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"Die Gefahr, dass er sich selbst vieles verbaut": Paris Brunner wird nach seinem Aus beim BVB bislang nicht glücklich

Es ist nicht einmal eineinhalb Jahre her, da schien Paris Brunner auf seinem Weg nach oben unaufhaltsam zu sein. Es war Anfang Dezember 2023, der damals 17-jährige Offensivspieler hatte Deutschlands U17-Nationalmannschaft gerade zum Gewinn des WM-Titels geführt. Ein halbes Jahr, nachdem Brunner und Co. schon U17-Europameister geworden waren, setzten sie sich auch auf der Weltbühne die Krone auf - und das damalige BVB-Juwel nahm dabei eine tragende Rolle ein.

  • Paris Brunner U17 World Cup GermanyGetty

    Paris Brunner: Beim BVB verpokert, in Monaco noch nicht gebraucht

    Bei der U17-EM hatte sich Brunner die Torjägerkrone gesichert. Das schaffte er bei der Weltmeisterschaft zwar knapp nicht, dennoch kam er in den sieben Turnierspielen auf starke fünf Treffer und einen Assist. Brunner erzielte das 1:0-Siegtor im Viertelfinale gegen Spanien, schnürte im Halbfinale gegen Argentinien einen Doppelpack und traf auch im Finale gegen Frankreich. Zudem wurde er zum besten Spieler der U17-WM gekürt, steht damit auf ewig in einer Liste mit Namen wie Cesc Fabregas (2003), Toni Kroos (2007) oder Phil Foden (2017), denen diese Ehre ebenfalls zuteil wurde.

    Brunner schienen alle Türen offen zu stehen, als er im Dezember 2023 für einen jungen Spieler schon hochdekoriert nach Dortmund zurückkehrte. Doch statt beim BVB durchzustarten, verließ er die Westfalen bekanntlich im vergangenen Sommer, ohne ein einziges Spiel für die erste Mannschaft absolviert zu haben. Nicht die große Bühne im Westfalenstadion, sondern Abstiegskampf in Belgien ist derzeit die harte Realität, der sich eines der größten deutschen Talente stellen muss. Aber von vorne:

    Unmittelbar nach seiner Rückkehr von der U17-WM hatte es Brunner Anfang Dezember 2023 im Heimspiel gegen RB Leipzig (2:3) erstmals in den Profikader des BVB geschafft. Das Offensivtalent blieb die kompletten 90 Minuten lang auf der Bank, kam nicht zum Einsatz - und es sollte das erste und letzte Mal gewesen sein, dass Brunner im Spieltagsaufgebot der Dortmunder Profis stand.

    Die folgenden Monate waren geprägt von fortwährenden neuen Wasserstandsmeldungen zu den offenbar sehr komplizierten Verhandlungen zwischen dem BVB und Brunner über dessen ersten Profivertrag. Der Youngster zögerte und zögerte, was den Dortmunder Verantwortlichen überhaupt nicht gefiel. Brunner wollte dem Vernehmen nach die Garantie haben, dauerhaft bei den Profis zu trainieren und zu spielen - eine Forderung, die die Bosse allerdings nicht erfüllen wollten.

    So kam Brunner in der Rückrunde 2023/24 lediglich noch zu zwei Einsätzen für die zweite Mannschaft in der 3. Liga, spielte ansonsten (und das sehr erfolgreich) weiterhin in der U19. Mit den Vereinsverantwortlichen kam er allerdings nicht mehr auf einen Nenner und Mitte August war Gewissheit, was sich immer mehr abgezeichnet hatte: Brunner suchte das Weite, verließ den BVB für eine Ablöse in Höhe von vier Millionen Euro zur AS Monaco. Doch statt bei einem Topklub der französischen Ligue 1, verbringt der mittlerweile 19-Jährige die aktuelle Saison bei einem Abstiegskandidaten in der belgischen Jupiler Pro League.

