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Acht Jahre nach dem schlimmen Tiefpunkt: Aufsteiger aus der Premier League pulverisiert mit zwei Ex-Bundesligastars seinen Transferrekord

"Lord, unser Gott, hilf uns zu verstehen. Hilf uns zu verstehen, was Fußball in unserer Gemeinde bedeutet. Hilf uns durch unseren Ärger und unseren Zorn, wenn unser Team nicht performt." Es ist die allererste Szene einer Fußball-Dokumentation, die bei Netflix durch die Decke ging, die den AFC Sunderland in aller Kürze perfekt beschreibt: Ein Priester ersucht göttlichen Beistand, um zu verstehen, was da vor sich geht.

"Sunderland 'Til I Die" heißt die in insgesamt drei Staffeln aufgezeichnete Geschichte des Klubs zwischen den Jahren 2017 und 2024 – nicht vollständig, aber doch ausreichend. Schon die erste Staffel war ein Hit. Eigentlich rechneten alle mit einer Rückkehr des Absteigers aus der Premier League. Doch Sunderland stieg ab. Acht Jahre später sind die "Black Cats" zurück in der höchsten englischen Spielklasse – inklusive Rekordausgaben.

  • 165 Millionen Euro hat Sunderland in diesem Sommer schon ausgegeben – der sechsthöchste Wert der Premier League, der achtgrößte weltweit. Nur 48,5 Millionen Euro Einnahmen stehen dem gegenüber. Das Transferminus von 116,5 Millionen Euro ist in der englischen Liga ebenfalls Platz sechs, weltweit steht man damit auf dem neunten Rang.

    Sunderlands bisheriger Ausgabenrekord lag bei etwas über 60 Millionen Euro in der Saison 2015/16. Nun ist man rein auf die Transfersummen reduziert umgeben von Topklubs. Und umgeben von einer großen Erwartungshaltung.

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    Milliardär und Aufstieg ermöglichen Sunderlands Shoppingtour

    Möglich macht das ein junger Milliardär. An Heiligabend 2020, wie sollte es bei Sunderland auch anders sein, gab der Klub bekannt, dass er die Mehrheit seiner Anteile an den Schweizer Kyril Louis-Dreyfus verkauft hat – der Sohn von Robert Louis-Dreyfus, ehemaliger Adidas-Chef. Interessant ist dabei, dass sich die Ausgaben bis zu diesem Sommer nicht wirklich erhöht haben. Mehr als elf Millionen Euro gab Sunderland in dieser Zeit nicht in einer einzelnen Saison aus.

    Nun also dieser Rekord. Einerseits lässt sich das damit erklären, dass allein der Aufstieg die Kassen hat klingeln lassen. Deloitte rechnete in der Vergangenheit aus, dass der Umsatz eines Klubs allein dadurch um mindestens 135 Millionen Pfund gesteigert werden kann – also etwas mehr als 150 Millionen Euro. Die Nachrichtenagentur Reuters geht sogar von bis zu 200 Millionen Pfund aus.

    TV-Gelder, Sponsorenverträge, gestiegene Aufmerksamkeit – Sunderland stellt nicht die Ausnahme dar. Auch der FC Burnley hat in dieser Spielzeit schon 125,65 Millionen Euro investiert, kommt auf ein Minus von rund 90 Millionen Euro.

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    AFC Sunderland investiert in Top-Talente und Erfahrung

    Spannend ist beim Blick auf Sunderland aber auch die Art und Weise, wie der Klub sein Geld investiert. Der bekannteste Transfer ist gewiss Granit Xhaka. Nach dessen herausragenden Jahren in Leverkusen rechneten viele mit einem Transfer zu einem Topklub. Xhaka aber entschied sich für Sunderland – und damit ähnlich wie einst bei der Werkself für ein spannendes, entwicklungsfähiges Projekt.

    Denn das Durchschnittsalter der Neuzugänge, für die eine Ablösesumme oder eine Leihgebür fällig wurde, beträgt sogar nur 22,8. Die Summe von 165 Millionen Euro verteilt sich auf insgesamt neun Spieler. Der teuerste von ihnen: Habib Diarra, 21 Jahre jung und mehr als 31 Millionen Euro teuer.

    Er steht stellvertretend für die Kaderpolitik, die Sunderland nun in der Premier League fahren will. Der viermalige senegalesische Nationalspieler ist im zentralen Mittelfeld flexibel einsetzbar, kann aufgrund seiner technischen Fähigkeiten und einer guten Spielintelligenz sowohl offensiv eingebunden werden als auch wegen seiner physischen Präsenz defensiv wichtige Aufgaben übernehmen.

    Damit könnte er eine großartige, junge Ergänzung zum erhofften Stabilisator Xhaka sein. Ein Mittelfeld, das schon jetzt viel Aufmerksamkeit auf sich zieht und dafür sorgen könnte, dass Sunderland viele überrascht – auch die Buchmacher. Denn die sehen Xhaka und Co. gemeinsam mit Burnley weiterhin als Favoriten für den Abstieg.

