Uli Hoeness Max Eberl 2024Imago

Alles begann mit einem Sündenfall auf dem Transfermarkt: Wo ist die Kohle des FC Bayern geblieben?

Natürlich wusste Max Eberl, worauf er sich einließ, als er sein Amt als Sportvorstand beim FC Bayern München antrat. Er kannte den Verein - und Uli Hoeneß - schon als Jugendspieler, Eberl wusste um das gleichzeitig einfachste und dennoch komplizierteste Gefüge in der Chefetage eines Spitzenfußballvereins (Paragraph 1 der Geschäftsordnung: Ohne Uli und Kalle wird nie etwas gehen). Zudem hatte Eberl sehr lange Zeit, sich auf seinen Job beim FC Bayern vorzubereiten, hatte doch Hoeneß mit Unterbrechungen schon beinahe ein Jahrzehnt um ihn geworben. 

Und jetzt soll es kaum mehr als ein Jahr nach Eberls Amtsantritt schon knirschen zwischen ihm und Hoeneß? Und das auch und vor allem wegen Geld? Beziehungsweise wegen unterschiedlicher Ansichten, ob und wie dieses ausgegeben werden soll?

  • Uli Hoeneß Max EberlImago Images

    FC Bayern München verkündet Rekordumsatz - und ist trotzdem klamm?

    Denn es ist ja so: Bayerns Sportkommissare im Aufsichtsrat haben Eberl einen so gut wie unmöglichen Auftrag in sein Jahresziel geschrieben: Eberl soll die Verträge mit den wichtigsten Spielern verlängern (check!), aber gleichzeitig massiv Geld einsparen (ist irgendwie angelaufen). Ach ja, und wenn möglich noch Florian Wirtz verpflichten, dem mit Jamal Musiala derzeit besten und bei einem Transfer wahrscheinlich teuersten deutschen Spieler der Geschichte (Tendenz: Eher schwierig).

    Dass der Aufsichtsrat um Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge, die beide vor nicht all zu langer Zeit noch selbst das erwirtschaftete Geld des Rekordmeisters ausgeben durften, den neuen Ausgebern einen Sparkurs verordnet haben, kommt natürlich nicht von ungefähr.

    Dem Vernehmen nach würde der FCB ohne die garantierten Einnahmen aus der Klub-WM (mindestens 30 Millionen Euro) das laufende Geschäftsjahr mit einem Verlust abschließen. Und Verluste hat der Festgeldkonto-Klub selbst in der ersten Corona-Saison 2019/2020 nicht gemacht! 

    Doch wie konnte es eigentlich so weit kommen? Die Bayern verkünden doch Winter um Winter Rekordzahlen. Hieß es nicht erst im vergangenen Dezember, dass man erstmals die Milliardenmarke beim Umsatz geknackt habe? Dass der Jahresüberschuss des Konzerns bei 43,1 Millionen Euro lag? Und das sogar nach Steuern.

    Und nun soll der FC Bayern "keinen Geldscheißer" (Hoeneß) haben, soll nicht mal genug Geld da sein, um Thomas Müller mit einem weiteren Einjahresvertrag auszustatten, so dass man das Herz, die Seele und die kickende Legende des Vereins gerne zum Partnerklub Los Angeles FC schicken würde?

    Wo also ist es hin, das Geld des FCB? Außer natürlich zum FC Fulham, der im Sommer immerhin 51 Millionen Euro für João Palhinha kassierte.

  • Werbung
  • LUCAS HERNANDEZ BAYERN MÜNCHENGetty Images

    Bayern München in der Ausgabenfalle: Der Sündenfall

    Gutes Geld konnte man als Spieler beim FC Bayern schon immer verdienen, irgendwann sogar sehr gutes und ab 2007 sogar 14,5 Millionen Euro pro Jahr (alle Zahlen übrigens brutto). Zumindest, wenn man Luca Toni hieß und als Weltmeister und torjagender Ohrenschrauber vom Dienst aus Italien an die Isar kam - wo damals ein Klub in der Krise zu Hause war. Das Sommertransferfenster 2007 ist in die Geschichte eingegangen als jenes, in dem der damalige Manager Uli Hoeneß zum ersten Mal bereit war, wirklich verrückte Dinge zu tun. Bayern war in der Vorsaison nur Vierter geworden, war nur für den UEFA-Cup qualifiziert. Um eine Wiederholung dieser Schmach zu verhindern, holte Hoeneß den Zirkus in die Stadt: In jenem Sommer kamen Miroslav Klose, Franck Ribéry, Zé Roberto und Toni und seitdem konnte man als Top-Star in München ähnliche Gehälter verdienen wie in Manchester (damals war noch United das Maß aller Dinge), Madrid oder Mailand.

