"Besessen davon, wie ich trainiere": Ipswich Towns Trainer Kieran McKenna ist die Definition eines Arbeitstiers

"Ich liebe Kieran McKenna und Michael Carrick über alles. Sie sind Top-Trainer und werden das auch beweisen", sagte der frühere Manchester-United-Coach Ole Gunnar Solskjaer 2023 im Interview mit The Athletic. Von 2018 bis 2021 war McKenna unter dem Norweger Co-Trainer gewesen.

Und er hat bewiesen, dass Solskjaer recht hatte: McKenna führte Ipswich Town nach 22 Jahren zurück in die Premier League. Dabei hatte der 37-Jährige weder ein ein großes Budget noch eine Top-Mannschaft zur Verfügung.

Als er Ipswich übernahm, befand sich das Team in seiner dritten Saison in der League One, der drittklassigen englischen Fußballliga, und war in der Tabelle näher an der Abstiegszone als an den Aufstiegs-Playoffs dran.

In seiner ersten kompletten Saison sicherte sich McKennas Team den direkten Aufstieg in die Championship. Nachdem seine Mannschaft am vergangenen Wochenende Huddersfield Town mit 2:0 besiegt hatte, ging es als Zweiter mit 96 Punkten noch eine Liga höher - in die Premier League. McKenna war er erst der fünfte Trainer, der ein Team mit zwei Aufstiegen in Folge direkt aus der dritten Liga nach ganz oben führte.

Nicht schlecht für jemanden, der gerade seinen ersten Job als Cheftrainer eines Profiteams hat. Einst musste McKenna bei Tottenham Hotspur seinen Traum, Profifußballer zu werden, aufgrund von Verletzungen aufgeben - und begann stattdessen ein Studium der Sportwissenschaften.

Weniger als drei Jahre nach seinem Abschied von United, dem Verein, den er schon als Kind in Nordirland unterstützte, wird McKenna in der nächsten Saison ins Old Trafford zurückkehren und dort auf der Bank der United-Gegner Platz nehmen. Man sollte aber nicht ausschließen, dass er eines Tages die Bank wechselt und bei den Red Devils das Sagen hat, wenn es für ihn weiter so steil nach oben geht wie bisher.

  • Kieran McKenna IpswichGetty

    Ipswich Town: Aufstieg im Kampf mit ganz großen Klubs

    Ipswich Town ist ein Traditionsverein, der 1962 unter dem späteren englischen Weltmeister Sir Alf Ramsay den Titel in der First Division holte. Unter Sir Bobby Robson erlebte der Verein dann eine weitere goldene Ära: 1978 gewann er den FA-Cup, wurde in den folgenden beiden Jahren Vizemeister und holte 1981 den UEFA-Cup - der einzige Titel des Klubs im Europapokal.

    Doch seit dem Abstieg aus der Premier League im Jahr 2002, als ein umstrittener Elfmeter von Manchester Uniteds Ruud van Nistelrooy für die Entscheidung sorgte, ging es mit dem Verein bergab. Im April 2019 stieg Ipswich in die League One ab. Als McKenna den Job übernahm, war er bereits der vierte Trainer in nur dreieinhalb Jahren.

    Nachdem die vier Jahre in der League One mit dem Aufstieg zu Ende gegangen waren, sah kaum jemand Ipswich als Premier-League-Kandidaten. Tatsächlich kämpften die Mitaufsteiger Plymouth Argyle und Sheffield Wednesday die ganze Saison lang gegen die Rückkehr in die League One.

    Doch die Mannschaft von McKenna beendete die Saison vor zwei Unterhaus-Giganten, Leeds und Southampton, die zusätzlich zu dem Geld, das sie in vielen Jahren in der EPL angesammelt hatten, auch noch Zahlungen von der Premier League erhielten, die ihren Absturz abfedern sollten.

    Auch der Erzrivale Norwich City und auch West Bromwich Albion waren vor kurzem noch in der Premier League mit dabei. Aber auch sie konnten nicht mit McKennas Ipswich mithalten, das in dieser Saison die meisten Tore der Liga schoss.

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  • Kieran McKenna Man UtdGetty

    Kieran McKenna trainierte einst Harry Kane

    McKenna verließ seine nordirische Heimat im Alter von 16 Jahren und wechselte in Tottenhams Jugendakademie. Doch eine hartnäckige Hüftverletzung beendete seine Hoffnungen auf eine Profi-Karriere und zwang ihn im Alter von 22 Jahren zum Karriereende. Anschließend studierte er Sportwissenschaften an der renommierten Loughborough University, arbeitete aber weiterhin als Jugendtrainer bei den Spurs.

