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DFB-Team siegt nach Kroos-Geniestreich gegen Schweden: Und am Ende gewinnen immer die (lernresistenten) Deutschen


HINTERGRUND

"22 Männer jagen 90 Minuten einem Ball nach, und am Ende gewinnen immer die Deutschen." Dieser berüchtigte Satz stammt von England-Legende Gary Lineker, nachdem das DFB-Team im Halbfinale der Weltmeisterschaft 1990 über die Auswahl der Three Lions triumphiert hatte. Eine legendäre Äußerung, die immer wieder bemüht wird, wenn Deutschland besonders enge, auf Messers Schneide stehenden Partien letztlich doch noch erfolgreich gestaltet.

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Selbstverständlich wurde ebenjene Feststellung auch am Samstagabend erneut zu Rate gezogen, nachdem Toni Kroos in der fünften Minute der Nachspielzeit einen Freistoß von der linken Seite mit chirurgischer Präzision ins lange Eck gezirkelt, und den widerspenstigen, aufopferungsvoll kämpfenden Schweden damit Sekunden vor Abpfiff den Garaus gemacht hatte.

Timo Werner: "Auf dem Platz sind mir fast die Tränen gekommen"

"Große Freude", habe er nach seinem Geniestreich empfunden, wie Kroos im Anschluss an den Last-Minute-Sieg in der Mixed-Zone sagte, Teamkollege Timo Werner verriet sogar, ihm seien "auf dem Platz fast die Tränen gekommen, weil das so geil war."

Toni Kroos Germany Sweden

Kein Wunder, bedeutete der späte Treffer doch, dass der Weltmeister am kommenden Mittwoch gegen Südkorea die Chance hat, aus eigener Kraft ins Achtelfinale einzuziehen. Der Sieg über die Tre Kronor hat auf der einen Seite gezeigt: Die Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw hat große Moral, behielt selbst in der brenzligsten aller Situationen, konkret dem erstmals in der WM-Geschichte drohenden Vorrundenaus einer deutschen Auswahl, einen kühlen Kopf, trotzte der Gelb-Roten Karte für Jerome Boateng – und belohnte sich letztlich verdientermaßen für ihren großen Aufwand.

Defensive Instabilität wie gegen Mexiko

Andererseits musste man sich bisweilen, insbesondere im ersten Durchgang doch einige Male zwicken, um sicher zu gehen, keine Reise in die Vergangenheit gemacht zu haben, zurück zur Auftaktpleite gegen Mexiko vom vergangenen Sonntag.

Einzelkritik zum Spiel gegen Schweden: Kimmich bester Deutscher, Kroos und Reus entscheidend

Wie im Duell mit El Tri rannte Deutschland auch diesmal wieder in zahlreiche Konter, ohne ausreichend in der Defensive abgesichert zu sein, weil die Außenverteidiger Joshua Kimmich sowie der nach seinem grippalen Infekt wieder genesene Jonas Hector ihre Rolle aufs Neue enorm offensiv auslegten und zusätzlich bei Ballverlusten auch im Zentrum abermals riesige Lücken klafften.

Einen Fehlpass von Antonio Rüdiger, der für den verletzten Mats Hummels in die Startelf gerückt war, vermochte Markus Berg nach herrlichem One-Touch-Zuspiel freistehend noch nicht in ein Tor umzumünzen, auch, weil er im entscheidenden Moment des Abschlusses von Jerome Boateng gestört/geschubst worden war, wenige Minuten später machte es sein Sturmpartner Ola Toivonen aber besser, als er die Kugel technisch versiert über Manuel Neuer lupfte.

Germany Sweden Toivonen

Vorausgegangen war dem Ganzen ein kapitaler Ballverlust des sonst so passsicheren Kroos, der diesbezüglich vor den anwesenden Journalisten zugab: "Das ging natürlich auf meine Kappe." In beiden Fällen deckten die Skandinavier die non-existente Absicherung im defensiven Umschaltspiel des amtierenden Titelträgers schonungslos auf, hätten in der Folge sogar noch zu weiteren Torchancen kommen können, sofern sie die teilweise erschreckende Leichtfertigkeit im deutschen Aufbauspiel konsequenter ausgenutzt hätten.

Sami Khedira: "Wir haben aus unseren Fehlern gelernt"

Bemerkenswert an der neuerlichen Offenbarung defensiver Instabilität: Unter der Woche wurde nahezu täglich von etlichen Beteiligten wie ein Mantra heruntergebetet, Trainerteam und Spieler hätten aus den Fehlern des Mexiko-Spiels ihre Lehren gezogen.

Sami Khedira beispielsweise, diesmal etwas überraschend nur Bankwärmer, hatte noch am Donnerstag erklärt: "Wir haben aus unseren Fehlern gelernt." Er schwor zudem, man habe "das gut analysiert und angesprochen", Löw bekräftigte einen Tag später unisono: "Gegen Mexiko hat gar nichts funktioniert. Das Umschalten, das schnelle Reagieren bei Ballverlusten. Wir standen auch hinten in leeren Räumen, da hat es in allen Mannschaftsteilen nicht gestimmt. Deshalb war es wichtig, diese Dinge anzusprechen."

Genau das schienen seine Schützlinge aber nach zehn verheißungsvollen Minuten zu Beginn der Partie bereits wieder vergessen zu haben, traten nämlich ähnliche Unzulänglichkeiten in der Hintermannschaft zutage wie beim 0:1 gegen Mexiko. Eine Lernresistenz, die beinahe ein sportliches Sodom und Gomorrha ausgelöst hätte, zu guter Letzt aber bekanntermaßen ungestraft blieb. Weil ein heller Moment eines Ausnahmefußballers ausreichte, um für Hoffnung zu sorgen. Diese kann aber nur fortbestehen, wenn im Laufe des Turniers konservativer, mit weniger Hang zum Harakiri verteidigt wird.

Denn, so in Stein gemeißelt Linekers Worte auch klingen mögen – darauf verlassen, dass am Ende "immer die Deutschen" gewinnen, kann man sich freilich nicht. 

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