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Man Utd Club World Cup 2000 GFXGetty/GOAL

"Es war eine Katastrophe für uns": Manchester Uniteds Fiasko bei der ersten Klub-WM in Brasilien 2000

Es war Anfang Januar, das neue Millennium hatte gerade begonnen. Normalerweise hätte sich das Starensemble von Manchester United bei Minusgraden auf ein Drittrundenspiel im FA Cup vorbereitet. Stattdessen weilten die Red Devils im Hochsommer in Brasilien bei der ersten FIFA Klub-Weltmeisterschaft. Es war ein denkwürdiger Trip, der medial unglaublich hohe Wellen schlug und sportlich in einem Fiasko endete.

  • Gary Neville spielte mit Einheimischen an der Copacabana Beachvolleyball

    Die Bilder von damals hatten mit der Vorbereitung auf ein wichtiges Fußballturnier ziemlich wenig zu tun: Teddy Sheringham sprang kopfüber ins Meer, Gary Neville spielte mit Einheimischen an der Copacabana Beachvolleyball, Mark Bosnich besiegte Dwight Yorke und Jaap Stam in einem Schwimmwettkampf und zelebrierte anschließend eine Siegerehrung samt Medaillenübergabe.

    Phil Neville betonte gegenüber Fans im Mannschaftshotel, dass "wir nicht im Urlaub sind". Für brasilianische Medienvertreter aber sah es genau danach aus. Also wurde Teammanager Sir Alex Ferguson gefragt ob seine Mannschaft den Wettbewerb denn auch ernst genug nehme. "Sie haben einen falschen Eindruck, wenn Sie das nicht denken", erwiderte er. Später blickte Ferguson vor dem Teamquartier auf und sah seinen Mittelfeldspieler Nicky Butt in einem Drachenflieger am Himmel über sich hinweg gleiten.

    Die britischen Medien waren sogar noch entsetzter von der Urlaubsstimmung, da United die undenkbare Entscheidung getroffen hatte, die Teilnahme am FA Cup in jener Saison abzusagen, um in Südamerika dabei zu sein.

    Bei der neu aufgelegten Klub-WM in diesem Sommer wird United nicht dabei sein, doch die zum Scheitern verurteilte Teilnahme an der allerersten FIFA-Ausgabe des Turniers im Jahr 2000 hat sich in das Gedächtnis vieler Fans eingebrannt.

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  • Ein Land in Aufruhr

    Es ist eine der bizarrsten Titelseiten, die es je gab - selbst für englische Verhältnisse! Der Daily Mirror holte sich von 14 "interessanten Persönlichkeiten" die Meinung zu Uniteds Vorhaben ein, den FA Cup in jenem Jahr zu knicken, um an der Klub-WM teilzunehmen. Unter den Befragten: Premierminister Tony Blair, Cricket-Legende Ian Botham, der berühmte Filmkritiker Barry Norman, ein Soldat aus dem Falklandkrieg und die Witwe eines ermordeten Schulleiters.

    "Gibt es noch irgendjemanden in Großbritannien, der der Meinung ist, dass Man Utd nicht im FA Cup spielen sollte?" So lautete die Schlagzeile über dem Slogan "Rettet den FA-Cup". Dieses Titelblatt wird noch heute bei Social Media häufig aufgegriffen und ins Lächerliche gezogen. Tatsächlich aber verdeutlicht es, welch Kontroverse United, das den FA Cup zehnmal gewonnen hatte, unter anderem auf dem Weg zum legendären Triple im Vorjahr, mit seiner Entscheidung damals ausgelöst hatte.

    Auch wenn es nicht so aussah, als sich die Spieler in ihren Badehosen an der Copacabana tummelten, befand sich United in einer wenig beneidenswerten Lage. Man sah sich gezwungen, der Einladung zur Klub-Weltmeisterschaft zu folgen um die englische FA zu besänftigen, die sich um die Ausrichtung der Weltmeisterschaft 2006 beworben hatte. Ferguson und Klubchef Martin Edwards hoben pflichtbewusst den Daumen - auch wenn das Turnier terminlich mit der dritten Runde des FA Cups kollidierte.

  • Man Utd CWCGetty

    Sir Alex Ferguson: "Wir können nicht auf allen Hochzeiten tanzen"

    Die FA hätte das ganze Theater umgehen können, indem sie Uniteds Spiel einfach auf einen späteren Zeitpunkt verschoben hätte. Aus unerfindlichen Gründen kam es dazu aber nicht. Ferguson äußerte sich zudem besorgt wegen einer Überlastung seiner Spieler und möglichen negativen Auswirkungen auf das Titelrennen im Frühjahr.