    Sein erstes Team dort war besonders talentiert, denn Ryan Mason, Andros Townsend und ein Stürmer namens Harry Kane gehörten dazu. 2016 verließ er die Spurs, um in der United-Akademie zu arbeiten und dort die U18 zu trainieren.

    Er stieg dort schnell auf und wurde zwei Jahre später von José Mourinho als Nachfolger seines langjährigen, treuen Assistenten Rui Faria ausgewählt. Er arbeitete weniger als vier Monate mit dem Portugiesen zusammen, doch dessen Nachfolger Solskjaer übernahm McKenna und auch Michael Carrick.

    "Kieran war eine Überraschung für mich, als ich zu United kam. Michael kannte ich bereits. Wir waren von Sir Alex trainiert worden, von der alten Schule. Kieran nicht", sagte der Ex-United-Trainer The Athletic. "Er ist der gründlichste und analytischste Trainer, der Schritt für Schritt und prozessorientiert vorgeht, mit dem ich je gearbeitet habe. Er macht es den Spielern so einfach, zu verstehen, was wir von ihnen wollen. Das hat er immer am Tag vor einem Spiel getan. Und auch sein Gedächtnis war fantastisch, ebenso wie sein Blick fürs Detail."

  • Kieran McKenna IpswichGetty

    Ipswich Town: Neun Spiele ohne Gegentor

    McKenna ist mitverantwortlich für die unglaubliche Serie von United, die in der Saison 2020/21 kein einziges Auswärtsspiel in der Premier League verloren haben.

    Bei United konzentrierte sich McKenna auf die Arbeit gegen den Ball, während sich Carrick um die Phasen mit Ball kümmerte.

    Auch seine Ipswich-Mannschaft erarbeitete sich in seiner ersten Saison einen Ruf für ihre hervorragende Defensive. Sie stellte einen Vereinsrekord von neun Spielen in Serie ohne Gegentreffer auf. In der Championship hingegen war die Defensive nicht immer sattelfest, in 46 Spielen kassierte man 57 Gegentore - ordentlich, aber nicht unbedingt gut. Dank der starken Offensive wurde das jedoch mit 92 eigenen Treffern wettgemacht.

  • Ipswich Town 2023-24Getty

    Ipswich Town: Tor des Jahres in der Championship

    McKenna bevorzugte in der League One eine Dreierkette, während er in der Championship zu einer Viererkette zurückgekehrt ist. Eine Konstante ist jedoch die doppelte Besetzung im zentralen Mittelfeld, die es seiner Mannschaft ermöglicht, das Spiel zu diktieren und zu kontrollieren.

    "Meine Prinzipien sind sehr, sehr wichtig. Ich glaube nicht, dass ich jemals von ihnen abrücken werde“, sagte McKenna im Interview mit dem Telegraph. "Ich glaube an eine bestimmte Art Fußball. Es geht nicht nur darum, von hinten heraus zu spielen oder hoch zu pressen. Ich möchte, dass meine Mannschaft in allen Bereichen hervorragend ist."

    Der Nordire führte aus: "Wir nehmen uns viel Zeit für die Details, die vielleicht winzig erscheinen, uns aber im Laufe der Zeit zu einer viel besseren Mannschaft machen. Ich bleibe meinen Prinzipien treu. Ich werde immer wollen, dass meine Mannschaft proaktiv ist und versucht, Spiele zu dominieren."

    Ipswich war in dieser Saison eine der unterhaltsamsten Mannschaften in der Championship. Eines ihrer Tore gegen Coventry (2:1) im Dezember ging sogar viral. Es war ein Spielzug mit acht Pässen, an dem Torhüter Vaclav Hladky und sieben Feldspieler beteiligt waren - und der damit endete, dass Wes Burns den Ball mit dem Außenrist in den Winkel schoss. Dieser Treffer wurde letztlich zum Tor der Saison gewählt.

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    Kieran McKenna: "Besessen davon, wie ich trainierte"

    McKenna hat seine Arbeitsmoral von seinen Eltern übernommen, die ein Hotel in Nordirland betreiben.

    Er erinnerte sich im Telegraph: "Mein Arbeitstempo war immer sehr hoch. Darin bin ich herausragend. Ich hatte eine leidenschaftliche Liebe zum Fußball. Ich liebte ihn, wirklich. Ich liebe es, jeden Tag zu trainieren. Manche tun das nicht, ich habe es geliebt. Ich habe hart gearbeitet, war wahrscheinlich ziemlich neugierig auf die Mannschaft und warum wir bestimmte Dinge taten, taktische Dinge, und war ein guter Teamkollege."

