Es ist eine der größten Überraschungen und zugleich Enttäuschungen dieser Transferperiode. Enzo Millot verlässt den VfB Stuttgart und steht vor einem Wechsel zu Al-Ahli. Saudi-Arabien statt Fußball auf höchstem Niveau, Kohle statt Karrierefortschritt, sportliche Irrelevanz statt Ambitionen. Immerhin profitieren die Schwaben von der Entscheidung des 23-Jährigen.
Getty ImagesEr hinterlässt dem VfB Stuttgart ein großes Abschiedsgeschenk: Enzo Millot schmeißt mit seinem Saudi-Wechsel seine Karriere weg
Schon länger gab es keine Zweifel mehr, dass Millot dem VfB nach dem Pokalsieg in der vergangenen Saison den Rücken kehren würde. Zu verlockend war die Ausstiegsklausel von "nur" 20 Millionen Euro für Europas Topklubs. Dass der Offensivspieler allerdings den europäischen Boden mit Wüstensand tauscht, ist mehr als fragwürdig. Der Verdacht liegt auf der Hand: Das große Geld scheint ihm wichtiger gewesen zu sein als die eigene Entwicklung, die er nun mit Vorsatz zum Stillstand gebracht hat. Im schlimmsten Fall hat Millot die Aussicht auf eine richtig gute Karriere weggeworfen.
Dabei hatte Atletico Madrid, Dauergast in der Champions League und immer im Rennen um die größten Titel vertreten, zuletzt als wahrscheinlichste Anlaufstelle gegolten. Doch Al-Ahli und vor allem Trainer Matthias Jaissle sollen reichlich Überzeugungsarbeit geleistet haben. Es ist allerdings nur schwer vorstellbar, dass die künftige Zusammenarbeit mit dem deutschen Coach oder die Aussicht auf große Erfolge in Saudi-Arabien ausschlaggebend für Millots Umdenken waren.
Noch im März dieses Jahres hatte Millot in einem Interview mit der L’Equipe davon gesprochen, dass es sein "Ziel" sei, bei einem Abschied aus Stuttgart "einen Schritt nach vorne machen zu können". Nun begräbt er zumindest aus sportlicher Sicht seinen Wunsch und unterschreibt übereinstimmenden Medienberichten zufolge zeitnah einen Vertrag bis 2028 bei Al-Ahli. Übrigens nicht unbedingt ein absolutes Top-Team in Saudi-Arabien, im vergangenen Jahr reichte es für den Klub aus Jeddah am Roten Meer nur zu Platz fünf in der Liga, was nicht einmal zur Teilnahme an der asiatischen Variante der Champions League gereicht hätte. Als amtierender Titelträger darf Al-Ahli aber dennoch mitwirken.
GettyWechsel in die Versenkung: Millot träumt eigentlich von PSG
Fakten, von denen ein Großteil in Europa vermutlich das erste Mal gehört hat - weil sich schlichtweg niemand für die Saudi Pro League und die anderen Wettbewerbe interessiert. Daran dürfte auch der Viertelfinal-Einzug von Al-Hilal bei der Klub-WM nicht viel verändert haben, was abseits von Aushängeschild Cristiano Ronaldo (Al-Nassr) - wohlwollend ausgedrückt - zumindest einen Hauch von Aufmerksamkeit auf den Wüsten-Fußball zog. Millot wird nun ein Teil dieser faden, geschmacklosen Suppe und trifft in seiner neuen Mannschaft auf alternde "Stars" wie Riyad Mahrez, Franck Kessie, Ivan Toney oder Edouard Mendy. Was man sich als talentierter Fußballer mit 23 Jahren eben so wünscht.
Millot hätte zu haufenweise ambitionierten Topklubs aus Europa wechseln können. Auch der BVB galt zwischenzeitlich als heißer Anwärter auf den Zuschlag. Dazu der schon häufig öffentlich geäußerte Wunsch, in seinem Heimatland irgendwann das PSG-Trikot tragen zu dürfen. Womöglich kann er sich auch diesen jetzt abschminken, sollte er tatsächlich drei Jahre oder sogar noch länger in Saudi-Arabien verweilen und in der Versenkung verschwinden.
Wer weiß, ob ihn ein Verein dieses Formats noch haben will, wenn er für so eine lange Zeit weit weg vom körperlichen wie taktischen Niveau in Europas Spitze gegen den Ball getreten hat? Auch mit einer Einladung zur französischen Nationalmannschaft bei der WM 2026 oder EM 2028 dürfte es eng werden. Zumal Millot noch kein A-Länderspiel vorzuweisen hat - und damit auch keinen Fuß in der Tür.
Mehr Spielraum dank Millot: VfB sucht schon länger nach einem Ersatz
Für den VfB hätte es derweil nicht besser laufen können. Beinahe schon ein traumhaftes Szenario. Zum einen bekommen die Stuttgarter Fans ihren einstigen Publikumsliebling kaum noch zu Gesicht und zum anderen wurde der Geldbeutel praller gefüllt als zunächst angenommen. Ausstiegsklauseln greifen für Vereine aus Saudi-Arabien nämlich nicht, weshalb sich Al-Ahli Millots Dienste kolportierte 28 Millionen Euro kosten lässt. Somit avanciert er zum drittteuersten Verkauf der Vereinsgeschichte nach Mario Gomez (30 Mio.) und Benjamin Pavard (35 Mio.). Die Schwaben bezahlten 2021 zudem lediglich 1,75 Millionen Euro für Millot.
Ein überragendes Geschäft, was den Verantwortlichen um Sportvorstand Fabian Wohlgemuth nochmal mehr Spielraum auf dem Transfermarkt gibt, um unter anderem einen geeigneten Nachfolger von Millot zu finden. Die Suche läuft längst auf Hochtouren, nachdem der Transfer des eigentlich als Ersatz vorgesehenen Giannis Konstantelias zuletzt auf kuriose Art und Weise platzte. Nun könnte die Wahlauf Williot Swedberg von Celta Vigo oder Fabio Vieira vom FC Arsenal fallen.
Ein schönes Abschiedsgeschenk von Millot nach vier Jahren VfB, der damit wenigstens noch ein bisschen Einfluss auf das Treiben in Europa hat.
GettyEnzo Millot: Leistungsdaten beim VfB Stuttgart
Saison Spiele (Einsatzminuten) Tore Assists 2021/22 6 (48) - 1 2022/23 29 (1.163) 4 2 2023/24 35 (2.492) 6 10 2024/25 43 (2.856) 12 8