    Denn Monaco, wo Brunner bis 2028 unterschrieben hat, verlieh den Neuzugang umgehend an Cercle Brügge. Dort sollte sich Brunner ganz in Ruhe und fernab des großen Rampenlichts an Männerfußball gewöhnen, auf möglichst hohem Niveau erste Erfahrungen im Seniorenbereich sammeln. Ein Plan, der bis dato nicht zufriedenstellend aufging.

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  • Paris Brunner Borussia Dortmund 2023-24Getty

    Paris Brunner bei Cercle Brügge: Viel Schatten und nur wenige Lichtblicke

    Während seiner ersten beiden Monate in Brügge kam Brunner gerade mal auf knapp 130 Einsatzminuten. Sein für lange Zeit einziger Startelf-Einsatz im Rückspiel der Conference-League-Qualifikation ging bei einer 1:4-Heimniederlage gegen Wisla Krakau gründlich in die Hose. Cercles damaliger Trainer Miron Muslic kritisierte seine Mannschaft hinterher scharf und dürfte bei seiner Schelte vor allem Brunners Leistung im Sinn gehabt haben, wechselte er den U17-Weltmeister doch zur Halbzeitpause aus.

    Brunner war fortan erstmal komplett außen vor, konnte sich aber immerhin bei der deutschen U19-Nationalmannschaft neues Selbstvertrauen und vor allem ganz wichtige Spielpraxis holen, glänzte bei einem 2:1-Testspielsieg gegen Spanien Anfang Oktober mit Tor und Vorlage. Doch zurück im Verein gab ihm das nicht den erhofften Schub, noch dazu bremste ihn eine Fußverletzung zusätzlich aus und Stand Mitte November ging Brunners Impact bei seinem neuen Verein weiterhin gegen Null.

    "In Belgien weiß kaum jemand, wer Paris Brunner ist", fasste seinerzeit der für die belgische Tageszeitung Het Nieuwsblad tätige Journalist Koen Verdruyen Brunners Lage bei den Ruhr Nachrichten schonungslos zusammen. Verdruyen verfolgt Cercle Brügge in seiner Arbeit seit Jahren intensiv, führte über Brunner aus: "Er hat dafür viel zu selten gespielt. Niemand hat hier bisher verstanden, warum Monaco so viel Geld für ihn ausgegeben hat." Der deutsche Junioren-Nationalspieler benötige Zeit, um sich an Cercles intensiven Fußball zu gewöhne, erklärte Verdruyen und kritisierte: "Bei seinen bisherigen Einsätzen hat er noch nicht überzeugt."

    Zudem vermutete der Cercle-Insider, dass Brunner sich von seinem Wechsel nach Monaco eigentlich erhofft hatte, auch im Fürstentum zu spielen und nicht bei einem relativ unbekannten Verein aus Belgien geparkt zu werden: "Ich habe gehört, dass Paris Brunner nicht wirklich glücklich war, für Cercle Brügge zu spielen. Seine Absicht war es, für Monaco zu spielen", sagte Verdruyen.

    Doch Brunner blieb keine andere Wahl, als sein Glück weiterhin in Brügge zu probieren. Und in den vergangenen Monaten gab es zumindest den einen oder anderen Hoffnungsschimmer: Seit Ende November nahm Brunners Spielzeit zu, vor allem in der Conference League bekam er ausreichend Gelegenheit, sich zu zeigen - und nutzte diese beim 1:1 gegen Basaksehir kurz vor Weihnachten, als ihm per Kopf sein erstes Tor für Cercle gelang. Bitter: Wenig später verletzte sich Brunner, fiel wegen eines Muskelfaserrisses knapp zwei Monate lang aus. Der nächste Rückschlag in einem bisher insgesamt verkorksten Leihjahr.

