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Auch sein Trainer kann manchmal nur mit dem Kopf schütteln: Emiliano Martinez ist der größte Provokateur der Welt

Emiliano Martinez ist laut der Jury von France Football seit zwei Jahren der beste Torhüter der Welt. Der argentinische Weltmeister erhielt schließlich zweimal die Yashin-Trophäe als bester Keeper dieses Planeten. Eine Einschränkung ist dem jedoch hinzuzufügen: Der beste Torwart, der nicht verletzt war. Denn Thibaut Courtois, Alisson Becker, Manuel Neuer und Marc-André ter Stegen hätten im Normalfall jeweils ein Wörtchen mitzureden gehabt.

Einer der besten der Welt ist Martinez trotzdem, wenn wir über das Sportliche reden. Argentiniens Nummer eins spielte eine Schlüsselrolle beim Triumph seines Landes bei der Weltmeisterschaft 2022 und bei den beiden Copa-America-Erfolgen 2021 und 2024, bei denen er insgesamt zwölfmal ohne Gegentor blieb.

So ganz ist er von seinem Erfolg aber selbst nicht überzeugt. "Fühle ich mich wie der beste Torhüter der Welt? Nun, ein bisschen, ja, lassen Sie mich das genießen", sagte Martinez zu DSports, nachdem er bei der Verleihung des Ballon d'Or 2024 zum zweiten Mal in Folge die Auszeichnung erhalten hatte.

Dabei begann seine Geschichte als Stammtorhüter erst sehr spät, als er 2020 mit dem FC Arsenal als Ersatz von Bernd Leno den FA Cup holte. Danach ging es zu Aston Villa, mit dem er aktuell im Viertelfinale der Champions League steht. Die Geschichte des 32-Jährigen könnte aber auch schon bald wieder zu Ende erzählt sein - bei einem erneuten WM-Titel, 2026 in den USA, will er seine Karriere beenden.

Für seine starken Leistungen auf der Linie wird man ihn dann weniger in Erinnerung behalten als für seine ungezogenen Sperenzchen. Er ist der ultimative Witzbold und Troll - ein Mensch, der sich weniger für sich selbst freut, als sich über den Schmerz der Verlierer zu amüsieren.

  • Martinez provoziert gegen Brasilien - selbst eigener Trainer ist verärgert

    Martinez sorgte in diesen Tagen erneut für (Negativ-)Schlagzeilen, als er beim 4:1-Sieg Argentiniens in der WM-Qualifikation gegen Brasilien den Gegner mit einer Jonglier-Einlage lächerlich machte. Vorangegangen war eine Kampfansage von Seleção-Star Raphinha: "Wir werden sie schlagen, ohne Zweifel. Auf und neben dem Spielfeld, wenn es sein muss. Sch**ß auf die."

    Der unüberlegte Ausbruch landete später in der WhatsApp-Gruppe der argentinischen Mannschaft und wurde als Motivationsschub genutzt. Die Albiceleste dominierte die erste Halbzeit und ging schon mit einer 3:1-Führung in die Pause.

    Argentinien brachte die Partie professionell über die Ziellinie - mit einer Ausnahme. Martinez' kleines Ego konnte es sich natürlich nicht verkneifen, Brasilien lächerlich zu machen.

    Beim Stand von 4:1 in der 83. Minute jonglierte er den Ball ohne gegnerische Bedrängnis kurzerhand mit den Oberschenkeln in der Luft.

    Trainer Lionel Scaloni, ein Mann mit Klasse, gefiel das natürlich gar nicht. Er lehnte die Aktion mit erhobenem Zeigefinger ab und schüttelte am Spielfeldrand sauer mit dem Kopf.

    "Der Ball ist mir einfach zugespielt worden und ich habe ihn mit meinem Knie hochgehalten", sagte Martinez später zu Reportern. "Das war alles. Die Fans waren begeistert, aber ich weiß, dass Lionel kein Fan von solchen Dingen ist." Wie immer zeigte der 32-Jährige keine Reue - und machte sogar mit einer anderen Aktion weiter.

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  • Raphinhas Provokation als gefundendes Fressen

    Martinez sorgte auch dafür, dass Raphinha noch mehr Salz in die Wunden gestreut wurde. Der argentinische Torhüter rannte nach dem Schlusspfiff absichtlich in den geschlagenen brasilianischen Flügelspieler.

    Raphinha schubste Paredes und musste von Endrick zurückgehalten werden, da die Situation zu eskalieren drohte. All das geschah, während Martinez plötzlich das Unschuldslamm mimte.