    Luca Toni Franck Ribery Miroslav Klose OktoberfestGetty

    Der richtige Sündenfall folgte aber erst zwölf Jahre später unter dem damaligen Sportdirektor Hasan Salihamidzic, als Lucas Hernández nach München wechselte. 80 Millionen Euro Ablöse waren schon mehr als eine Ansage, hinzu kamen laut kicker bis zu 24 Millionen Euro an Gehalt. Weniger wegen der Summe an sich, zumal die maximal mögliche Summe auch aufgrund vieler Verletzungen des Spielers nie erreicht wurde, sondern wegen Hernández’ Standing in der Mannschaft.

    Der spanische Franzose war kein Weltstar, kein Harry Kane, kein Thomas Müller, kein Jamal Musiala, er kam nicht von Real Madrid, sondern von Atlético, zudem war er kein Spieler für den Zirkus, sondern ein Grätscher - und dann war er auch noch oft verletzt.

    Klar, dass Spieler wie Joshua Kimmich, Serge Gnabry oder Leon Goretzka, jene damals noch sagenumwobene Klasse von 1995, die den Verein in eine goldene Zukunft führen sollten, nicht weniger verdienen wollten, als bei ihnen Vertragsverlängerungen anstanden. Im Grunde geriet seit 2019 jede Vertragsverlängerung mit einem Schlüsselspieler beim FCB zur teuren Hängepartie, die Gespräche etwa mit David Alaba oder Robert Lewandowski scheiterten.

    Problemlos verliefen in der Regel nur belohnende Vertragsverlängerungen wie etwa mit Eric Maxim Choupo-Moting, der im März 2023 nach 15 Treffern in 24 Saisonspielen mit einem neuen Arbeitspapier samt Gehaltserhöhung bedacht wurde.

  • Salihamidzic verteidigt "Sündenfälle": "Ich will nicht wissen, was losgewesen wäre"

    Auch nicht gerade zur inneren Kaderhygiene trugen die vermeintlichen Weltstars und absoluten Maximalverdiener wie James (2017, 13 Millionen Euro Leihgebühr!), Philippe Coutinho (2019, 8,5 Millionen Euro Leihgebühr) und João Cancelo (2022) bei, die in den Jahren unter Salihamidzic den Münchner Kader ergänzten. 

    Man müsse die teuren Vertragsverlängerungen jener Zeit "fairerweise immer im Zusammenhang mit dem Zeitpunkt sehen, in dem die einzelnen Verträge geschlossen wurden", betonte Salihamidzic in einem aktuellen Interview mit der Sport Bild. Bayern gewann im ersten Corona-Jahr die Champions League, war "die beste Mannschaft Europas mit sechs gewonnenen Titeln in einer Saison".

    Seine und auch die Aufgabe von Kahn sei es gewesen, "die Leistungsträger dieser Erfolgsmannschaft langfristig zu binden. Auch wenn es am Ende viel Geld war, die Spieler waren im besten Fußball-Alter - ob Kingsley Coman, Leon Goretzka Serge Gnabry, sie alle hatten Angebote von europäischen Spitzenklubs", sagte er weiter: "Ich möchte nicht wissen, was los gewesen wäre, wenn wir einen von ihnen ablösefrei hätten ziehen lassen müssen."

  • Kahn, SalihamidzicGetty Images

    Die explodierenden Kader- und Gehaltskosten beim FC Bayern: Ein genauer Blick in die Zahlen

    395,5 Millionen Euro haben die Bayern im Geschäftsjahr 2023/2024 ihren Mitarbeitern gezahlt. Da sind zwar die Gehälter aller Angestellter, also auch der Ordner, Putzhilfen, Büroangestellten, Jugendtrainer etc. drin, aber natürlich machen die Gehälter der Profispieler den allergrößten Batzen aus. Knapp 400 Millionen Euro Gehaltskosten pro Jahr sind für ein mittelständisches Unternehmen wie dem FCB natürlich genauso eine Ansage wie kolportierte 25 Millionen Euro Jahressalär für Harry Kane, rund 19 Millionen Euro für Serge Gnabry und Kingsley Coman, 6,6 Millionen Euro für Josip Stanisic oder drei Millionen für Sacha Boey. Und natürlich wird die vor allem unter der Verantwortung von Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic angeblich stattgefundene Gehaltsexplosion als Hauptargument für den aktuellen Sparzwang genannt. Der frühere Sportvorstand Hasan Salihamidzic ficht das nicht an. "Die Gehälter waren oft an der Grenze, aber wir wollten den Fans eine Attraktion bieten, egal, ob mit Neuzugängen oder Verlängerungen", sagte er nun, "natürlich sind uns auch Fehler unterlaufen, wie das sicher vor uns der Fall war und künftig der Fall sein wird." Allerdings sei "Fußball ein Risikogeschäft, unsere Fehlerquote war aber nicht so hoch, sonst hätten wir nicht 16 Titel gewonnen."

