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Deutschland gegen Südkorea zum Siegen verdammt: Bloß nicht baden gehen


HINTERGRUND

Es hatte sich schon am frühen Nachmittag angekündigt: Unheilvoll rückten die pechschwarzen Wolken näher, türmten sich wie riesige Monster pre-apokalypisch vor die sengende Sonne von Kasan, die die lebhafte Millionenstadt an der Wolga zuvor stundenlang in einen drückend schwülen Siedekessel verwandelt hatte.

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Pünktlich zur Pressekonferenz von Südkorea, bei der Coach Shin Tae-yong, der aufgrund seiner Frisur und seines Kleidungsstils mitunter als asiatisches Pendant zu Bundestrainer Joachim Löw gehandelt wird, und Nationalheld Heung-Min Son vor die Reporter traten, öffnete der Himmel seine Pforten, ließ golfballgroße Hagelkörner (in Russland ist eben alles ein bisschen größer, selbst der Niederschlag) darnieder prasseln. Einige davon durchbrachen das sich tapfer dagegen wehrende Dach des recht provisorisch anmutenden Media Centers, einige Gehsekunden entfernt von der prachtvollen Kasan-Arena gelegen.

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Eine groteske Szenerie, von der diejenigen, die im PK-Raum innerhalb des Stadions Platz genommen hatten, keine Notiz nahmen. Die Spielstätte, sie fungierte sinnbildlich kurzzeitig quasi als Noahs Arche, die der großen Sintflut trotzte. Dass draußen ein kurzes, aber offenbar biblisches Unwetter getobt haben musste, erfuhren die Journalisten, als ein FIFA-Offizieller ans Mikrofon trat, um mitzuteilen, dass die Trainingseinheiten beider Mannschaften, die am Tag vor einem Spiel traditionell im Stadion absolviert werden, kurzerhand auf einen anderen Platz verlegt wurden. Es würde aber Shuttlebusse für die Medienvertreter dorthin geben.

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Umplanen war also angesagt. Während bei der südkoreanischen Pressekonferenz noch Trainer und Spieler, denn so ist es Usus bei einer WM, Rede und Antwort standen, kam Löw rund anderthalb Stunden später ohne einen seiner Schützlinge im Schlepptau. Jonas Hector, der eigentlich hätte erscheinen sollen, musste zum Training, das ja außerplanmäßig woanders stattfand.

Joachim Löw: "Pure Freude" nach Sieg gegen Schweden

Den Weltmeister-Trainer schienen die Wetterkapriolen nicht sonderlich zu tangieren, wirkte Löw, der im weißen Trainingsshirt erschien, das seine Vatutinki- und Sotschi-Bräune unterstrich, nach wie vor sichtlich erleichtert, nachdem seine Mannschaft am vergangenen Samstag ein jetzt schon legendäres Spiel gegen Schweden in den Schlusssekunden noch in einen überlebenswichtigen Sieg verwandelt hatte.

"Pure Freude" habe er im Anschluss an die Begegnung mit den Skandinaviern empfunden, erklärte Löw, gab aber gleich zu verstehen: "Auf der anderen Seite war die Freude aber auch nicht überdreht, weil es am nächsten Tag schon weiterging. Die Mannschaft hat erkannt, dass der Sieg gegen Schweden nur ein erster kleiner Schritt in Richtung Achtelfinale war."

Der große, endgültige Schritt in die Runde der letzten 16 soll am Mittwoch erfolgen, wenn Deutschland auf den Vize-Asienmeister trifft. Südkorea gilt als Team, das den Kontrahenten gerne früh stört, versucht, die gegnerischen Verteidiger in die Bredoullie zu bringen. Neben Tottenham-Star Son, der sicherlich das Aushängeschild ist, warnte Löw deshalb vor der gesamten umtriebigen Offensivabteilung der Taegeuk Warriors: "Südkorea hat nicht nur Son, sondern auch andere gute Konterspieler. Das ist das, was sie lieben. Sie versuchen, aggressiv anzulaufen. Der 58-Jährige ergänzte: "Wir müssen diese einfachen Ballverluste verhindern."

Thomas Müller Joachim Löw DFB DeutschlandGetty Images

Ebenjene Ballverluste, die zur überraschenden Niederlage gegen Mexiko und auch im Duell mit Schweden zum zwischenzeitlichen Rückstand führten. Die "alte" Leier nahezu, die die Nationalmannschaft nunmehr seit Wochen begleitet. In den letzten sieben Spielen setzte es stets mindestens einen Gegentreffer für den amtierenden Weltmeister. Darauf angesprochen, sagte Löw: "Das stimmt, wir haben in den vergangenen Partien immer ein Gegentor bekommen, weil wir konteranfällig waren. Darüber haben wir ausgiebig gesprochen."

Apropos ausgiebig gesprochen: Löw verriet, dass er nach dem Schweden-Spiel eine intensive Unterredung mit Thomas Müller, der bei diesem Turnier noch überhaupt kein Faktor ist, hatte. Etliche Fans fordern, dass der Offensivmann des FC Bayern im dritten Gruppenspiel eine Pause verordnet bekommen sollte, stattdessen der bislang verheißungsvolle Teilzeitarbeiter Julian Brandt seine Chance auf der rechten Außenbahn erhält.

Gegner Südkorea übt sich in Demut

Doch Löw ließ sich hinsichtlich seiner Aufstellung abermals nicht in die Karten schauen: "Nach dem letzten Spiel habe ich mit Thomas ein längeres Gespräch geführt, wir haben versucht, sein Spiel noch mal zu analysieren. Er geht sehr selbstkritisch mit seiner Leistung um. Wer Thomas kennt, der weiß, dass er sich auch nach ein oder zwei schlechten Spielen nicht unterkriegen lassen wird. Deshalb ist er ein wichtiger Spieler."

Während also in Fußball-Deutschland das große Rätselraten um die erste Elf, mittlerweile eine Art Volkssport, auf vollen Touren läuft, übte sich der kommende Gegner übrigens in Understatement. Trainer Shin fühle sich "geehrt", dass er – eingangs angerissen – häufig mit Löw verglichen wird, denn dieser sei "der beste Trainer der Welt", der "die beste Mannschaft der Welt" coache, wie Son nachschob. Der ehemalige Hamburger und Leverkusener redete zudem von einer "Einprozent-Chance, versprach aber: "Wir werden unser Möglichstes tun, um ein gutes Ergebnis einzufahren."

Die deutsche Delegation wird sich von dieser Demut nicht blenden lassen, wissen sie sicherlich um die Gefahr, die grollend wie der Vorbote des Donnerwetters am Dienstagnachmittag am Horizont auf das DFB-Team zuzieht. Mit einer Niederlage gegen Südkorea stünde das erstmalige WM-Gruppenphasen-Aus in der ruhmreichen Fußballgeschichte der Bundesrepublik fest. Bloß nicht baden gehen, heißt die Devise deshalb. Nur zur Info: Für den Mittwoch ist kein Regen in Kasan angesagt. Ob das ein gutes Omen ist?

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