  • Nicolas Kühn Celtic 2024Getty

    Paris Brunner muss "aufpassen, nicht abzustürzen"

    Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass Brunner Ende Februar als Joker einen Punkt bei KV Kortrijk rettete, kurz vor Schluss zum 1:1 traf. Sein erstes und bisher einziges Liga-Tor in Belgien. Brunner, der mit Cercle im Abstiegskampf steckt, zeigte zuletzt leichte Aufwärtstendenzen, kam in den vergangenen sieben Pflichtspielen stets zum Einsatz. Dennoch dürften seine Erwartungen an diese Spielzeit im vergangenen Sommer andere gewesen sein. Und Brunner muss aufpassen, seine Karriere nicht zu verspielen, bevor sie so richtig begonnen hat. Das sieht auch Matthias Strohmaier so.

    Der ehemalige deutsche Junioren-Nationalspieler, der unter anderem zweieinhalb Jahre lang für Bayern München II spielte (2014 bis 2016), gilt als Experte für den Nachwuchsfußball in Deutschland und kennt die Top-Talente des Landes ganz genau. Brunners aktuelle Situation nannte er jüngst bei Absolut Fußball, dem Fußballportal von Home of Sports, "besorgniserregend". Der frühere Dortmunder starte "bisher auch in Belgien nicht richtig durch. Er muss im Kopf verstehen, was er jetzt leisten muss, um sein Potenzial voll auszuschöpfen. Paris hat großes Talent. Aber Jugend- und Profifußball sind zwei verschiedene Paar Schuhe."

    Auch Hochbegabte wie Brunner müssten "aufpassen, nicht abzustürzen", betonte Strohmaier, der den gebürtigen Dortmunder warnt: "Bei ihm besteht die große Gefahr, dass er sich selbst vieles verbaut." Als Positiv-Beispiel, an dem sich Brunner orientieren könne, führte Strohmaier derweil Ex-Bayern-Talent Nicolas Kühn (von Januar 2020 bis Sommer 2021 bei der zweiten Mannschaft des FCB) an. Der 25-Jährige wurde einst ebenfalls als riesiges Talent gefeiert, erhielt 2019 vor Josha Vagnoman und Neu-Nationalspieler Yann Aurel Bisseck die U19-Fritz-Walter-Medaille in Gold. Der Sprung in den Profibereich verlief dann aber nicht so reibungslos wie erhofft, nach einigen Umwegen startete Kühn erst bei Celtic Glasgow auf höchstem Niveau so richtig durch und machte dort diese Saison in der Champions League auf sich aufmerksam.

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  • Paris Brunner? DFB-Trainer Balitsch bleibt optimistisch: "Da muss er durch, da geht er durch"

    Dass Brunner möglichst schon deutlich früher auch im Männerfußball auf der großen Bühne ankommt, wünscht sich sicherlich auch Deutschlands U19-Nationaltrainer Hanno Balitsch. Bei ihm bekam das frühere BVB-Talent zuletzt in den EM-Qualifikationsspielen Ende März wieder wichtige Spielpraxis, konnte aber nicht wirklich überzeugen. Auch Balitsch weiß um den Ernst der Lage und sieht, dass Brunner "kein einfaches Jahr" hat. "Er sucht noch seinen Rhythmus, kämpft um seine Spielzeiten im Verein."

    Doch Balitsch ist auch überzeugt davon, dass sein Schützling das Rüstzeug für die persönliche Wende in sich trägt. "Es zeichnet ihn aus, dass er sich nicht unterkriegen lässt. Belgische Liga, Abstiegskampf, da lernst du was als junger Spieler", betonte der ehemalige deutsche Nationalspieler. "Da muss er durch, da geht er durch, das wird er als Entwicklungsschritt mitnehmen."

    Bei all den hohen Erwartungen darf man ohnehin nicht vergessen, dass Brunner eigentlich noch A-Jugendspieler ist. Sein erstes offizielles Seniorenjahr steht erst in der nächsten Saison an. Und egal, ob er dann in Monaco spielt oder noch einmal verliehen wird, will Brunner sicherlich alles daran setzen, das Gefühl von damals wieder aufleben zu lassen. Das aus dem Dezember 2023, als ihm alle Türen offen zu stehen schienen. Es ist ja auch noch gar nicht so lange her.

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