Bilal El KhannoussGOAL

Er "beeindruckte" einst Pep Guardiola und verzaubert jetzt die Bundesliga: Der VfB Stuttgart könnte den nächsten Transfercoup gelandet haben

Vor ziemlich genau zwei Jahren, im Oktober 2023, erntete Bilal El Khannouss verwunderte Blicke. Nach einem grauen 0:0 zwischen seinem langjährigen Verein KRC Genk und Ferencvaros Budapest in der Conference League gab es eigentlich nicht viel zu besprechen. Einem Reporter war jedoch aufgefallen, dass der gebürtige Belgier nach der Halbzeitpause mit fast kaputten Schuhen auf den Platz zurückgekehrt war. 

Nur ein einziges Stück Klebeband hielt alles zusammen - und dennoch erfüllte es seinen Zweck. Die Schuhe überstanden die zweite Hälfte. "Wir müssen mit dem auskommen, was wir haben", sagte El Khannouss, der seine Treter selbst repariert hatte: "Ich hoffe, dass ich morgen neue Schuhe habe." Das Beste aus dem machen, was man hat: Das ist alles, was El Khannouss kennt und erklärt auch, warum er im nächsten Sommer zum zweitteuersten Neuzugang in der Geschichte des VfB Stuttgart avancieren könnte. 

  • El Khannnouss: Vom Käfig-Zocker zum "Verräter"

    El Khannouss wuchs in der belgischen Provinz Strombeek-Bever auf. Schon im frühen Kindesalter landete er beim wenige Kilometer entfernten RSC Anderlecht, in der Freizeit waren Käfig- und Hallenplätze seine zweite Heimat. 

    "Das Spielen auf diesen kleinen Flächen lehrt dich, intelligenter zu laufen. Das hat mir definitiv geholfen", erzählte er einst. Mit 15 Jahren war die unbeschwerte Zeit jedoch vorbei.

    Trotz seines violetten Anderlecht-Herzens wechselte er nach Genk. Ein durchaus brisanter Wechsel, der in den belgischen Zeitungen für Aufsehen sorgte. Einige Jugendtrainer bezeichneten ihn gar als "Verräter", verriet EL Khannouss:  "Die sagten es mit einem Lächeln, aber man spürte, dass sie es ernst meinten." Eine Entscheidung für die sportliche Perspektive, gegen seine Heimat - und bei dieser einen blieb es nicht. 

    Nachdem El Khannouss in der Saison 2021/22 seinen Durchbruch in Genk geschafft hatte, entschied er sich nach zahlreichen Länderspielen für den belgischen Nachwuchs im WM-Jahr 2022 künftig für Marokko aufzulaufen. "Ich bin Belgien sehr dankbar für all die Möglichkeiten, die ich hier hatte, aber ich wusste schon früh, dass ich mich für Marokko entscheiden würde", erklärte er damals: "Meine Großeltern sind aus Marokko nach Belgien gekommen, und ich habe das Gefühl, dass ich ihnen auf diese Weise etwas zurückgeben kann. Sie sind nicht mehr unter uns, aber ich bin sicher, dass sie stolz auf mich sind."

    Während die lokale Presse mal wieder Kritik übte, erreichte Marokko bei der Endrunde in Katar sensationell bis ins Halbfinale. Für den damals 18-Jährigen sprang zwar nur ein Einsatz heraus, in diesem traf er im Spiel um Platz drei gegen Kroatien aber auf sein großes Idol Luka Modric. Die Popularität von El Khannouss stieg wie seine Leistungskurve bei Genk an, ehe 2024 Leicester City 22,5 Millionen Euro auf den Tisch legte. Auch Bayer Leverkusen,  Atletico Madrid und der FC Liverpool sollen Interesse gezeigt haben. 

    Als einer der wenigen Lichtblicke einer ansonsten düsteren Saison der Foxes, die unter Trainer Ruud van Nistelrooy im Abstieg in die Championship mündete, galt ein Verbleib bei Leicester im Sommer stets als höchstunwahrscheinlich. "Ich denke, Sie werden noch viel von ihm sehen und hören", betonte die niederländische Stürmerlegende, die nach dem Gang in die Zweitklassigkeit ihren Hut nehmen musste, einmal: "Er kann es sehr weit bringen. Er hat das Potenzial, ein Top-Spieler in der Champions League zu werden."

    Doch es tat sich lange nichts, erst am Deadline Day fand sich eine zufriedenstellende Lösung. Nach dem kurzfristigen Wechsel von Nick Woltemade zu Newcastle United und der weiterhin nicht zielführenden Suche nach einem Nachfolger für Enzo Millot war der VfB Stuttgart gewissermaßen in Handlungsnot. Der amtierende Pokalsieger erzielte für drei Millionen Euro Leihgebühr eine Einigung, die El Khannouss zumindest in die Nähe der von van Nistelrooy prophezeiten Königsklasse brachte. Stattdessen heißt es Europa League. Werden bestimmte Bedingungen erfüllt, greift am Saisonende eine Kaufverpflichtung in Höhe von 25 Millionen Euro. 

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  • Bilal El Khannouss Getty

    VfB Stuttgart bei El Khannouss fast schon zum Glück gewzungen

    Obwohl El Khannouss bei Vollzug der kostspieligste Transfer der VfB-Historie nach Deniz Undav wäre, scheint der Deal schon jetzt ein Coup zu sein. Der inzwischen 21-Jährige verzauberte die Stuttgarter mit seinem feinen Füßchen, den Dribblings und einem guten Auge für den Raum wie im Sturm. Schon vor seinem Siegtreffer beim 1:0 über den 1. FC Heidenheim schwärmte Hoeneß in den höchsten Tönen von seinem neuen Schützling: "Er hat richtig gute fußballerische Qualitäten, die er in der Premier League schon gezeigt hat. Ein ganz spannender Junge - der Start war top."