    Er zeigte sein wahres Gesicht, als die argentinischen Spieler mit den Fans aus Buenos Aires feierten und tanzten, während sie riefen: "Eine Minute Ruhe ... Pssst! ... Für Raphinha, der ist tot!" Natürlich war es Martinez, der sich diesen Song ausgedacht hatte - schon nach dem WM-Finale 2022 gegen Frankreich hatte man damit Kylian Mbappé beleidigt.

    Martinez ist eigentlich erfolgreich genug, um sich über seine eigenen Leistungen zu freuen. Anstatt dessen beglückt ihn offensichtlich nur die Niederlage der anderen - und Schadenfreude.

    "Raphinha sollte gebildeter sein", fügte Martinez im Interview nach dem Spiel hinzu. "Mir wurde immer gesagt: Sprich nach den Spielen, nicht vorher."

    Die Heuchelei dieser Aussage ist atemberaubend, obwohl es schwer zu sagen ist, ob Martinez es ernst meint. An Karma glaubt dieser Mann offensichtlich nicht.

  • Emi Martinez Copa America trophy celebrationGetty

    Martinez verspricht Besserung - und steht sich selbst im Weg

    Martinez ist es egal, wen er verärgert oder beleidigt. Ihm fehlt schlicht und einfach die Aufmerksamkeit. Diese will er um jeden Preis - obwohl sie meistens negativ ist.

    Auch im Moment seines größten Erfolges konnte sich der Argentinier bekanntermaßen nicht benehmen. Er gewann die WM nicht nur, sondern war mit einer Parade gegen Randal Kolo Muani in letzter Minute auch noch hauptverantwortlich dafür - und gewann den Goldenen Handschuh. Die wunderschöne Trophäe hielt er sich dann jedoch in den Schritt. Auch bei der Copa America tat er das.

    Die FIFA bestrafte Martinez für seine Eskapaden nach dem letztjährigen Copa-Finale mit einer Sperre von zwei Spielen, was ihn dazu veranlasste, sich in den sozialen Medien halbherzig zu entschuldigen. "Ich akzeptiere die Sanktion und entschuldige mich, wenn ich jemanden beleidigt habe. Der Moment des Feierns soll viele Kinder zum Lächeln bringen und niemanden verachten", schrieb er auf Instagram. "Es war nie meine Absicht, jemanden zu beleidigen, und ich habe auch nicht verstanden, dass eine Geste, die von den Menschen gut aufgenommen wurde, beleidigend war. Aber ich werde versuchen, niemanden mehr zu beleidigen und mich einfach darauf konzentrieren, mit Argentinien und Aston Villa Titel zu gewinnen."

    Es ist keine Überraschung, dass Martínez dieses Versprechen bereits gebrochen hat. Auch in England kann er sich einfach nicht benehmen. Beim 2:1-Heimsieg von Villa gegen Manchester City im Dezember 2024 forderte Gegner Jack Grealish eine längere Nachspielzeit. Das passte Martinez überhaupt nicht. Er begleitete den Engländer bis in den Tunnel und fragte ihn provokant: "Du denkst, du bist jetzt ein großer Junge, was?" Grealish war ausgeglichen genug, um sich nicht auf diese Spielchen einzulassen. Doch andere Akteure tappen in diese Falle.

  • Manchester United v Aston Villa - Premier LeagueGetty Images Sport

    "Ich schaffe Chaos" - auf Hinweis von Messi

    Das beste Beispiel dafür, wie Martinez sich im Kopf eines Gegners einnisten kann, wurde im September 2021 geliefert, als Villa Manchester United im Old Trafford mit 1:0 besiegte. Kortney Hause erzielte in der 88. Minute den Siegtreffer für die Gäste. Bruno Fernandes hatte danach jedoch noch die Chance, per Elfmeter auszugleichen.

    Fernandes ist normalerweise die Ruhe selbst, aber Martinez schaffte es, ihn aus der Ruhe zu bringen. "Ich sah, wie enttäuscht [Cristiano] Ronaldo war, dass er nicht schießen darf, und ich dachte, dass es Spannungen gibt", gab die Nummer 1 von Villa zu, als er mit Ian Wright und Oriana Sabatini darüber bei Behind The Game sprach. "Ich sagte: 'Komm schon, du schießt jetzt. Er (Ronaldo) will nicht schießen.' Ich sagte zu [Edinson] Cavani: 'Warum schießt Ronaldo nicht?'"

