Gehaltsverzicht und neue Rolle neben Robert Lewandowski: João Félix' "Traum" beim FC Barcelona wird wahr

Die Statistiken sprechen für sich. Robert Lewandowski war die ersten vier Spiele völlig isoliert. Er hatte für seine Verhältnisse fast keine Chancen, musste sich in den falschen Räumen bewegen. Der Pole bekam den Ball nicht oft genug, so dass er keine Lewandowski-Dinge machen konnte. Der Ex-Bayern-Star motzte deswegen auch öffentlich über Xavis Formation und wünschte sich mehr Unterstützung in der Offensive.

Am vergangenen Sonntag bekam er sie. Lewandowski, der an drei von Barças fünf Toren gegen Real Betis (5:0) beteiligt war, hatte einen Partner im letzten Drittel, einen kreativen Kopf, der alles mitbrachte, was er benötigte. Dieser Spieler, einst der zweitteuerste Teenager der Welt mit 127 Millionen Euro Ablöse war João Felix. Der Portugiese wünschte sich schon seit geraumer Zeit einen Wechsel zum FC Barcelona und gab im Juli 2023 öffentlich zu, dass Barça sein "Traumziel" sei.

Wie genau das funktionieren sollte, war allerdings unklar. Der FC Barcelona spielte im letzten Jahr ziemlich starr und schien keinen Platz für ein bewegungsfreudiges Offensivtalent zu haben - das in der Vergangenheit zudem wenig Interesse an Konzepten wie "Verteidigen" und "Arbeit abseits des Balls" hatte. Am Sonntag jedoch war Félix das Maß aller Dinge, erzielte ein Tor und orchestrierte den Sturmlauf.

Auch am Dienstag in der Champions League gegen Royal Antwerpen (5:0) war er wieder mit von der Partie: Der 23-Jährige erzielte zwei Treffer und assistierte Lewandowski erneut. Dank ihm muss sich Barça wohl keine Sorgen wegen ein frühen Ausscheidens in der Königsklasse machen.

Es mag noch früh sein, aber dieser "Traumtransfer" könnte für beide Seiten ein echter Glücksfall sein.

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    João Félix: Misere bei Atlético Madrid

    Félix' Wechsel von Benfica Lissabon zu Atlético Madrid im Jahr 2019 für 127 Millionen Euro ergab wenig Sinn. Er schien als geschickter, verspielter Offensivakteur nicht in das pragmatische System hineinzupassen, das Diego Simeone seiner Mannschaft für gewöhnlich verordnet. Aber Atleti hatte Geld im Überfluss, nachdem Barcelona die lächerliche Summe von 120 Millionen Euro für Antoine Griezmann hingeblättert hatte - und auch dieser Transfer war ironischerweise höchst erfolglos.

    Félix war ein Panikkauf eines Teams, das seinen Mangel an Offensivtalenten bemerkte und beschloss, die offensivste und teuerste Option zu holen. Es war sicherlich hilfreich, dass viele andere Klubs hinter Félix her waren - und die hängende Spitze selbst gab zu, dass das Estadio Metropolitano "die besten Voraussetzungen für eine Weiterentwicklung" bot. Dennoch war diese Verpflichtung immer etwas fragwürdig.

    Und die Zweifel bewahrheiteten sich. In vier Jahren bei Atlético schoss der Portugiese gerade einmal 34 Tore und gab 16 Vorlagen - er war zu gut, um nur auf der Bank zu sitzen -, aber er wurde nie wirklich Stammspieler unter Simeone. Er wurde in wichtigen Spielen nicht berücksichtigt und klagte öffentlich, dass er mit den Entscheidungen des argentinischen Trainers nicht einverstanden sei. Simeone wiederum nutzte die Medien, um die Einstellung seines Spielers in Frage zu stellen. Félix konnte die Kritik nie wirklich verkraften und musste schließlich an der Seitenlinie schmachten, während vor ihm weniger gute Talente auf dem Platz spielten. Wie es schien, hatten die Kritiker Recht.

