Die Nominierung für den finalen Kader zur U21-Europameisterschaft ist die Krönung einer starken Spielzeit von Caspar Jander vom 1. FC Nürnberg. Nachdem er im Vorjahr noch mit dem MVS Duisburg in die vierte Liga abgestiegen war, entwickelte er sich in der 2. Liga beim Club zum Schlüsselspieler. In Nürnberg müssen sie nun den Abgang des Talents fürchten, das die halbe Bundesliga jagt und laut Christoph Kramer schon bald in der A-Nationalmannschaft spielen wird.
imagoChristoph Kramer sieht in ihm einen angehenden Nationalspieler: Warum Deutschlands Spitzenklubs hinter einem Nürnberger her sind
Getty Images SportCaspar Jander: Vom Pokalsieger begehrt
"Es gibt Menschen, die an dem Spieler interessiert sind. Ich wäre es auch." Joti Chatzialexiou, Sportvorstand in Nürnberg, gab sich zuletzt betont lässig, wenn es um einen seiner besten Spieler ging. Beim FCN blickt man zufrieden auf die abgelaufene Saison zurück. In der ersten Spielzeit unter Miroslav Klose strotzte der Kader beim "Glubb" nur so vor jungen Talenten. Doch Stefanos Tzimas, der im Sturm kaum zu stoppen war, wird in der kommenden Saison nicht mehr für die Franken auflaufen. Finn Jeltsch gab der Verein zum Ende der Transferphase im Winter schweren Herzens nach Stuttgart ab.
Und nun droht auch der Abgang eines weiteren Youngsters: Caspar Jander. Der 22-Jährige weckt die Begehrlichkeiten mehrerer Teams aus dem deutschen Fußball-Oberhaus. Der VfB Stuttgart soll interessiert sein, Bayer Leverkusen habe ihn ebenfalls angeblich auf dem Zettel. Auch im Ausland hat sich der Mittelfeldmann längst einen Namen gemacht. Bei RB Salzburg soll er hoch im Kurs stehen und Club Brügge sowie RSC Anderlecht sollen die Fühler bereits ausgestreckt haben. Kein Wunder für Chatzialexiou, der die Saison von Jander als "sensationell und outstanding" beschreibt, dass sein Schützling ein gefragter Mann ist.
Getty Images SportCaspar Jander: 2. Bundesliga statt Regionalliga
Nürnberg selbst hatte Jander vor der Verpflichtung schon länger auf dem Zettel: "Wir verfolgen Caspar wirklich schon eine ganze Weile und haben mehrere Anläufe unternommen. Jetzt sind wir einfach nur glücklich, dass er sich für uns entschieden hat. Wir sehen großes Potenzial in ihm und sind überzeugt davon, dass er seine positive Entwicklung bei uns fortsetzt", äußerte sich Nürnbergs damaliger Sportdirektor Olaf Rebbe über den Transfer, den er bereits im Januar 2024 eingetütet hatte. Ablösefrei verließ Jander den MSV Duisburg dann jedoch erst im Sommer Richtung Frankenland.
Der Mittelfeldallrounder hatte sich nach vorherigen Jugendstationen bei Preußen Münster, dem BVB und Schalke 04 in der A-Jugend der "Zebras" für die Profimannschaft empfohlen und sich seit seinem Debüt 2022 schnell festgespielt. In den ersten 14 Spielen der Saison 2023/24 stand er über die volle Distanz auf dem Feld und war einer der wenigen Lichtblicke. Nachdem er im Winter einzelne Partien verpasst hatte, musste er ab Mitte Februar den Rest der Saison aufgrund einer Knieverletzung zuschauen - und mitansehen, wie seine Mannschaft in die Viertklassigkeit abstieg.
