HINTERGRUND
Wenn es darum geht, das nächste große Talent des Weltfußballs zu finden, lassen viele Vereine nichts unversucht. Sie haben sich mit einem enormen Einsatz von finanziellen Mitteln ein Netzwerk von Spielbeobachtern aufgebaut, die weltweit für sie tätig sind und in Datenbanken über Monate und Jahre hinweg die Leistungen der hochbegabten Nachwuchskicker akribisch festhalten. Und doch ist die Geschichte von Bruno Fernandes , der aktuell für Portugal bei der WM eine entscheidende Figur im Mittelfeld ist, so etwas wie der Klassiker einer Entdeckungsgeschichte.
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Denn als der Mann, der die Karriere des Spielmachers richtig in Schwung bringen sollte, auf der Tribüne Platz nahm, hatte er Fernandes buchstäblich gar nicht auf dem Zettel. "Das war schon schräg. Der Scout war gekommen, um einen Spieler von Sporting Braga zu beobachten. Aber dann habe ich ihm gut gefallen und er hat mich unter Vertrag genommen", erzählte Fernandes, der zu diesem Zeitpunkt mit 17 Jahren in der Jugend von Boavista Porto kickte, Mais Futebol .
Das, was der Scout dann mit ihm vorhatte, war ebenfalls ungewöhnlich. Für den Teenager war keine langsame Eingewöhnung im Männerfußball seines Heimatlandes vorgesehen, sondern sofort ein Auslandswechsel. Das Ziel war Italien – aber dort nicht die Serie A. Für Fernandes ging es zum kleinen Zweitligisten Novara Calcio ins Piemont, was sich im Nachhinein nicht als die schlechteste Entscheidung herausstellen sollte. Denn knapp sechs Jahre später durfte Fernandes bei der WM gegen Spanien von Anfang an im linken Mittelfeld des Europameisters spielen und steht aller Voraussicht nach auch im zweiten Gruppenduell gegen Marokko (Mittwoch, 14 Uhr im LIVE-TICKER ) in der Startelf. Und Europas Top-Klubs reißen sich angeblich schon um ihn.

Wie hat der 23-Jährige den steilen Aufstieg aus der zweiten Reihe bis auf die größte Bühne des Weltfußballs geschafft? Indem er nie viel Eingewöhnungszeit brauchte und auf jeder seiner Karrierestationen überzeugte. "Er macht viel nach vorne und nach hinten, er greift an und verteidigt und ist aggressiv", beschrieb Martelinho, sein Ex-Trainer bei Boavista, den Fernandes-Spielstil.
In Portugal wird der Shooting-Star der Seleccao immer wieder mit Rui Costa aus der Goldenen Generation des Landes verglichen, der ebenfalls aus einer zentralen Rolle heraus Regie führte. Und auch Costa verabschiedete sich bereits mit 22 Jahren nach Italien, wo er zwölf Jahre lang für die Fiorentina und Milan auflief.
Bruno Fernandes: Aus einem Schnäppchen wird ein Groß-Transfer
Bei seinem Abschied war Costa allerdings bereits ein Star, während sich Fernandes seinen Ruf erst bei Novara, dann bei Udinese und schließlich bei Sampdoria hart erarbeiten musste. "Viele Leute kennen ihn hier gar nicht, weil er Portugal so früh verlassen hat", sagte Martelinho über das Standing des Regisseurs auf der iberischen Halbinsel. Seit dem vergangenen Sommer ist Fernandes allerdings wieder zurück in seinem Heimatland: Für den Teenager, für den Novara 2012 nur 40.000 Euro gezahlt hatte, wurden für Sporting aus Lissabon nun neun Millionen Euro fällig – der zweitteuerste Einkauf der Vereinsgeschichte.
Getty Images21 Scorerpunkte in seiner Debüt-Saison für Sporting: Bruno Fernandes
Und die Investition lohnte sich für den Klub, auch wenn Sporting am letzten Saisonspieltag noch die Champions-League-Qualifikation verspielte und damit einen Fan-Aufstand auslöste. An Bruno Fernandes lag das nicht: Er steuerte elf Tore und zehn Vorlagen in der Liga bei und erwies sich als echter Glücksgriff auf dem Transfermarkt. Fernandes hat nicht nur ein Auge für seine Mitspieler in der Offensive, gute Standards im Repertoire und einen präzisen Distanzschuss, den er zu vier Toren bei seinen ersten neun Versuchen von außerhalb des Strafraums nutzte: Gleichzeitig arbeitet er auch in der Defensive mit und glänzt mit Balleroberungen und Tacklings.
Roma und Tottenham sollen an Portugal-Star dran sein
Es ist das Gesamtpaket, das Europas Top-Klubs auf ihn aufmerksam gemacht hat. Angeblich sind die Roma und Tottenham an ihm dran – und die Tatsache, dass er wohl im Sommer ablösefrei zu haben sein wird, weil er seinen Vertrag bei Sporting aufgrund der Fan-Ausschreitungen, wie viele andere Stars auch, gekündigt hat , macht ihn zu einem hochinteressanten Transferziel für viele Vereine.
Wenn er seine starken Leistungen jetzt noch weiterhin bei der WM für Portugal bestätigt, dürfte seine Karriere, die in Italiens zweiter Liga begann, auf dem vorläufigen Höhepunkt angekommen sein. Was hingegen aus dem Jugendspieler von Braga geworden ist, den der Scout eigentlich beobachten wollte, ist nicht bekannt.


