Es waren 80 Minuten gespielt, als Kane mit schmerzverzerrtem Gesicht auf dem Boden saß. Der Engländer musste nach einem harten Treffer von Eintracht-Keeper Kaua Santos am Knöchel behandelt werden, humpelte zunächst vom Spielfeld und biss dann nochmal auf die Zähne. Kurz darauf sah sich Kompany aber zum Handeln gezwungen und brachte Nicolas Jackson. Die Leihgabe des FC Chelsea gilt zwar offiziell als Offensiv-Allrounder. Für die Verpflichtung sprach aber vor allem, dass er den in der Vorsaison vermissten Kane-Backup geben kann.
Immerhin gab Kane nach Abpfiff Entwarnung und meldete sich auch für die anstehenden Länderspiele der englische Nationalmannschaft fit. Dennoch war es höchst fragwürdig, dass Kompany jeglicher Verletzungsgefahr nicht schon vorher vorgebeugt hatte. Schließlich war die Messe gegen ein Frankfurt, das sich spätestens nach der Pause spürbar aufgegeben hatte, längst gelesen. Die Hessen kamen mit der Ausnahme eines Distanzschusses nach dem Seitenwechsel nicht mehr gefährlich vor das Münchner Tor, während die Bayern beim Stand von 2:0 längst auf Verwaltungsmodus umgeschaltet hatten.
Obwohl die Bayern mit zehn Siegen aus den ersten zehn Saisonspielen auf vereinsinterner sowie europäischer Ebene historisch gut gestartet sind und mit 25 Toren in sechs Partien auch noch Bundesliga-Geschichte schrieben, ist Kane schlichtweg unverzichtbar. Ein (langfristiger) Ausfall wäre ohne jegliche Übertreibung eine Hiobsbotschaft - und dieser Gefahr sollte sich Kompany bewusst sein, auch wenn dem Rekordjäger frühe Auswechslungen nicht sonderlich gefallen dürften.
Durch sein elftes Saisontor zum zwischenzeitlichen 2:0 trug sich Kane abermals in die Geschichtsbücher des deutschen Oberhauses ein. Hinzu kommen sechs Treffer in den Pokalwettbewerben und drei Assists. Kane ist in Bayerns aktueller Spielweise mit Serge Gnabry hinter ihm deutlich mehr als ein Strafraumstürmer, auch gibt er in manchen Situationen den Spielmacher aus dem Halbfeld.
Dass Kompany die Belastungssteuerung in dieser Saison eigentlich wie kaum ein anderer Trainer in Europa beherrscht, stellt er seit Wochen unter Beweis. Zuletzt lief die Rotationsmaschine unter dem Belgier auf Hochtouren. Nur Kane und Luis Diaz standen bislang in jedem Pflichtspiel in der Startelf, was sich beide freilich verdienen. Während beispielsweise Gnabry oder Lennart Karl auf dem linken Flügel einspringen könnten, stellt Jackson aber noch keine ernsthafte Alternative zu Kane dar.
Nur unter der Woche beim 5:1 gegen Pafos, den schwachen Champions-League-Vertreter aus Zypern, präsentierte Jackson erstmals seinen Torriecher. Vom "besten Harry Kane, den es jemals gegeben hat" (Christoph Freund nach Spielende in der Sendung "Sky90"; Anm. d. Red.), ist er allerdings noch meilenweit entfernt. Umso mehr ist dessen Gesundheit von Bedeutung, die an solchen Tagen wie in Frankfurt nicht aufs Spiel gesetzt werden sollte.