"Gucke nur wegen ihm Nürnberg": Weltmeister schwärmt
In Nürnberg angekommen war Jander dann fit und ohne Anpassungsprobleme. Nur zwei Partien in der 2. Bundesliga verpasste der 1,83-Meter-Mann aufgrund von Sperren und stand bei all seinen Einsätzen in der Startelf. Anfang 2025 startete Nürnberg brandheiß in die Rückrunde und gewann vier der ersten fünf Partien. Nachdem er beim 2:0-Sieg gegen Ulm sein Team per Traumtor in Führung geschossen hatte, konnte Christoph Kramer im Anschluss beim Podcast Copa TS gar nicht mehr mit der Schwärmerei aufhören: "Am Sonntag hatte ich eigentlich Konferenz geguckt, aber die zweite Halbzeit nur wegen ihm Nürnberg, weil ich ihn so gut finde."
In seiner Debütsaison in Liga 2 sammelte Jander insgesamt zwölf Scorer. Dreimal knipste er selbst, neun Treffer legte er auf. Nicht schlecht für einen Spieler, der überwiegend im defensiven und zentralen Mittelfeld aufläuft. Einmal ließ ihn Klose im offensiven Mittelfeld ran und Jander knipste direkt. Dass er stets für ein Tor des Monats gut ist, bewies er neben seinem Treffer gegen Ulm dabei ein weiteres Mal gegen seinen Ex-Klub aus seiner Heimat Münster: Gegen die Preußen beschloss der Mittelfeldmotor nach einer kurzen Ecke, seinen Gegenspieler kurz einzudrehen, an der Grundlinie entlang zu marschieren und die Kugel aus kurzer Distanz und spitzem Winkel mit voller Wucht in den Winkel zu hämmern.
Seine Technik beweist der Rechtsfuß jedoch vor allem im Passspiel: 91 Prozent seiner Pässe landen beim Mitspieler. Sein sicheres Kurzpasspiel sorgt dafür, dass er im Aufbau kaum zu pressen ist und im Offensivdrang regelmäßig perfekt getimte Steckbälle spielt. Dabei ist er nicht nur am Fuß sicher unterwegs, sondern auch im Kopf bereits erstligareif: "Das ist ein Spieler, der so viel verbindet. Er hat noch dieses Spielverständnis, wo der Ball hinmuss", konnte Kramer mit den Lobliedern gar nicht mehr aufhören. Das Lob kann Kramer jedoch direkt an seinen Weltmeisterkollegen Klose weitergeben. Der sagt Jander immer, "dass man im Zentrum viel mit Kopf spielen soll".
Getty Images"Viel Vertrauen": Jander unter Klose gesetzt
Dabei musste der Weltmeister eingestehen, dass er Jander noch gar nicht allzu lange beobachtet hatte: "Ich habe ihn jetzt zwei- oder dreimal über 90 Minuten gesehen." Doch auch in dieser kleinen Stichprobe und kurzen Zeit bekommt jeder Fußballfan - ob Weltmeister oder nicht - stets eine ausreichende Kostprobe seiner Fähigkeiten, die sich nicht allein auf das Spiel mit dem Ball am Fuß beschränken.
Denn der 22-Jährige, der eigentlich als Achter eingeplant war, wechselte nach dem Saisonstart etwas tiefer auf die Sechs und so filigran sein Spiel häufig ausschaut, so räumt er vor der Abwehr defensiv gewaltig ab. Eine Gelbsperre und eine Gelb-Rote-Karte beweisen, dass Jander auch richtig zulangen kann. Doch die meisten Zweikämpfe führt er fair und erfolgreich. Aus mehr als der Hälfte seiner Duelle ging Jander als Sieger hervor - und er geht verdammt häufig in den Defensivzweikampf. Häufiger als alle anderen Spieler der Liga.
Dabei hat er hier noch längst nicht sein Maximum erreicht. Nach der Partie äußerte auch sein Trainer vorsichtige Kritik und attestierte Jander, dass er mehrfach im Zweikampf zu einfach "abgekocht" wurde. Alles kein Grund zur Sorge, denn: "Das sind Dinge, an denen wir arbeiten." Jander, der auf dem Platz arbeitet wie kaum ein anderer und die zweitmeisten Kilometer der 2. Bundesliga abgespult hat und regelmäßig mit großem Abstand laufstärkster Nürnberger war, weiß die Arbeit seines Coaches dabei zu schätzen: "Ich bin sehr dankbar, dass er mir so viel Vertrauen schenkt."
imago"Habe da Vertrag": Bleibt das Top-Talent beim FCN?
