"Je mehr Ballkontakte er hat, desto besser spielt das Team": Unter Xabi Alonso gibt es bei Real Madrid einen großen Gewinner

"Arda muss dem Ball nahe sein. Je mehr Ballkontakte er hat, desto besser spielen er und das Team", sagte Alonso während der Klub-WM und unterstrich damit das, was während des Turniers in den USA ohnehin auffiel. Der neue Real-Coach sieht Güler in einer zentraleren und auch etwas tieferliegenden Rolle als er sie bisher in Madrid meist bekleidete.

Kam Güler unter Alonsos Vorgänger Carlo Ancelotti noch meist auf der rechten Seite zum Einsatz, sieht Alonso den 20-Jährigen im Zentrum. Dort soll er mit seinem feinen linken Fuß, seiner Handlungsschnelligkeit, seiner Technik und seiner raumgreifenden Übersicht künftig das Spiel der Königlichen mitprägen. Plakativ gesagt heißt das auch: Real braucht keinen externen Neuzugang, um den abgewanderten Routinier Luka Modric zu ersetzen. Vielmehr hatte man den Ersatz mit Güler schon in den eigenen Reihen.

Der türkische Nationalspieler soll dabei nicht alleine die enorme Last auf den Schultern tragen. Güler ist eines von mehreren Rädchen, die sich zu Alonsos idealem Real-Mittelfeld verbinden sollen, das wurde schon bei der Klub-WM sichtbar. Dort bildete er im Zentrum des königlichen Spiels ein gut funktionierendes und dynamisches Trio mit Federico Valverde und Jude Bellingham.

In fünf der sechs bisherigen Spiele mit Alonso auf der Trainerbank stand Güler in Reals Startelf. Im Klub-WM-Achtelfinale gegen Juventus Turin (1:0) überzeugte er besonders, gefiel mit seinem qualitativ wertvollen und mutigen Passspiel. Beim 3:1 im Gruppenspiel gegen Pachuca traf er, beim 3:2 im Viertelfinale gegen Borussia Dortmund legte er zwei Tore auf. Güler war bei der Klub-WM einer der besten Madrilenen.

Wichtig für den Supertechniker: Nicht nur der neue Trainer, sondern auch die Vereinsverantwortlichen um Präsident Florentino Perez sind von ihm vollends überzeugt. So soll Perez, der ihn 2023 für 24 Millionen Euro Ablöse von Fenerbahce nach Spanien holte, Güler jüngst nach dessen starkem Testspiel-Auftritt gegen Tirol intern überschwänglich gelobt haben. Eine Leihe, die in den vergangenen beiden Jahren immer wieder mal diskutiert wurde, ist aktuell überhaupt kein Thema. Übrigens: Unter den Interessenten für eine Leihe Gülers soll auch Bayer Leverkusen gewesen sein, damals noch trainiert von Alonso.

Ein weiteres Indiz dafür, dass der Spanier sehr viel von dem begnadeten Youngster hält. Das liegt nicht nur an Gülers sportlichen Qualitäten, sondern auch an seiner Einstellung: Ihm war stets klar, dass er sich in Madrid zunächst würde hinten anstellen müssen, er ist enorm lernwillig, möchte sich in allen Bereichen verbessern. Dazu zählt auch seine Physis, an der er diesen Sommer offenbar sehr hart und intensiv gearbeitet hat. Mit Erfolg, ist Güler mittlerweile körperlich deutlich stärker und robuster.

Wichtig für seine neue, zentralere Rolle, in der auch Gülers ausbaufähige Qualitäten im Defensivzweikampf bedeutsamer werden. Vor allem hier hilft Alonso ihm, gibt ihm wertvolle Tipps an die Hand. "Versuche lieber, zu antizipieren, als nur zu reagieren", erklärte Alonso hinsichtlich Gülers Spiel ohne Ball zuletzt. "Wenn du dich besser positionierst, kommst du schneller in den Zweikampf und musst deinen Gegenspieler nicht körperlich übertrumpfen." 

Wichtig dabei auch: Alonso hat Geduld mit Güler, weiß genau, dass in neuer Rolle nicht auf Anhieb alles reibungslos funktionieren wird: "Wir wissen, dass Arda in diesem Lernprozess Fehler machen wird, aber er wird auch gute Sachen machen. Wir müssen jetzt Zeit in Ardas Entwicklung investieren. Er macht es gut und wir pushen ihn weiter. Wir wollen, dass er Erfahrungen sammelt, reift und dabei auch Fehler machen darf. Lasst ihn sie akzeptieren, weil sie Teil seiner Entwicklung sind, an deren Ende wir einen starken Arda in diesem Bereich haben können."

Mutige Einstellung eines Trainers eines Vereins wie Real Madrid, bei dem der gegenwärtige Erfolg über allem steht und Zeit für Entwicklung, zu der Fehler nun mal dazu gehören, eigentlich nicht an der Tagesordnung steht. Umso höher ist Alonsos Vorhaben einzuschätzen und umso mehr scheint er Güler zu schätzen. Dafür spricht auch, dass der Türke künftig der Hauptverantwortliche für die Standardsituationen sein soll. Bekanntermaßen eine große Waffe von Arda, auf die Real zunehmend vertrauen möchte.

Inwieweit Güler den Vorschusslorbeeren des Sommers gerecht werden kann, wenn der Pflichtspielbetrieb startet und es richtig ernst wird, bleibt abzuwarten. Schon so mancher Gewinner einer Vorbereitung konnte am Ende die guten Eindrücke aus dem Vorfeld nicht in die folgende Saison hinüber retten.

Zunächst wird Alonso also auf Güler setzen. Doch bei Real darf man sich natürlich nie zu sicher sein, zumal die Konkurrenz weiterhin groß ist. Auch Neuzugang Franco Mastantuono, argentinisches Mega-Talent, wird sich möglichst viel Spielzeit erhoffen. Sobald Bellingham nach seiner Schulter-OP zurückkehrt, wird er neben Valverde im Mittelfeldzentrum gesetzt sein. Für die zwei weiteren Plätze bewerben sich neben Güler und Mastantuono auch noch Aurelien Tchouameni, Brahim Diaz oder Eduardo Camavinga, sobald dieser seine Verletzungsprobleme in den Griff bekommen hat.

Güler ist auf einem guten Weg und hat das Glück, dass mit Alonso ein Trainer kam, der offensichtlich sehr viel von ihm hält. Sich vom Mann für die vereinzelten magischen Momente zu einer prägenden Figur bei Real zu entwickeln, liegt allerdings nur an ihm selbst.