    "Wir können nicht auf allen Hochzeiten tanzen", sagte er. "Wir können nicht im FA Cup und in Brasilien spielen. Das wäre unmöglich. Wir befinden uns in einer ausweglosen Situation. Die Kritik, die uns entgegenschlagen würde, wenn wir nicht mitfahren, wäre unvorstellbar - und das sage ich als Schotte!"

    Auch Uniteds Spieler fühlten sich bei der ganzen Angelegenheit zutiefst unwohl, wie David Beckham später verriet: "Wir haben uns darauf gefreut, nach Brasilien zu fahren und gegen Vereine aus der ganzen Welt zu spielen. Aber niemand war glücklich darüber, den FA Cup zu verpassen. Es fühlte sich nicht richtig an, den Titel nicht zu verteidigen. Vielleicht hätte man uns ein Freilos für die vierte Runde geben können, während wir weg waren, und wir wären nach unserer Rückkehr dabei gewesen. Ich weiß es nicht. Das hätten die FA und der Verein klären müssen."

    Wie sich herausstellte, hatte United in der Premier League nichts zu befürchten, denn am Ende holte man sich mit 18 Punkten Vorsprung auf Arsenal den Titel. Die Nichtteilnahme am FA Cup bedeutete jedoch eine Schlappe, von der sich der älteste K.o.-Wettbewerb in der Geschichte des Fußballs nie so richtig erholt hat.

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  • Sir Alex Ferguson Manchester United 2000Getty Images

    Englands WM-Bewerbung scheitert trotz Uniteds Teilnahme krachend

    Wann immer heute philosophiert wird, warum der FA Cup seine Magie verloren hat, weil die Top-Mannschaften heute oft mit ihren Ersatzspielern antreten, um die Stars zu schonen, kommt das Nichtantreten Uniteds im Jahr 2000 zur Sprache. Und das ist auch verständlich: Wenn die damals größte Mannschaft des Landes sich nicht einmal die Mühe machen konnte, daran teilzunehmen, warum sollte sich dann jemand anderes dafür interessieren?

    "Es war eine Katastrophe für uns", gab Ferguson später zu. "Wir haben es getan, um Englands Bewerbung für die Weltmeisterschaft zu unterstützen,. Das war die politische Situation. Ich habe es bedauert, denn wir wurden für unsere Nichtteilnahme am FA Cup nur kritisiert, obwohl es eigentlich gar nicht unsere Schuld war. Der Fußballverband und die Regierung waren der Meinung, dass die Teilnahme an diesem Turnier der Bewerbung Englands für die Fußballweltmeisterschaft 2006 helfen würde. Es gab eine Menge unangemessener Kritik - aber es war eine großartige zweiwöchige Auszeit."

    Einige Jahre später war klar: Die Tatsache, dass United in Brasilien teilgenommen hatte, half Englands WM-Bewerbung wenig bis gar nicht. Die Bewerbung der FA bekam magere 5 von 24 Stimmen und war schon nach der ersten Abstimmungsrunde ausgeschieden.

    Dass Ferguson von einer "großartigen zweiwöchige Auszeit" schwärmte, verwundert aber aus sportlicher Sicht durchaus. Denn für seine Mannschaft erwies sich die Klub-WM als demütigende Erfahrung.

  • David Beckham Manchester United 2000Getty Images

    Beckhams Temperament schlägt wieder zu

    Die lokale Presse bezeichnete United von Anfang an als arrogant. Der Tenor: Ferguson und seine Mannschaft zollten dem Turnier nicht den gebührenden Respekt. Dennoch wurde die Mannschaft bei ihrer Ankunft am Flughafen von Rio de Janeiro begeistert empfangen. Der größte Fan-Jubel galt natürlich Superstar Beckham. Eine Frau warnte dessen Ehefrau Victoria in einer lokalen Zeitung: "Wenn dieses Spice Girl nicht aufpasst, wird ihr hier in Rio jemand den Ehemann wegnehmen!" Auch Anhänger von Flamengo, dem Erzrivalen von United-Gegner Vasco da Gama, begrüßten die Engländer.

    Diese Euphorie übertrug sich offensichtlich aber nicht auf das erste Vorrundenspiel der Engländer in der Gruppe B gegen den mexikanischen Vertreter Necaxa. Das Maracana war nur spärlich besucht. Die Fans, die sich in den brasilianischen Fußballtempel verirrt hatten, sahen immerhin ein spektakuläres Spiel inklusive zweier gehaltener Elfmeter, einem späten Ausgleichstreffer von Dwight Yorke und einer Roten Karte für Beckham. Dieser hatte kurz vor der Halbzeit seinem Gegenspieler Jose Milian einen Tritt verpasst. Erinnerungen an die WM 1998 und Beckhams legendären Platzverweis gegen Argentinien wurden wach.