Dabei ist Klose längst nicht der Einzige, der Jander vertraut. Sechs Einsätze bekam er in der U20 des DFB, bevor er im März dieses Jahres beim Testspiel gegen die Slowakei sein Debüt für die U21 feierte. Zur Halbzeit wurde er von Trainer Antonio Di Salvo eingewechselt. In den 45 Minuten hatte er keinerlei Anpassungsschwierigkeiten. Mehr als 90 Prozent seiner Pässe brachte er zum Mitspieler und gewann mehr als 80 Prozent seiner Zweikämpfe. Ein gelungenes Debüt, doch in der zweiten Partie der Länderspielpause gegen Spanien kam der Mittelfeldmann nicht zum Einsatz.
Dennoch ist der Nationaltrainer vom Nürnberger überzeugt und berief ihn in den finalen Kader für die Europameisterschaft in der Slowakei. Einer der immer gewusst hat, dass er es schaffen würde, war Miro Klose. Der FCN-Coach tauschte sich Ende 2024 mit Di Salvo noch über Jander aus, der damals nicht berufen wurde. Doch Klose prognostizierte: "Wir haben über den Sommer gesprochen. Da stehen viele Spiele an und sie brauchen viele Spieler. Da geht die Tür irgendwann auf, da bin ich mir sicher."
Er sollte recht behalten, doch mit weiteren guten Leistungen geht auch die Tür für einen Wechsel von Jander weiter auf. Im Mediengespräch am Rande des U21-Trainingscamps gab sich der Spieler selbst bezüglich seiner Zukunft gelassen: "Also offen gesagt, versuche ich mich mit diesem Thema generell nicht so zu beschäftigen. Im Fußball geht das ja immer schnell. Ich bin bei Nürnberg, habe da Vertrag und darauf konzentriere ich mich auch erstmal."
imagoBraucht "bisschen Wechsel-Glück": Wie geht es in der Karriere weiter?
Der Vertrag in Nürnberg läuft noch bis 2028. Doch in Franken ist man sich des Interesses am Youngster bewusst und hat klare Vorstellungen, was es braucht, um ihn nach nur einer Spielzeit beim FCN schon wieder loszueisen. Nürnberg selbst soll zwischenzeitlich angeblich eine Ablöse von 20 Millionen Euro gefordert haben. Das Beraterumfeld des Spielers schätzt den Marktwert etwa halb so hoch ein. Eine Ausstiegsklausel besitzt der 22-Jährige nicht.
Fest steht jedoch für die Spielerseite laut Janders Berater: "Das Ziel und der Traum ist die 1. Liga. Wenn sich im Sommer die Chance ergibt, werden wir uns damit auseinandersetzen", sagte Oliver Seibert Sky. Dass noch weitere Interessenten während der EM hinzukommen, ist jedoch alles andere als sicher. Auf seiner Position im zentralen Mittelfeld gelten Kapitän Eric Martel und Rocco Reitz als gesetzt.
In Nürnberg wird man vermutlich froh sein, wenn sich Jander nicht noch weiter ins Scheinwerferlicht spielen kann. Zugleich betonte jedoch Chatzialexiou auch, dass der Club ab einer gewissen Summe schwach werden würde: "Wenn dieser Punkt erreicht ist, dann machen wir das und dann höre ich mir das an."
Jander stört der öffentliche Rummel anscheinend nicht. Am Donnerstag traf die U21 unter Ausschluss der Öffentlichkeit in einem Testspiel auf Finnland und verlor die Partie mit 1:2. Das Tor für das DFB-Team erzielte Caspar Jander, für den die Junioren-EM laut Christoph Kramer unabhängig von seinen Einsatzzeiten sowieso nur ein Zwischenschritt sein wird. Der 34-Jährige verkündete nach seinem "FCN-Scouting": "Ich bin Fan. Ich bin mir sicher, dass ich heute einen neuen Nationalspieler gesehen habe."
Der ehemalige Gladbacher weiß jedoch auch: "Zu einer Fußball-Karriere gehört viel, auch ein bisschen Wechsel-Glück."

