Die öffentliche Kritik an Klinsmann und der Streit um die Methoden des Reformers fanden im März 2006 rund um die Testspielniederlage gegen den späteren Weltmeister einen letzten, heftigen Höhepunkt, doch begonnen hatte sie bereits bald nach Klinsmanns Einstellung im Sommer 2004.
Nach der komplett missratenen EM 2004 in Portugal und dem Rücktritt von Bundestrainer Rudi Völler hatte eine illustre Trainerfindungskommission um Franz Beckenbauer nach der Absage von Ottmar Hitzfeld wochenlang keinen Trainer finden können. Stattdessen wirkten die Kommissionäre vorwiegend damit beschäftigt, teils sich selbst ins Spiel gebrachte Kandidaten wie Kameruns Nationaltrainer Winfried Schäfer oder Ungarns Nationalcoach Lothar Matthäus zurechtzuweisen.
Jürgen Klinsmann hatte zwischenzeitlich zwar in einem Interview in derSüddeutschen Zeitungaus dem fernen Kalifornien bekundet, man müsste "im Prinzip den ganzen Laden auseinander nehmen", war aber erst auf die Kandidatenliste des DFB gerutscht, als der ehemalige Bundestrainer Berti Vogts dem früheren Bundestrainer und diensthabenden WM-OK-Boss und Lichtgestalt Franz Beckenbauer den Tipp gab, dass der Jürgen schon auch Bundestrainer machen würde, wenn er gefragt werden würde.
Man flog nach New York und fragte. Mehr als einen Monat nach Völlers Rücktritt hatte die DFB-Elf dann wieder einen Bundestrainer, der sogar den WM-Titel als Ziel auslobte. Die DFB-Elf hatte also einen Bundestrainer, ein Ziel - und außerdem einen Co-Trainer Joachim Löw für die Taktik, einen amerikanischen Fitnesstrainer mit Gummibändern für die Muskel- und zur Koordinationsschulung, einen Chefscout aus der Schweiz für Datenbanken, Gegneranalysen und Matchpläne, einen Sportpsychologen fürs Mentale, einen Oliver Bierhoff für die Marke und bald auch einen Michael Ballack und damit einen Feldspieler statt einen Oliver Kahn und damit einen Titan als Kapitän. Klinsmann hielt Wort, er nahm den Laden auseinander und führte Fußball-Deutschland innerhalb weniger Wochen vielleicht nicht unbedingt aus dem Mittelalter, aber auf jeden Fall in die 2000er.
So sehr vor allem die Sache mit dem Gummi-Twist kritisch beäugt wurde ("Als das Gummiband-Training im Fernsehen kam, habe ich mich gefragt, ob wir den 1. April haben", sagte etwa Hermann Gerland, heute Trainer der U21-Nationalmannschaft) - Klinsmanns junge Nationalmannschaft spielte vom ersten Spiel an rasant nach vorne und traf in der Regel das gegnerische Tor öfter als der Gegner den eigenen Kasten. Das 2:3 nach großem Kampf im Halbfinale des Confed Cups 2005 gegen den amtierenden Weltmeister Brasilien war erst die zweite Niederlage im 15. Spiel für Klinsmanns Spieler. "Wir sind in einem Jahr enorm gewachsen", befand der Bundestrainer nach dem dritten Platz im Turnier, ehe er sich auf dem Heimweg nach Kalifornien machte. Der sportlichen Analyse des Trainers mochte da niemand widersprechen.
Mario Basler, damals noch recht neu im Expertengeschäft, rang sich sogar ein ordentlich vergiftetes Lob ab: "Er hat viele Dinge verändert und hat damit eine positive Stimmung erzeugt". Allerdings: "Das Einzige, was neu war, war ein Schweizer Scout und amerikanische Fitnesstrainer. Das Deuserband gibt es schon 144 Jahre, damit habe ich in der A-Jugend schon trainiert."