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  • Joao Felix Chelsea Fulham react walk off 2022-23Getty Images

    João Félix: Gescheiterte Leihe zum FC Chelsea und öffentliche Transferwunsch-Saga

    Es folgte im vergangenen Winter der Wechsel auf Leihbasis nach London. In der 57. Minute von Félix' Debüt beim FC Chelsea war für einige bereits klar, dass der Stürmer auch dort nie wirklich funktionieren würde. Vielleicht war er sogar verflucht. Das Tackling, für das er gegen Fulham (1:2) des Feldes verwiesen wurde, war etwas unglücklich. Er wollte es offensichtlich erzwingen und grätschte seinen Gegenspieler mutmaßlich aus Frustration ab. Als der Schiedsrichter ihn des Feldes verwies, konnte er sich nicht beschweren.

    Seine Leistungen besserten sich in der Folge nicht. Er schoss vier Tore und zeigte einige vielversprechende Leistungen - aber nie genug, um eine schwache Chelsea-Mannschaft im Alleingang zu retten. Ein paar Wochen lang gab es so etwas wie eine Vision, dass er doch in den chaotischen Angriff der Blues passen könnte, da er gut mit Enzo Fernández harmonierte. Und nicht zuletzt war auch seine Geschmeidigkeit am Ball ein echter Hingucker.

    Aber die Blues hatten weder die Mittel noch den Wunsch, ihn fest zu verpflichten - nicht für die von Atlético geforderte Ablösesumme von 100 Millionen Euro. Zu diesem Zeitpunkt ging man davon aus, dass Félix wieder unzufrieden für Atlético spielen würde.

    Dann aber gab Félix gab dem italienischen Journalisten Fabrizio Romano ein Interview, in dem er äußerte: "Barcelona war schon immer meine erste Wahl und ich würde gerne zu Barça wechseln". Ein Transfer dorthin sei sein "Traum".

    Das hat natürlich einiges bewirkt. Der empörte Simeone schimpfte daraufhin in einem Interview über Félix, der während der gesamten Vorbereitung nur am Rande mitwirken durfte und keine Rückennummer erhielt. Doch ein Transfer zu den Blaugrana schien aufgrund derer finanzieller Probleme unmöglich. Die Blaugrana mussten letztlich bis in die letzten Stunden des Transferfensters warten und konnten den Leih-Deal nur über die Bühne bringen, weil Félix praktisch auf sein gesamtes Gehalt verzichtete.

  • Joao Felix Barcelona 2023-24Getty Images

    João Félix: Interessante Taktik beim FC Barcelona

    Seine Ankunft in Katalonien schien eine spannende - wenn auch nicht langfristige - Lösung zu sein. Xavi hat eine ungewöhnliche Barça-Mannschaft zusammengestellt, anders als die meisten erfolgreichen spanischen Mannschaften der letzten Jahre. In der letzten Saison war die Mannschaft eine geschlossene, disziplinierte Einheit. Sie schoss weniger Tore als das zweitplatzierte Real Madrid, traf genauso oft wie Atleti. Dafür war sie auf der anderen Seite überragend, gestützt auf Europas beste Abwehrreihe.

    Um dem entgegenzuwirken, war es sinnvoll, einen dribbelstarken, kreativen Spieler zu verpflichten. Doch Felix' mangelnder Biss schien nicht zu Xavis Taktik zu passen. Außerdem war die Frage, ob Félix nicht ins Mittelfeld gehört, wo er mit Gavi, Pedri, Frenkie de Jong und Ilkay Gündogan um Einsatzminuten kämpfen würde - doch keiner der vier Stars gehört auf die Bank. Außerdem schienen sie alle taktisch besser zum Verein zu passen.

    Gavi ist ein quirliger Mittelfeldspieler, der sich in Zweikämpfe stürzt und immer Alles gibt. Seine Stärken sind wohl eher defensiv als offensiv. Gündogan kann einen Spielmacher, aber auch zentralen Mittelfeldspieler geben. Auch in engen Räumen findet er den richtigen Pass. Pedri derweil kommt Andrés Iniesta am nächsten.

    Doch Felix kann im letzten Drittel für Furore sorgen. Lewandowski meinte in besagter Kritik nach der Nullnummer gegen Getafe (0:0): "Manchmal spielen wir nicht mit genügend Offensivspielern, ich habe keine Unterstützung".

