Leicester City FC v Arsenal FC - Premier LeagueGetty Images Sport

"Ehrlich gesagt ist es ein bisschen verrückt": BVB-Flop und DFB-Albtraum Mikel Merino liefert beim FC Arsenal plötzlich als Mittelstürmer ab

"Es ist ehrlich gesagt ein bisschen verrückt", fasste Mikel Merino nach dem 7:1-Sieg des FC Arsenal im Achtelfinalhinspiel der Champions League bei der PSV Eindhoven Anfang März seine aktuelle Situation zusammen. "Aber gleichzeitig geht es einfach darum, die richtige Mentalität zu haben, die richtige Herangehensweise an das Spiel", führte der Spanier aus, der vergangenes Jahr im EM-Viertelfinale zu Deutschlands Albtraum geworden war.

Möglicherweise hatte Arsenals Trainer Mikel Arteta auch im Hinterkopf, wie Merino gegen das DFB-Team im Stile einer abgebrühten Nummer 9 zum spanischen Siegtreffer einköpfte, als er sich vor einigen Wochen zu einer ungewöhnlichen Maßnahme entschied. Denn Merino, der sich in den vergangenen Jahren als zentraler Mittelfeldspieler europaweit einen Namen machte, ist plötzlich Mittelstürmer.

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    Mikel Merino beim FC Arsenal: Plötzlich Mittelstürmer

    Mitte Februar hatte Arteta die entsprechende Idee, beziehungsweise wurde mehr oder weniger dazu gezwungen. Denn Arsenal sind bekanntlich zuletzt die Stürmer ausgegangen: Gabriel Jesus zog sich im Januar einen Kreuzbandriss zu, Anfang Februar folgte dann auch bei Kai Havertz eine Hiobsbotschaft. Wegen einer Oberschenkelverletzung fällt der deutsche Nationalspieler ebenso wie Jesus für die restliche Saison aus.

    Was also nun? Arteta probierte es Mitte Februar gegen Leicester City zunächst mit Leandro Trossard als falsche Neun. Dass er auch Merino in seine Gedankenspiele für die Besetzung des Sturmzentrums aufgenommen hatte, erklärte Arteta dem Europameister erst wenige Stunden vor dem Leicester-Spiel: "Ich sagte ihm heute Morgen, dass er möglicherweise dort spielt und wir glauben, dass das bei Bedarf passen könnte", verriet Arteta hinterher und durfte konstatieren: "Er hat das Spiel für uns gewonnen."

    20 Minuten vor Schluss war Merino für Raheem Sterling ins Spiel gekommen und hatte für Trossard auf der Neun übernommen. Mit zwei Toren avancierte der 28-Jährige zum Matchwinner, machte aus einem 0:0 ein 2:0 für Arsenal. "Es war das erste Mal in meiner Karriere, dass ich auf dieser Position gespielt habe", verriet Merino nach der Partie bei BBC. "Er (Arteta, d. Red.) sagte mir, ich solle mich auf meine Stärken besinnen und glücklicherweise konnte ich dem Team heute mit zwei Toren helfen."

    Mit der Mischung aus einer imposanten Statur von 1,89 Meter, seiner feinen Technik und seiner hervorragenden Übersicht in engen Räumen ist Merino tatsächlich gut geeignet für die Rolle einer falschen Neun, die sowohl spielerische Elemente liefert, aber auch mit physischer Präsenz glänzen kann. Hinzu kommt ein guter Riecher für torgefährliche Situationen, wie Arteta erklärte: "Mikel hat das drauf", lobte der Coach. "Er kann Aktionen antizipieren und hat ein gutes Timing, in gewisse Bereiche vorzustoßen. Und dazu hat er offensichtlich die Fähigkeit, seinen Körper flexibel einzusetzen."