    Der 37-Jährige erklärte außerdem: "Ich arbeite die ganze Zeit. Es wäre eine Lüge, etwas anderes zu behaupten, das ist halt meine Persönlichkeit. Wenn ich der Physio des Vereins wäre, würde es genauso sein. Wenn ich irgendeinen Job hätte, wäre ich auch so. Schon als Teenager war ich besessen davon, wie ich trainiere und hart an allem arbeitete. Das liegt in meiner Natur. Meine Eltern waren genauso, mein Großvater war auch so.“

    Er hat versucht, seinen Spielern dieselben Werte zu vermitteln und sie zu ermutigen, ständig über ihr Spiel nachzudenken. So läuft beispielsweise die Sendung Sky Sports News in der Vereinskantine nicht mehr - sondern stattdessen Trainingsvideos, um die Spieler zu Höchstleistungen anzuspornen.

    Er hat mit einer Art auch bei seinem Team den Appetit auf Coaching geweckt. Zehn Spieler seiner Mannschaft machen gerade ihren UEFA-Trainerschein. Und er schreibt sorgfältig die wichtigsten Dinge auf, die er im Laufe seiner Karriere gelernt hat. "Ich habe Dokumente, die sich im Laufe der Jahre entwickelt haben. Man macht sich Notizen zu den Trainern, mit denen man arbeitet, und was man sieht. Man dokumentiert seine Trainingseinheiten, Schulungen und Meetings. Ich habe ziemlich große Datenbanken und habe alle meine Trainingseinheiten aus meiner Zeit als Jugendtrainer bei Tottenham. Ich habe eine Sammlung von Übungen, auf die ich zurückgreifen kann."

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    Kieran McKenna: Eines Tages Rückkehr zu Man United?

    Die entscheidende Frage ist, ob McKenna auf seine bemerkenswerten bisherigen Erfolge aufbauen und später einen Spitzenjob bei einem Top-Klub bekommen kann. Und es gibt da einen Verein, den er sehr gut kennt und der sehr bald einen neuen Trainer suchen könnte.

    Erik ten Hag scheint sich in den letzten Wochen seiner Amtszeit bei Manchester United zu befinden. McKennas Arbeit beeindruckt mit Sicherheit auch Uniteds neue Mitbesitzer INEOS, die junge, analytische Trainer wie den Italiener Francesco Farioli von Nizza oder auch Graham Potter bevorzugen.

    McKenna weiß bereits, wie hart es ist, bei United zu arbeiten, und die Anforderungen dort haben ihn nach seiner Aussage zu einem viel besseren Trainer gemacht. "Als ich bei Man United war, stand ich unter enormem Druck", sagte er dem Telegraph.

    "Jede Niederlage ist eine Katastrophe, die Erwartungen sind sehr hoch, man steht immer im Mittelpunkt. Das schult die Widerstandsfähigkeit, die Fähigkeit, alles auszublenden, sich auf die wichtigen Dinge zu konzentrieren und das zu kontrollieren, was man kontrollieren kann, und sich nicht um die anderen Dinge zu kümmern. Das ist für einen Trainer in einem Verein sehr wichtig. Es hat mir sehr geholfen."

    Der 37-Jährige fuhr fort: "Unter einem legendären Trainer wie José zu arbeiten, war eine großartige Erfahrung und ein gesunder Druck, weil man gut abschneiden will. Man will sich den Respekt des Trainers und der Spieler verdienen und sicherstellen, dass die Trainingseinheiten, die man durchführt, 'auf den Punkt' sind. Ich hatte das Gefühl, dass mir das bei jedem Trainer, mit dem ich dort gearbeitet habe, gelungen ist. Eines der wichtigsten Dinge ist wahrscheinlich die Erkenntnis, dass sich die Spieler nicht so sehr unterscheiden, egal auf welcher Ebene man spielt."

    Es mag für McKenna zu früh erscheinen, im Old Trafford ins kalte Wasser geworfen zu werden, denn dort sind auch so erfahrene Trainer wie Mourinho, Louis van Gaal und Ten Hag mit dem Druck nicht gut zurechtgekommen. Aber vielleicht könnte United die frischen Ideen und die Energie eines aufstrebenden Trainers auch gut gebrauchen. Erfahrung als Cheftrainer hat McKenna auf dem Top-Niveau der Premier League allerdings nicht.

    Nachdem McKenna die hart gearbeitet hat, um Ipswich zurück in die erste Liga zu führen, wird er zweifellos darauf bedacht sein, das alles dort auch zu Ende zu bringen und zu versuchen, das Team in der Premier League zu halten. Er hat bewiesen, dass er ein Trainer ist, den man im Blick haben sollte. Auch sein Ex-Verein Manchester United sollte genau das tun.