MIXED-ZONE-INTERVIEW
Der amtierende Weltmeister ist gestürzt: Deutschland blamiert sich bei der WM in Russland, scheidet in einer Gruppe mit Mexiko, Schweden und Südkorea als Letzter aus. Erstmals überhaupt gelingt es einer DFB-Auswahl nicht, die Vorrunde zu überstehen.
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Kapitän Manuel Neuer übt sich nach dem 0:2 gegen Südkorea in Selbstkritik - und versucht in der Mixed Zone, die richtigen Worte für das deutsche Debakel in Kasan zu finden.
Manuel, wie ist Ihre Stimmung so kurz nach dem Spiel?
Manuel Neuer: Wie soll die schon sein? Wir sind sehr traurig, enttäuscht und sauer auf uns.
Wie konnte es dazu kommen?
Neuer: Das haben wir Spieler zu verantworten, das ist ganz klar. Wir müssen das in Ruhe analysieren und man muss ganz klar sagen, dass wir es einfach nicht verdient haben. Auch nach den drei Spielen, da hat man in keinem Spiel gesehen, dass da eine deutsche Mannschaft auf dem Platz war, vor der man Angst oder Respekt hat. Wenn man gegen Schweden das 2:1 in der 95. Minute macht, die anderen beiden Spiele verliert und auch keine klaren Torchancen kreiert, hat man es einfach nicht verdient. Selbst wenn wir jetzt weitergekommen wären, hätte jeder gerne gegen uns gespielt. Wie sollen wir einem Gegner gefährlich werden, wenn wir so eine Leistung abliefern? Die Bereitschaft, die wir hier an den Tag gelegt haben, die habe ich auch so von uns noch nicht gesehen.
Warum stand da keine Mannschaft auf dem Platz?
Neuer: Wir standen schon auf dem Platz, aber man hat nicht gemerkt, dass wir hier eine Weltmeisterschaft spielen und dass wir hier eine Mannschaft haben, vor der man großen Respekt hat. Jeder Gegner, egal, ob Mexiko, Schweden oder Südkorea, hat auf unsere Fehler gewartet und sie wussten, dass sie ihre Chancen bekommen. Das hatten wir in den vergangenen Turnieren nie. Diese Kontersituationen, die wir jetzt in der Gruppenphase gegen uns hatten, die konnte man damals an einer Hand abzählen. Dass das in diesem Turnier gegen diese drei Gegner passiert, rückt uns in ein ganz schlechtes Licht. Wir haben es schlicht gemeinsam verbockt.
Joachim Löw merkte an, dass es der Mannschaft an Leichtigkeit gefehlt hat.
Neuer: Ich denke, das, was er meint, ist das Tempo und das Selbstverständnis. Das Tempo und die Geschwindigkeit, die uns ausgezeichnet haben, bei eigenen Konteraktionen, das war zu lethargisch und langsam. Wir konnten keinem Gegner damit wehtun. Die Pässe in die Räume, in die Schnittstellen, das haben wir hier nicht erlebt. Gerade bei tiefstehenden Mannschaften wie heute zum Beispiel Südkorea – in der Quali haben wir auch gegen solche Teams gespielt und trotzdem unsere Tore gemacht.
getty ImagesDer Bundestrainer sprach von Selbstherrlichkeit vor dem Mexiko-Spiel. Haben Sie die auch verspürt?
Neuer: Ich denke, dass man vor einem Turnier nicht weiß, wo man steht. Eigentlich waren wir bis in die Haarspitzen motiviert. Eine WM findet nur alle vier Jahre statt, da wartet man drauf und arbeitet darauf hin, um diese Spiele machen zu dürfen. Dass wir dann so eine Leistung zeigen und in der Vorrunde ausscheiden, das habe ich von einer deutschen Mannschaft noch nicht gesehen.
Gibt es einen Punkt, den Sie sich als Kapitän ankreiden?
Neuer: Ich habe immer versucht, Verantwortung zu übernehmen, habe immer versucht, die Mannschaft mitzunehmen. In der Kabine, beim Training und auf dem Platz. Natürlich bin ich aber auch ein Gesicht, einer derjenigen, die hierfür verantwortlich sind.
Warum wurde beim Einwurf in der Nachspielzeit der Torhüter angespielt und nicht ein Aufbauspieler?
Neuer: Es waren alle vorne, es war die 96. Spielminute, lagen 0:1 zurück, haben noch ein Tor gebraucht. Ich habe es als sinnlos empfunden, hinten stehen zu bleiben, sondern wollte eine Flanke reinbringen. Da kam direkt der Druck, den Fehler muss ich mir ankreiden.
Joachim Löw hat noch nicht entschieden, ob er weitermacht. Würden Sie ihn unterstützen?
Neuer: Ich denke, wir werden miteinander reden. Dann muss man auch schauen, was der Trainer möchte.
Machen Sie denn weiter?
Neuer: Ich habe nicht vor, aufzuhören.
