James Maddison Leicester CityGetty

James Maddison: Mit Haken und Getöse - das ist Leicesters 25-Millionen-Neuzugang


HINTERGRUND

Anmutig streichelt der schlanke, junge Mann die Kugel, treibt sie mit Tempo durchs Mittelfeld. Der erste Gegenspieler wird einfach überlaufen als wäre er gar nicht existent, dann der nächste Kontrahent, der sich als stärkerer Widersacher entpuppt, sich nicht so leicht abschütteln lässt – einen Wimpernschlag später, blickt auch er verdutzt drein und muss einsehen, dass die Nummer 23 ihm entwischt ist. Ein einfacher und plötzlicher Haken hatte gereicht, um ihn abzuschütteln. Kurz darauf bildet sich eine Jubeltraube aus in gelb-grüne Trikots gehüllte Männer, die wissen, dass 90 Prozent des soeben erzielten Treffers auf das Konto ihres Edeltechnikers gehen: James Maddison.

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Eine Szenenabfolge, die im vergangenen Jahr an der Carrow Road häufiger vom Norwich-City-Anhang bestaunt und mit großer Ekstase honoriert wurde. Dribbling, tödlicher Pass, erfolgreicher Abschluss. Maddison hatte sich aufgrund seiner herausragenden Qualität als kreativer Regisseur in der Saison 2017/18 in die Herzen der Canaries-Fans gezaubert, nachdem er im Vorjahr noch an den FC Aberdeen ausgeliehen war und in der schottischen Beletage, die für ihre körperbetonte Spielweise bekannt ist, lernte, sich gegen physisch überlegene Gegner durchzusetzen. Der mittlerweile 21-Jährige hatte den Schritt bewusst gewählt, wollte nicht in der U23 eines Premier-League-Klubs Erfahrungen für die große Bühne sammeln, sondern sich in einer weniger namhaften Liga für höhere Aufgaben empfehlen.

James Maddison Norwich City 2017-18Getty Images

"Obwohl ich erst 21 Jahre alt bin, habe ich das Gefühl, schon eine ganze Weile dabei zu sein", erklärt Maddison im Gespräch mit Independent. Tatsächlich mischt der Engländer für sein Alter bereits seit geraumer Zeit im Seniorenbereich mit, feierte für seinen Heimatklub Coventry City als 17-Jähriger im League Cup gegen Cardiff City sein Debüt. Ganz bewusst hatte sich das Eigengewächs gegen einen Wechsel in die Jugendabteilung eines Top-Teams entschieden. Er begründet: "Dass ich in einer unterklassigen Mannschaft gespielt habe, anstatt bei einem Premier-League-Verein, hat mir wohl sehr geholfen, mich zu entwickeln. Man ist nicht in diesem klassischen Akademie-System, in dem man in der U18 und später in der zweiten Mannschaft zum Einsatz kommt. Ich habe schon in jungen Jahren bei den Herren gespielt."

James Maddison: Eine ähnliche Karriere wie Tottenham-Star Dele Alli

Maddisons Werdegang erinnert dabei sehr an den von Tottenham-Star Dele Alli, der bei MK Dons ebenfalls zunächst in der dritten Liga Profiluft schnupperte und mittlerweile zu den unumstrittenen Hoffnungsträgern der Nationalmannschaft zählt, bei der WM in Russland mit einer jungen englischen Mannschaft erstmals seit 28 Jahren das Halbfinale erreichte und die ganze Nation in Euphorie versetzte. "Dele Alli ist wohl das beste Beispiel", sagt Maddison und schiebt nach: "Er hat als junger Spieler schon eine Menge Partien für MK Dons bestritten. Danach hat er sich durchgesetzt. Auch, weil er diese Erfahrung im Rücken hatte."

Anders als Alli nahm das Talent aus Coventry allerdings den Umweg über die zweite Liga, bevor er vor wenigen Wochen beim Meister von 2016, Leicester City, einen Vertrag bis 2023 unterschrieb. 25 Millionen Euro waren die Foxes bereit, für den Mittelfeldmann auf den Tisch zu legen, obwohl dieser noch kein einziges Premier-League-Spiel vorweisen kann. Bei Instagram frohlockte Maddison im Anschluss an den abgewickelten Deal, stolz das Trikot seines neuen Arbeitgebers in die Kamera haltend: "Als kleiner Junge hatte ich den Traum, in der Premier League zu spielen. Jetzt habe ich die Möglichkeit, meinen Traum zu verwirklichen und ich kann es kaum erwarten, bei diesem fantastischen Klub anzufangen."