    Wie das Schicksal es wollte, war der Unparteiische Argentinier und Beckhams Ausraster noch eindeutiger als der Tritt gegen Diego Simeone 18 Monate zuvor. Ferguson verteidigte seinen Starspieler in gewohnter Manier: "Es war ein 50/50-Ball und beide hatten ihre Füße in der Luft. Die mexikanischen Spieler haben versucht, einen Platzverweis zu provozieren, und der Schiedsrichter hat darauf reagiert. Das war ziemlich schlecht. Ich glaube nicht, dass wir ihn in großen Spielen wiedersehen werden." Yorke, der seinen verschossenen Strafstoß mit dem Ausgleich wettgemacht hatte, klagte: "Alle hier sind gegen uns."

  • Man Utd Vasco da Gama 2000Getty Images

    "Fiasko da Gama"

    Das galt auch für das zweite Spiel von United gegen Vasco da Gama aus Rio. Diesmal war das Maracana prall gefüllt und die Stimmung hitzig. Im Sturm liefen Weltmeister Romario und Enfant terrible Edmundo auf. Letzterer hatte den Gegner bereits im Vorfeld gewarnt: "Ihr Engländer habt den Fußball erfunden. Wir bringen euch bei, wie man ihn spielt."

    Edmundo behielt Recht, Vasco führte United teilweise vor. Romario nutzte zwei katastrophale Fehler Gary Nevilles und brachte Vasco mit 2:0 in Führung, bevor Edmundo den dritten Treffer nachlegte. Butt verkürzte zwar auf 1:3, aber das änderte nichts mehr am Ausscheiden des großen Favoriten. Es reichte nicht einmal zum Spiel um Platz drei, weil Necaxa aufgrund der besseren Tordifferenz den zweiten Platz in der Gruppe holte.

    Ferguson schob die Schuld auf die Hitze, da seine Mannschaft die brasilianischen Temperaturen im Vergleich zu ihren Gegnern nicht gewohnt war. Während er Beckham im letzten Spiel noch verteidigt hatte, schob er nach dem Debakel gegen Vasco Neville die Schuld zu. "Wenn wir die erste halbe Stunde mit der Sonne überstanden hätten, wären wir meiner Meinung nach gut dabei gewesen", sagte er. "Leider hat der Mann, der normalerweise der zuverlässigste Spieler im Verein ist, zwei Fehler gemacht, durch die wir das Spiel verloren haben."

    Neville schrieb später in seiner Autobiographie: "Es war wahrscheinlich die schlechteste Leistung in meiner gesamten United-Karriere. Ich war völlig durcheinander, und zu allem Überfluss kam ich vom Spielfeld und hatte eine SMS von Paul Scholes, der in England eine Verletzung auskurierte. Er hatte das Spiel im Fernsehen verfolgt. Seine Nachricht: 'Fiasko da Gama.'"

  • Vasco da Gama v ManXGetty Images Sport

    Manchester United ist meilenweit von der Weltspitze entfernt

    United hatte noch ein weiteres Spiel zu bestreiten, und zwar gegen South Melbourne. Das australische Team bestand aus Halbprofis, United gewann dank zweier Tore von Quinton Fortune mit 2:0. Der Trainer des Gegners war ein gewisser Ange Postecoglou. Er besiegte ManUnited mit Tottenham Hotspur in der vergangenen Saison gleich viermal - darunter im Finale der Europa League.

    Dieses Ergebnis bedeutet, dass United in der nächsten Saison nicht in der Champions League vertreten sein wird. Und da man in der Königsklasse regelmäßig weit vorne landen muss, um eine Chance auf die Qualifikation für die Klub-Weltmeisterschaft zu haben, ist es unwahrscheinlich, dass man für die nächste Auflage im Jahr 2029 wieder eingeladen wird.

    Die Worte eines Fans, der vor 15 Jahren das Spiel gegen South Melbourne verfolgte, sind heute noch sehr aktuell: "Das ist die Zukunft! Das ist das nächste große Ding, da muss United dabei sein." Jetzt ist der taumelnde englische Rekordmeister allerdings so weit von der Spitze des Weltfußballs entfernt, dass er nur noch zu Freundschaftsspielen nach Saisonende und in der Vorbereitung ins Ausland reist.

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