    Martinez lief in seinem Kasten dann von links nach rechts, sprang auf und ab - bis Fernandes verschoss. "Das ist nicht einmal Trash-Talk. Ich schaffe Chaos", fügte er hinzu. "Es war die 92. Minute des Spiels, ich musste ihn irgendwie ablenken. Bruno hatte zuvor 25 Elfmeter getroffen. Ich habe Messi gefragt und er sagte: 'Wenn du dich so viel bewegst, mögen sie das nicht.'"

    Dass Fernandes verschoss, reichte Martinez jedoch noch nicht. Und so feierte er seinen Sieg mit einem Freudentanz und stieß seine Leistengegend in Richtung der United-Fans hinter dem Tor. "Ich habe getanzt, nicht weil ich tanzen wollte. Das habe ich nie geübt. Ich weiß nicht, wie ich das jetzt machen soll, das kam einfach im Moment heraus", kommentierte er.

  • Emi Martinez Aston Villa 2024-25Getty

    Martinez sportlich zwischen Himmel und Hölle

    Abgesehen davon hätte Martinez nicht so lange in der Startelf eines der größten Fußballvereine Englands und des amtierenden Weltmeisters überlebt, wenn er nur darin gut wäre, Leute zu verärgern. Als Torwart ist Martinez absolut großartig.

    Im Finale der Weltmeisterschaft 2022 gelang es ihm irgendwie, Kolo Muani mit einer brillanten Rettungstat in letzter Sekunde daran zu hindern, den Titel zu holen. Im anschließenden Elfmeterschießen parierte er unter anderem den Strafstoß von Kingsley Coman.

    Martinez hielt auch zwei Elfmeter beim Viertelfinalsieg Argentiniens bei der Copa America 2024 gegen Ecuador und bewahrte Messi vor einer Blamage, nachdem der achtfache Ballon d'Or-Gewinner das Elfmeterschießen mit einem überraschenden Fehlschuss eröffnet hatte.

    Auch für Villa war er der Held im Elfmeterschießen, als in der Conference League gegen den OSC Lille gegen Benjamin André parierte - und Villa so ins Halbfinale brachte.

    Und wer könnte Martinez' übermenschliche Reaktionen vergessen, als er bei der 1:2-Niederlage von Aston Villa gegen Nottingham Forest im City Ground einen Kopfball von Nicolas Dominguez wegkratzte, was ihm die Auszeichnung "Save of the Month" der Premier League im Dezember 2024 einbrachte.

    Das Problem ist, dass die Momente des Wahnsinns bei Martinez fast genauso häufig sind wie die brillanten. Aufgrund seiner unberechenbaren Entscheidungen neigt er zu Fehlern und überzeugt weder durch sein Positionsspiel noch durch seine Spielübersicht. Martinez hält auch den unerwünschten Rekord für den Torhüter mit den meisten Eigentoren in der Geschichte der Premier League (3), den er brach, als er während eines 3:3-Unentschieden gegen Liverpool im Villa Park in der vergangenen Saison eine abgefälschte Flanke von Harvey Elliott irgendwie ins eigene Tor beförderte.

  • Martinez-ArgentinaGetty/GOAL

    Cech: "Martinez hatte er zu viel Energie"

    Viele Arsenal-Fans fragten sich 2020, warum man den Top-Keeper für rund 20 Millionen Euro an Aston Villa abgab. Martinez vertrat damals den verletzten Bernd Leno überragend. Zuvor war er auch hinter Petr Cech, Wojciech Szczesny, David Ospina, Lukasz Fabianski und Vito Mannone stets die Nummer 2 und kam in seiner langen Zeit in London auf nur 38 Einsätze.

    "Man konnte seine Fähigkeiten immer erkennen, aber bei Arsenal hatte er zu viel Energie", sagte Cech kürzlich gegenüber Amazon Prime. "Erst als er einen Weg fand, sie in eine Richtung zu lenken, entwickelte er sich wirklich weiter und erreichte die nächste Stufe." Martinez hat seit seinem Abgang definitiv größere Höhen erreicht, aber es ist fraglich, ob er gelernt hat, seine "Energie" zu kanalisieren.

    Martinez wird auf dem Fußballfeld seinen Emotionen wohl weiterhin freien Lauf lassen. Er polarisiert, weil er sportlich großartig (wenn auch nicht der Beste) und menschlich fragwürdig ist. Gerade in Frankreich ist er seit seiner Gesten nach dem WM-Finale nicht willkommen - dabei geht es für Aston Villa im Viertelfinale der Champions League nach Paris. "Meine Mannschaft wird weniger unter Druck stehen, weil ich im Mittelpunkt stehen werde, die Fans werden mich beleidigen", sagte Martinez bei Telefe. Angst habe er allerdings keine: "Ich habe alles unter Kontrolle."

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