Dass der U-Nationalspieler vor seinem Engagement bei Leicester erst einmal in Norwich kickte, erwies sich dabei als echter Glücksgriff. Trainer Alex Neil befand Maddison anfangs noch nicht für reif genug, um in der Championship zu spielen, woraufhin der schon beschriebene Wechsel nach Aberdeen, Schottland, folgte. "Ich wurde ganz schön oft umgetreten", erinnert sich der trickreiche Taktgeber. "Die Abwehrspieler wollen Spielertypen wie mir ganz schnell zeigen, wer der Boss ist." Besonders ein Duell mit St. Johnston ist Maddison im Gedächtnis geblieben. Zehn oder elfmal sei er in der Partie gefoult worden, sagt er.

Die harte Gangart im Nachbarland bereitete ihn bestens auf die Zukunft vor. Mit der Erfahrung aus 17 SPL-Spielen kehrte er im Januar 2017 zurück nach Norwich. "Diese vier Monate haben mich als Spieler definitiv weiterentwickelt. Wie ich schon gesagt habe: Mit 19 oder 20 Jahren muss man spielen, so viele Partien wie möglich machen, sich Woche für Woche beweisen. Derek McInnes (Aberdeen-Coach, Anm. d. Red.) hat mir die Möglichkeit gegeben, dass ich mich zeigen kann. Dafür bin ich sehr dankbar", sagt Maddison über seine Zeit in Schottland. Tatsächlich brauchte der Rohdiamant einen Trainer, der an ihn glaubt. Diesen fand er bei seinem zweiten Anlauf bei den Kanarienvögeln.

James Maddison über Ex-Trainer Daniel Farke: "Passt zu mir"

Daniel Farke, zuvor als Coach der zweiten Mannschaft von Borussia Dortmund tätig, war von den Norwich-Verantwortlichen verpflichtet worden. Der 41-Jährige erkannte schnell, welch großes Potenzial in dem Standardspezialisten schlummert und setzte bedingungslos auf seine Dienste. "Ich hatte sofort das Gefühl, dass seine Auffassung meinem Spiel behagen würde. Viele Pässe, dominant, ballbesitzorientiert, das passt zu mir", verrät Maddison.

James Maddison England Under-21sGetty

Farke, der Förderer seiner einstigen Nummer zehn, lässt im Gespräch mit Eastern Daily Press Revue passieren: "Bevor ich ankam, sprachen wir über diesen Jungen, der bislang noch kein einziges Mal von Anfang an spielen durfte. Da wir so viele erfahrene Spieler hatten, fragten wir uns: 'Was sollen wir mit ihm machen?' Die ersten Überlegungen waren, dass wir ihn erneut verleihen. Ich wollte ihn mir aber erst einmal selbst anschauen. Vom ersten Tag an – und ich möchte ihn wirklich nicht zu sehr loben – habe ich etwas in ihm gesehen. Ich habe ihn unterstützt und gefühlt, dass er im Stande ist, Großartiges für uns zu leisten." Maddison zahlte das Vertrauen des 41-Jährigen zurück, indem er in der vergangenen Saison satte 15 Treffer selbst beisteuerte und elfmal als Assistgeber in Erscheinung trat.

Übrigens: Auch der FC Arsenal, Tottenham Hotspur und Manchester City hatten um den Emporkömmling gebuhlt, am Ende setzte sich aber Leicester durch, das in der aktuellen Transferperiode seinen Starspieler Riyad Mahrez an die Citizens verloren hatte. Obwohl der Algerier die Position auf dem rechten Offensivflügel bekleidet, offenbaren sich in Maddisons Spielweise doch gewisse Parallelen. Diese ständigen, nicht vorhersehbaren Richtungswechsel, Abschlussstärke, Tempodribblings wünschen sich die LCFC-Fans nun von ihrem verheißungsvollen Neuen. Angekommen auf der ganz großen Bühne, kann er seine hasenartigen Haken nun gegen die besten Abwehrspieler der Welt anwenden. Das, was er sich schon als kleiner Junge immer erträumt hatte.

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