    Zur Ehrenrettung der alten und aktuellen Verantwortlichen muss man aber auch sagen, dass die Personalaufwandsquote von 44 Prozent des Gesamtumsatzes im Branchenvergleich absolut im Rahmen ist.

    Doch Spieler kosten ja nicht nur Gehalt, sondern auch Ablöse. Oder, wenn man wie Joshua Kimmich jüngst nicht darauf verzichtet, üppige Handgelder bei Vertragsverlängerung oder ablösefreien Wechseln. Und so laufen die Kosten irgendwann aus dem Ruder.

  • Bryan Zaragoza Osasuna 2025Getty Images

    Die Loan-Army: Bayerns Leihspieler

    Ein oft unterschätzter Fakt: Der FC Bayern hat mit 26 Spielern im Profikader zwar einen durchschnittlich großen Kader, verfügt aber über eine große Loan Army. Elf Spieler sind momentan an Klubs in ganz Europa verliehen, nicht alle werden komplett von ihren aktuellen Vereinen bezahlt. Sondern eben vom FCB. Klar, einige Leihen dienen dazu, junge Spieler zu fördern - und damit auch neue Vermögenswerte zu schaffen.

    Doch in einigen Fällen - etwa bei Bryan Zaragoza, der ein halbes Jahr nach seiner 17 Millionen Euro teuren Verpflichtung wieder nach Spanien geschickt wurde, oder Alexander Nübel, der bereits seit 2021 verliehen wird und dem bei Bayern ständig neue Keeper wie zuletzt Jonas Urbig vor die Nase gesetzt werden - geht es aus Sicht des FC Bayern auch darum, den finanziellen Schaden etwas zu begrenzen.

  • Thomas Tuchel Bayern 2024Getty

    FC Bayern und die teuren Trainerentlassungen

    Fehlgriffe auf dem Transfermarkt können, wie Salihamidzic richtigerweise sagt, jedem Klub und jedem Manager passieren. Und aktuell sieht es nicht so aus, als ob die insgesamt 68 Millionen Euro Ablöse für Palhinha und Zaragoza sich in irgendeiner Weise auszahlen könnten für die Münchner. Andererseits schaffte es Salihamidzic sogar mal 8,5 Millionen Euro für einen gewissen Omar Richards und zwölf für Chris Richards zu generieren; die Hoffnung stirbt also zuletzt.

    Doch der FC Bayern hat sich in den vergangenen Jahren mehr als Trainerfehlgriffs-Verein einen Namen gemacht.

    Niko Kovac, Hansi Flick, Julian Nagelsmann und Thomas Tuchel hießen vor Vincent Kompany seit 2019 die Trainer des FCB. Bis auf Flick, der zwei Jahre vor Vertragsende im Streit mit Salihamidzic selbst zurücktrat, wurden alle von Bayern beurlaubt. Für alle vier zahlten die Münchner weiter Gehälter oder Abfindungen.

    Tuchel stand wohl noch bis zu seinem Amtsantritt als England-Coach im Januar bei den Münchnern unter Vertrag, rund sechs Millionen Euro dürfte er bis dahin noch kassiert haben als beurlaubter FCB-Coach.

    Auch die Trainerentscheidungen davor waren kostspielig: Julian Nagelsmann etwa kostete 20 Millionen Euro Ablöse, verdiente rund sechs Millionen Euro Gehalt und kassierte dann vor seinem Amtsantritt beim DFB noch 1,5 Millionen Euro Abfindung. Dass er da schon sechs Monate bei fast vollen Bezügen vom FCB beurlaubt war - geschenkt. Tuchel kostete dann zwar keine Ablöse, soll aber bis zu zwölf Millionen Euro pro Jahr kassiert haben. Übrigens: Kompany kostete mehr als zehn Millionen Euro Ablöse.

    Die Bild rechnete aus, dass der deutsche Rekordmeister von 2021 bis zum Sommer 2024 60 Millionen Euro (!) investierte (besser: größtenteils in den Sand setzte) mit ihren irrlichternden Trainerentscheidungen. Freilich nicht ganz unschuldig an den Kosten: Der sich ansonsten als Sparkommissar gerade neu erfundene Uli Hoeneß. Zumindest bei Thomas Tuchel senkte auch Hoeneß den Daumen und kritisierte ihn in den vergangenen Monaten immer wieder.

  • Al Nassr v Al Kholood - Saudi Pro LeagueGetty Images Sport

    Bayern erwirtschaftet trotzdem Rekordumsätze: Wieso reicht das Geld dennoch nicht?  

