Pimenta bestätigt: "Nach der gestrigen und heutigen medizinischen Untersuchung in Turin und Pittsburgh ist es äußerst schmerzhaft, Paul mitzuteilen, dass er noch Zeit braucht, um sich von seiner Operation zu erholen. Aus diesem Grund wird Paul nicht in der Lage sein, vor der WM zum Kader von Juventus Turin oder der französischen Nationalmannschaft in Katar zu stoßen."

Sie erklärte zudem: "Wenn Wunschdenken die Dinge ändern würde, würde Paul morgen spielen. Aber was die Dinge ändert, sind harte Arbeit, Belastbarkeit und Disziplin, und das sind die einzigen Dinge, die Paul in diesen schwierigen Zeiten im Kopf hat. Paul wird weiter arbeiten und sein Bestes geben, um den Fans und seinem Team so schnell wie möglich wieder zur Verfügung zu stehen."

Während der verpassten Weltmeisterschaft verbrachte Pogba einige Zeit in Mailand, wo er eng mit dem Physiotherapeuten Juves zusammenarbeitete und im Rahmen eines individuellen Reha-Programms viel im Schwimmbad und Fitnessstudio trainierte.

Als Allegri vor Weihnachten gefragt wurde, ob Pogba im ersten Pflichtspiel nach der Länderspielpause gegen die Cremoneser zum Einsatz kommen könnte, gab er zu, dass er noch nicht wisse, wann der Franzose wieder fit sei.

Pogba kehrte schließlich am 10. Januar in die Mannschaft zurück und erzielte in einem internen Freundschaftsspiel gegen die Reservemannschaft von Juve zwei Tore.

Am 28. Januar verkündete Allegri in einer Pressekonferenz, dass Pogba endlich wieder zur Verfügung stehe. Er nahm den Weltmeister in seinen Kader für das Serie-A-Heimspiel gegen Monza am kommenden Tag auf.

Pogba verbrachte jedoch das gesamte Spiel auf der Bank. Sofort gab es Berichte, dass er beim Aufwärmen einen weiteren Rückschlag (ein Beugerproblem) erlitten hatte.

Oberflächlich betrachtet unterstützte Allegri seinen Spieler weiterhin. "Es dauert eine Weile, bis man wieder in Form ist", sagte der Chef der Bianconeri am 2. Februar 2023. "Pogba braucht Zeit. Niemand kann Wunder vollbringen. Sein Körper muss sich anpassen. Wir müssen ihn klug einsetzen und im richtigen Moment, wenn er wieder fit ist."

Allegri war jedoch sichtlich genervt von all den Fragen und ständigen Spekulationen um Pogbas Fitness. In der italienischen Presse war behauptet worden, dass der frühere Vorstand von Juve - der im darauffolgenden Monat wegen einer Untersuchung der Vereinsfinanzen zurückgetreten war - bereits im Oktober versucht hatte, einige der in Pogbas Vertrag vereinbarten Prämien wegen seiner anhaltenden Verletzungsprobleme zu streichen.

Einige Fans waren auch über Pogbas Aktivitäten abseits des Spielfelds während seiner Zeit an der Seitenlinie frustriert. Es herrschte der Eindruck, dass er mehr hätte tun können, um wieder auf dem Spielfeld zu stehen - insbesondere nachdem er am 27. Dezember ein Bild von sich auf einer Skipiste gepostet hatte.

Nach seinem Bank-Einsatz in Monza tauchte in der italienischen Presse die Meldung auf, Pogba habe dem Verein seine Zukunft versprochen und würde auch dann nicht gehen, wenn er sich nicht für die Champions League qualifizieren würde.

Es wirkte wie ein Versuch, die Fans wieder auf seine Seite zu ziehen und was vielleicht noch wichtiger war, Juve davon zu überzeugen, dass sie immer noch auf ihn zählen können. Denn die Bianconeri wurde nach wie vor mit einem Transfer von Sergej Milinkovic-Savic in Verbindung gebracht.

Allerdings kam Pogba in der zweiten Saisonhälfte nur sechsmal zum Einsatz - jedes Mal als Einwechselspieler -, nachdem er Ende Februar gegen Turin sein Comeback gegeben hatte. Das führte zu weiteren Spekulationen über seinen Verkauf - falls sich im Sommer überhaupt ein Abnehmer finden sollte.

Pogba kam in diesem Spiel am 20. August nicht einmal zum Einsatz, nach welchem er den Dopingtest absolvierte. Doch in den folgenden Spielen, zwischen der Probe-Entnahme und der Veröffentlichung des positiven Ergebnisses, wurde er gegen Bologna und Empoli eingewechselt. Bei den Fans nährte sich die Hoffnung, dass er in der Saison 2023/24 vielleicht doch noch wichtig werden könnte.

Jetzt hängt alles zunächst von der B-Probe ab. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels hat Juventus lediglich mitgeteilt, dass "der Verein sich das Recht vorbehält, die nächsten Verfahrensschritte zu prüfen." Laut der italienischen Gazzetta dello Sport würde die Bestätigung eines positiven Tests die Bianconeri dazu berechtigen, Pogbas Gehalt bis zur Verurteilung auszusetzen - oder sogar seinen Vertrag aufzulösen.

Die Zeitung behauptet außerdem, dass der Klub keine übereiligen Entscheidungen treffen wolle, da er offenbar davon überzeugt ist, dass sein medizinisches Team bei Pogbas zahlreichen Verletzungsbehandlungen in Turin keine Fehler gemacht hat. Im Falle einer positiven B-Probe wird man sich also auf die Frage konzentrieren, warum in Pogbas Körper ein erhöhter Testosteronspiegel festgestellt wurde.

Dies wäre der Schlüssel, um die Länge einer möglichen Sperre für Pogba zu reduzieren. Am 13. September entschied sich Juve dann tatsächlich dazu, Pogbas Gehalt einzufrieren.