  • AFC Sunderland: Verstärkungen auf allen Positionen

    Neben Diarra sorgte auch der Transfer von Chemsdine Talbi für Aufsehen. Der 20-Jährige kam für 20 Millionen Euro vom Club Brügge. Der schnelle Offensivspieler kann auf beiden Flügeln und auf der Zehn eingesetzt werden. Er ist technisch stark, hat eine beeindruckende Ballkontrolle und spielt sehr mutig mit viel Zug zum Tor.

    Talbi erinnert mit seiner Mischung aus athletischen und technischen Fähigkeiten an den jungen Christian Pulisic und bringt eine gute Mischung mit, um es in der Premier League zu schaffen. Auch die Leihe des 19-jährigen Mittelstürmers Marc Guiu (FC Chelsea) und die Verpflichtung von Noah Sadiki (20, 17 Millionen Euro an Union SG) sind einerseits Wetten auf die Zukunft, andererseits aber auch Teil eines spannenden Projekts.

    Zumal Sunderland die jungen Spieler durchaus in ein erfahrenes Umfeld einbettet. Hinzu kommen unter anderem die Transfers des ehemaligen Bundesligaprofis Nordi Mukiele (27) sowie von Simon Adingra (23) und Enzo Le Fee (25). Adingra hatte Probleme, sich bei Brighton durchzusetzen, ist aber ebenfalls ein interessanter Spielertyp, der mit seinen Dribblings den Unterschied machen kann. Le Fee, einst mal als Neuzugang beim BVB im Gespräch, spielte bereits in der Ligue 1 und in der Serie A bei der AS Roma. Nun wurde er nach einer Leihe fest von Sunderland verpflichtet.

    Der Franzose ist einer der spielstärksten Spieler des Kaders und sorgt gemeinsam mit den genannten Spielern dafür, dass die Schaltzentrale für einen Aufsteiger überdurchschnittlich gut aufgestellt ist.

  • Wilson Isidor Sunderland 2025Getty Images

    Gelingt eine Überraschung in der Premier League?

    Omar Alderete (28, 11,6 Millionen Euro an den FC Getafe), Arthur Masuaku (Besiktas) und Reinildo Mandava (Atletico Madrid, beide ablösefrei und 31) unterstreichen den gesunden Mittelweg aus spannenden Talenten und Erfahrung.

    Bleibt abzuwarten, was Trainer Regis Le Bris aus diesem Kader macht. Der 49-Jährige ließ in der vergangenen Saison einen sehr sauberen und kontrollierten Offensivfußball spielen. Sein Fokus lag darauf, klare Abläufe in Ballbesitz zu schaffen und vor allem auf den Flügelpositionen Räume und Überzahlsituationen herzustellen. Mit dem spielstarken Mittelfeld könnte diese taktische Ausrichtung auch auf höherem Niveau funktionieren.

    Sunderland zeigte insbesondere gegen stärkere Gegner in der Vergangenheit aber auch, dass es gegen den Ball diszipliniert und abwartend agieren und dann bei Ballgewinnen schnell umschalten kann. Eine Qualität, die es in dieser Saison zweifelsfrei ebenso brauchen wird. Gerade weil die Black Cats aber auf gute Strukturen in Ballbesitz einerseits und eine starke technisch-individuelle Qualität andererseits zurückgreifen können, haben sie das Zeug dazu, die Klasse zu halten – und vielleicht sogar noch weiter in der Tabelle zu klettern.

    Eine Kostprobe der Stärke der Le-Bris-Mannschaft bekam am Samstagnachmittag West Ham United: Sunderland besiegte die Hammers am ersten Spieltag nach einem starken Auftritt mit 3:0 und schnappte sich gleich mal den zweiten Tabellenplatz in der Premier League.

    Gerade in Sunderland ist man in den letzten Jahren aber vorsichtig geworden, was das Erwartungsmanagement anbelangt. Spätestens nach dem Chaos und Fiasko in der Saison 2017/18, in der sie statt der Rückkehr ins Oberhaus einen weiteren Abstieg beschert bekamen, ist allen klar, wie fragil die Entwicklung dieses Klubs sein kann.

    Eine vierte Staffel "Sunderland 'Til I Die" wird es vorerst nicht geben. Nach drei Staffeln wurde das Projekt beendet. Schade! Denn abseits der sportlichen Frage, ob man sich endlich wieder in der Premier League etablieren kann, hatte der AFC Sunderland viel Drama, Kuriositäten und Unterhaltung zu bieten.

    Ob die Fans am Ende der Saison wieder göttlichen Beistand erbeten müssen, bleibt abzuwarten. Für den Moment aber sieht es ganz gut aus für Sunderland – auch wenn ein spannender Transfersommer noch lange keine Garantie für den Klassenerhalt ist.

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