    Triggerwarnung: Im folgenden Abschnitt kommen sehr viele Zahlen vor. Menschen mit Zahlen- und/oder Wirtschafts-Dyslexie lesen einfach nur den kursiv gehaltenen Text.

    1.017.000.000 prangte hinter Michael Diederich auf der Wand, als der Finanzvorstand des FC Bayern im Dezember die Bilanz vorstellte. Der FC Bayern war der erste Klub NACH Real Madrid, der in einem Jahr mehr als eine Milliarde Euro Umsatz machte - was nicht nur Diederich stolz machte. 

    Allerdings: Real schaffte die Milliarde allein aus dem operativen Geschäft, also durch TV-Rechteeinnahmen, Ticket-, Trikot- und Fanartikelverkäufe etc.

    Der FC Bayern erreichte die Marke zum einen nicht nur mit der Fußballfirma, sondern als Gesamt-Konzern (inklusive der Basketballer, dem e.V. und der Einnahmen aus den Beteiligungen an der Allianz Arena oder FC Bayern Tours). Außerdem schlagen die Münchner auch die Einnahmen aus dem Transfermarkt auf die Gesamtbilanz drauf. Das ist durchaus erlaubt und übliche Praxis - der Real aber nicht folgt.

    Doch unabhängig von der Frage, wann eine Milliarde Euro Umsatz eine Milliarde Euro Umsatz sind und was das bedeutet. Klar ist: Transfereinnahmen sind immer Sondereffekte. Man kann ja nicht immer Sadio Mané für 30 Millionen Euro nach Saudi-Arabien verkaufen. Und ob der FCB mittelfristig zum Verkäuferverein wie etwa der FC Porto, Benfica Lissabon oder auch Borussia Dortmund werden will? Unwahrscheinlich.

    Die Wahrheit ist: Schon während des vergangenen Geschäftsjahres retteten nur die teuren Verkäufe von Lucas Hernández (für 45 Millionen Euro zu PSG), Benjamin Pavard (31,4 Millionen zu Inter Mailand), Sadio Mané (für 30 Millionen Euro zu Al-Nassr) oder Marcel Sabitzer (für 19 Millionen Euro zum BVB) die Bilanz. Waren diese Abgänge sportlich sinnvoll oder zumindest verschmerzbar, fiel Ryan Gravenberchs Verkauf (für 40 Millionen zum FC Liverpool) eher in die Kategorie sportlicher Verlust und wirtschaftlich nicht unbedingt nachhaltig. Doch zumindest konnte so der 100-Millionen-Euro-Rekordeinkauf von Harry Kane refinanziert werden und insgesamt eine sehr positive Transferbilanz erzielt werden.

    Das aber auch, weil Transferausgaben bilanziell nicht sofort fällig werden, sondern immer über die Vertragslaufzeit abgeschrieben werden, Transfereinnahmen jedoch sofort komplett verbucht werden können. Für die Saison 2023/2024 bedeutete dies laut Jahresabschluss des FC Bayern: Einnahmen aus Transfers: 188,1 Millionen Euro. Abschreibungen auf Transferentschädigungen: 89,2 Millionen Euro. Macht rund 100 Millionen Euro bilanziellen Gewinn aus Transfers - was bei einem Gesamtüberschuss von 29,5 Millionen Euro vor Steuern (FC Bayern Fußball-AG) schon ein Batzen ist.

  • Bayern hätte ohne die Verkäufe schon letztes Jahr Verlust gemacht

    Kurz - und sehr überspitzt - gesagt: Der FCB hätte schon im abgelaufenen Jahr Verlust gemacht, wenn Gravenberch (oder Hernández. Oder Mané…) nicht verkauft worden wären. 

    Aus dem legendären Festgeldkonto allein bezahlt der deutsche Rekordmeister einen Harry Kane schon lange nicht mehr.

    Zur Wahrheit gehört auch, dass die Einnahmen aus Sponsoring zwischen 2023 und 2024 um rund 20 Millionen Euro zurückgegangen sind und dass auf der Kostenseite die Eigenkapitalquote zwar noch immer deutlich über 50 Prozent liegt, aber eben auch nicht mehr bei 70 Prozent wie es vor der Corona-Pandemie der Fall war. Da die Bayern darauf bestehen, dass sie weiterhin keine Bankverbindlichkeiten hätten und damit schuldenfrei seien, heißt dies, dass rund die Hälfte des Kapitals als Verbindlichkeiten in der Bilanz steht - etwa für noch zu zahlende oder abzuschreibende Transferzahlungen. 

    Was eben auch heißt: Wenn die Eigenkapitalquote nicht unter 50 Prozent fallen soll, dann sind exorbitante Supertransfers nicht allzu oft möglich. Und deshalb muss der FC Bayern sparen - Milliarde hin, Milliarde her.