    Dabei wurde der VfB bei El Khannouss schon fast zu seinem Glück gezwungen. Schon früh war klar, dass Millot den Verein verlassen würde. Als der Transfer von Wunschlösung Giannis Konstantelias nach einer Reihe von Wendungen auf kuriose Art und Weise platzte, kristallisierte sich lange keine klare Alternative heraus. Die Bemühungen um El Khannouss sickerten erst auf den letzten Metern der Wechselperiode durch - und haben sich zum aktuellen Stand als Glücksgriff bewahrheitet. Das Zwischenfazit: Coup statt Paniktransfer!

    "Das goldene Tor" (Hoeneß) gegen Heidenheim war bereits der dritte Treffer im sechsten Spiel von El Khannouss, die er allesamt auf dieselbe Art und Weise erzielte. Jeweils schlenzte der Edeltechniker den Ball mit der Innenseite ins lange Eck. "Nicht besonders scharf, aber präzise", sagte Hoeneß am vergangenen Sonntag nach dem Heimerfolg. 

  • Pep Guardiola war einst von El Khannouss "beeindruckt"

    Die drei Punkte verhalfen dem VfB zum Sprung auf Platz vier in der Bundesliga, nachdem die Schwaben unter der Woche aufgrund von schlechter Chancenverwertung noch mit 0:2 gegen den FC Basel verloren hatten. Es war die bereits dritte Niederlage in einer bislang noch inkonstanten Saison, in der El Khannouss spätestens nach der schweren Verletzung von Top-Torschütze Ermedin Demirovic der derzeit größte Hoffnungsträger der angeschlagenen Offensive zu sein scheint. Deniz Undav wird nach seinem Innenbandriss vermutlich noch etwas Zeit brauchen, kehrte zu Beginn der Länderspielpause aber immerhin ins Training zurück.

    Einen erfahrenen Stürmer haben die Stuttgarter nicht in ihren Reihen, nachdem die geplante Verpflichtung von Hyeon-gyu Oh kurz vor Transferschluss ebenfalls platzte. Kurios: Der Südkoreaner wäre von El Khannouss' Ex-Klub KRC Genk an den Neckar gekommen.  

    Dass der fulminante Start beim VfB El Khannouss zu Kopf steigt, scheint derweil unrealistisch zu sein. "Ich muss jede Woche dieses Niveau zeigen. Ansonsten genieße ich einfach das Spiel und den Tag. Denn wir haben den besten Job der Welt", sagte er nach einem Spiel gegen Manchester City in der vergangenen Spielzeit. Zuvor hatte ihm niemand Geringeres als Pep Guardiola nach Abpfiff ihm zugeflüstert, dass er von dessen Spiel "beeindruckt" sei. "Ich leiste meinen Beitrag, ohne dass jeder davon wissen muss. Gott hat mir ein luxuriöses Leben geschenkt", sagte er unlängst gegenüber Het Latste Nieuws und wurde fast schon pathetisch: "Manchmal wache ich auf und denke: 'Mist, heute muss ich dies oder das erledigen.' In der Elfenbeinküste habe ich 70-jährige Frauen gesehen, die barfuß einen Berg hinaufstiegen, mit schweren Eimern voller Lebensmittel auf dem Kopf, nur damit ihre Familien etwas zu essen hatten. Solche Dinge brechen einem das Herz."

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  • VfB Stuttgart v 1. FC Heidenheim 1846 - BundesligaGetty Images Sport

    Spitzname "Duracell" - und schlechte Nachrichten für den VfB

    Die Bodenhaftung dürfte El Khannouss also auch im Schwabenland nicht verlieren. Vielmehr würde er den Boden der Stadien gerne dauerhaft bespielen. Denn in Marokko wurde ihm schon der Spitzname "Duracell" verpasst. "Weil ich einfach nie still sitzen kann! Ich liebe Fußball wirklich. Wenn ich könnte, würde ich immer noch in der Halle spielen. Ich schaue mir auch viele Spiele an. Die Spieler der Nationalmannschaft machen sich deswegen über mich lustig!"

    EL Khannouss wird in Marokko dennoch geliebt - wegen seiner Besonnenheit und wegen dem, was er ihnen noch helfen könnte zu erreichen. Marokko ist Gastgeber des diesjährigen Afrika-Cups - der Angreifer könnte dem VfB in bis zu vier Bundesligaspielen im Winter fehlen - und hat sich bereits für die Weltmeisterschaft in den USA, Kanada und Mexiko qualifiziert. 

    Es ist zweifellos das größte Jahr in seiner noch jungen Karriere. Anstatt kühne Ankündigungen zu machen, wird El Khannouss aber wie gewohnt seine Füße sprechen lassen - ganz egal, in welchem Zustand die Schuhe sind. 

  • El Khannouss: Die Leistungsdaten in den vergangenen Spielzeiten

    SaisonTeamSpieleToreAssists
    2025/26VfB Stuttgart (Leicester City)6 (3)3 (0)0 (2)
    2024/25Leicester City (KRC Genk)36 (1)3 (0)5 (1)
    2023/24KRC Genk5138
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