    Und damit hatte er nicht Unrecht. Lewandowski war einsam und hatte keine wirklichen Optionen neben sich. Und genau da kommt Félix ins Spiel. Der Portugiese kann am besten als zweite Spitze agieren, der die kreativen Aufgaben rund um einen größeren Stürmer übernimmt, der wiederum die Bälle halten kann. Felix' Problem ist seit geraumer Zeit, dass dieses System nur noch selten gespielt wird. Die besten Mannschaften Europas laufen zunehmend mit zwei Flügelstürmern auf und vielleicht einer Nummer 10. Félix kann diese Positionen sicherlich besetzen, aber er fühlt sich dort nicht wohl.

    Es ist also ein Verdienst von Xavi, dass Félix so schnell seinen Platz im System gefunden hat. Am Sonntag war er selten mehr als 15 Meter von Lewandowki entfernt, hielt sich weit in der gegnerischen Hälfte auf und spielte den Ex-Bayern-Stürmer oft an. Ihr Kombinationsspiel war entscheidend für Barças zweites Tor. Félix' herrliches Zuspiel ermöglichte Lewandowski ein Traumtor.

    Ein paar Tage später in der Champions League war es ähnlich, als Félix erneut Lewandowski bediente und auch auf den linken Flügel ging, um selbst einzunetzen. Xavi wird hoffen, dass dies nur ein kleiner Vorgeschmack auf eine ideale Partnerschaft ist.

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    João Félix: Wie lang kann das beim FC Barcelona so weitergehen?

    Und vielleicht ist dies der Punkt, an dem Félix' Karriere mit 23 Jahren endlich Fahrt aufnimmt. Vielleicht wird diese neu geschaffene Rolle in einem einzigartigen System dem einstigen Supertalent ermöglichen, sein Potenzial auszuschöpfen. Ein kurzer Blick auf Félix, egal in welchem Spiel, egal für welche Mannschaft, macht seine Qualität unbestreitbar. Es gibt nur sehr wenige Spieler, die technisch besser sind als er.

    Aber auch Hindernisse deuten sich an. Felix scheint vor allem gegen tiefstehende Gegner eine Waffe zu sein. Betis war ein perfekter Testlauf. Granada, Las Palmas und sogar Atlético werden ähnliche Möglichkeiten bieten. Aber es bleibt abzuwarten, wie er sich in der Champions League und in den großen Spielen in LaLiga schlägt. In diesen Partien müssen die Mannschaften mit elf Mann verteidigen, um nicht in Gefahr zu geraten. Barça wird in solchen Situationen defensiv besser stehen müssen und vielleicht besser auf Gündogan oder Pedri zurückgreifen, um das System aus der Vorsaison spielen zu können.

    Und dann sind da natürlich noch die finanziellen Probleme des spanischen Meisters. Der FC Barcelona hat mit einigen klugen Schachzügen in diesem Sommer nur sehr wenig Geld auf dem Transfermarkt ausgegeben. Auch die neuen Verträge für einige Spieler geben Hoffnung. Dennoch wird der Klub in einem Jahr wohl nicht in der Lage sein, die erwartete Preisvorstellung Atléticos für Félix zu erfüllen. Die Hauptstädter waren nicht bereit, eine Kaufoption in seinen Vertrag aufzunehmen und es gibt keine Berichte über eine mögliche einvernehmliche Ablösesumme. 100 Millionen Euro ist Félix zwar derzeit nicht wert, wird aber trotzdem gutes Geld kosten.

    Und das ist im Großen und Ganzen das eigentliche Problem Xavis. Félix könnte ein wichtiger Spieler für die Blaugrana sein, eine Option, die sich gegen schlechte Mannschaften als nützlich erweist und gegen gute Mannschaften für einen Moment der Inspiration sorgt. Für eine Mannschaft, die ihre LaLiga-Krone aus der Vorsaison verteidigen und in die Champions League weit kommen will, könnte er entscheidend sein.

    Dennoch überwiegt das Gefühl, dass er nur eine vorübergehende Lösung ist. Das Beste für Barça ist, ihn so lange zu genießen, wie es noch geht.