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  • Beim BVB floppte Mikel Merino - und trat gegen Thomas Tuchel nach

    Vor allem Fans von Borussia Dortmund dürften sich angesichts der jüngsten Positionsveränderung bei Merino verwundert die Augen reiben. Schließlich agierte jener, als er 2016 als junges Talent zum BVB wechselte, mitunter noch als Innenverteidiger. Wenn er denn mal spielen durfte.

    Merino hatte unter Dortmunds damaligem Trainer Thomas Tuchel einen enorm schweren Stand. Eigentlich in seiner natürlichen Rolle als defensiver Mittelfeldspieler von Jugendverein CA Osasuna geholt, probierte Tuchel den seinerzeit 20-Jährigen auch mal als zentralen Abwehrmann aus. Damals fand Merino die Unklarheit bezüglich seiner Position überhaupt nicht cool.

    Er habe zunächst "immer als Innenverteidiger trainiert und gespielt. Später haben sie gemerkt, dass ich auch weiter vorne spielen kann, auf der Sechs oder Acht. Dann wurde ich dort aufgestellt", blickte Merino im Sommer 2017 kurz nach Tuchels Aus in Dortmund bei der baskischen Zeitung Noticias de Gipuzkoa zurück. Es folgte eine Abrechnung mit Tuchel: "Ehrlich gesagt weiß ich bis heute nicht genau, was er von mir wollte und erwartet hat. Wir haben auch nicht oft darüber gesprochen. Das ist irgendwie ein seltsames Thema", so Merino.

    Kurz nach Tuchel war auch er in Dortmund dann Geschichte. Mit großen Vorschusslorbeeren verpflichtet, stand er gerade einmal gut 300 Minuten für den BVB auf dem Rasen, absolvierte lediglich neun Pflichtspiele. Im Sommer 2017 wurde er zunächst an Newcastle United verliehen, ein Jahr später dann an die Magpies verkauft.

    Merinos damals noch sehr junge Karriere nahm allerdings erst wieder Fahrt auf, als er nach Spanien zurückkehrte. Newcastle verkaufte den seinerzeit 22-Jährigen im Sommer 2018 - also nur kurz nach dem festen Transfer aus Dortmund nach England - an Real Sociedad. Dort entwickelte sich Merino zum spanischen Nationalspieler und zu einem international anerkannten Mittelfeldstrategen, den sich Arsenal im vergangenen Sommer 32 Millionen Euro kosten ließ.

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    Mikel Merino: Als Stürmer ist er gesetzt

    Auf seiner angestammten Position im Mittelfeld konnte sich Merino bei den Gunners bisher noch nicht wie gewünscht etablieren. Nachdem ihn zu Saisonbeginn eine Schulterverletzung lahmlegte, musste sich der Ex-Dortmunder danach in wichtigen Spielen immer wieder hinter Thomas Partey anstellen.

    Durch die Positionsveränderung konnte sich Merino dem Konkurrenzkampf mit dem Ghanaer zuletzt dann entziehen. Seit seinem ersten Mittelstürmereinsatz gegen Leicester lief Merino jüngst viermal in Folge von Beginn an als falsche Neun auf. Vorläufiger Höhepunkt dabei: Merinos starker Auftritt beim 7:1 in Eindhoven, bei dem ihm ein Tor und ein Assist gelangen.

    "Wenn der Trainer dich auf eine Position stellt, musst du all deine dazu passenden Qualitäten abrufen und sie in den Dienst der Mannschaft stellen", betonte er nach dem Spiel. Dabei zeigt sich Merino wissbegierig und will die neue Position bestmöglich verstehen lernen: "Ich habe viel mit unseren Analysten gesprochen, auch mit dem Trainer. Ich habe den Anspruch an mich selbst, genau zu verstehen, worauf es auf dem Platz ankommt - nicht nur auf meiner gewohnten Position als Achter, sondern auch auf allen anderen Positionen."

    Da Jesus und Havertz diese Saison nicht mehr werden spielen können, dürfte Merino auch in der heißen Phase der Spielzeit Arsenals Speerspitze bleiben. Und im Erfolgsfall könnte er damit zu einer der Geschichten dieser Saison werden.

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