HINTERGRUND
Es war Wasser auf die Mühlen aller Kritiker von Borussia Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, als die Wochenzeitung Die Zeit am Mittwoch veröffentlichte, dass Marco Reus mit ihm aneinandergeraten sei. Es ging um den Vormittag nach dem schrecklichen Anschlag auf die Mannschaft des BVB und dem Zeitpunkt des Champions-League-Spiels gegen Monaco. Watzke trat dafür ein, dass bereits am nächsten Tag wieder gespielt wird. Ein Teil der Spieler nicht. Also doch: Watzke war der Böse - wie Ex-Trainer Thomas Tuchel öffentlich angedeutet hatte.
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So saßen die Spieler, das Trainerteam und eben Watzke an jenem Mittwoch Anfang April zusammen und sprachen über das Geschehene. Dabei soll es zu einem "Wortgefecht" zwischen Reus und Watzke gekommen sein. "Ich halte es für falsch, dass wir heute Abend spielen", soll Reus gesagt haben. Ihm seien Gonzalo Castro und drei nicht namentlich genannte Spieler zur Seite gesprungen. Watzke hatte dagegen öffentlich behauptet, es habe "niemand den Wunsch an mich herangetragen", das Spiel abzusagen.
Pikant: Weder Reus noch Castro hätten überhaupt im Kader gestanden. Der Ausgang ist bekannt: Gespielt wurde trotzdem - und der Streit zwischen Watzke und Trainer Tuchel eskalierte in der Folge. Der Trainer stichelte öffentlich gegen den Geschäftsführer, dieser reagierte genervt. Es war der endgültige Auslöser für die Trennung zum Saisonende.
Getty ImagesSchon lange nicht mehr einer Meinung gewesen: Hans-Joachim Watzke, Thomas Tuchel und Michael Zorc (von links)
Die Dortmunder Fangemeinde ist seitdem in zwei Teile gespalten: Auf der einen Seite die Tuchel-Anhänger, auf der anderen Seite die Watzke-Fans. Der Zeit-Artikel nun wurde also eine Art Bestätigung für die These gesehen, dass allein der Geschäftsführer ein Problem mit Tuchel gehabt hätte. Sportdirektor Michael Zorc weist im aktuellen kicker dieses Gerücht zurück. "Mit dieser Mär möchte ich aufräumen. Die Trennung war das Resultat eines längeren Prozesses", sagte er.
Kommentar: Das Tuchel-Aus war richtig
"Wenn ich das auch mal sagen darf, um von dieser Personifizierung wegzukommen: Beim BVB gibt es im sportlichen Bereich keine Entscheidung, die nicht von mir getroffen und/oder inhaltlich komplett mitgetragen worden wäre. Deshalb ist es völlig falsch, von einem Alleingang von Aki Watzke zu sprechen", führte Zorc weiter aus.
Das ist deutlich - und eine erneute Kritik an Tuchel. "Uns fehlte in dieser personellen Konstellation das Vertrauen, perspektivisch erfolgreich zusammenzuarbeiten und mit einem 'Weiter so' in die neue Saison gehen zu können", sagte Zorc. Zudem muss sich in diesem Zuge die Frage gestellt werden: Warum wird gerade jetzt, nur einen Tag nach der Entlassung Tuchels, dieses pikante Detail veröffentlicht? Es lässt sich zumindest vermuten, dass diese Information bewusst lanciert wurde - von welcher Seite auch immer.
Reus selbst beruhigte die Angelegenheit am Mittwoch schnell. "Aki Watzke und ich hatten und haben keinen Streit, sondern ein gewachsenes Vertrauensverhältnis", teilte Reus dem RevierSport mit. "Und das beinhaltet, dass man auch mal anderer Meinung sein kann und offen über gewisse Dinge diskutieren kann. Aki hat uns nach dem Anschlag letztlich angeboten, dass die Spieler, die nicht auflaufen wollen, sich noch bis zum Nachmittag melden können."
Der Zusammenhalt zwischen Spielern und Watzke scheint also ungebrochen. Führungsspieler unterstützten ihn über die gesamte Zeit des Streits. Selbst als es nach dem DFB-Pokalfinale um die Personalie Nuri Sahin ging, hielten Reus und vor allem Marcel Schmelzer mit ihrer Verwunderung über die Nicht-Nominierung nicht hinter dem Berg und stellten sich damit gegen ihren Trainer.
Tuchel ist nun Geschichte, eine Selbstzerfleischung innerhalb des Vereins dürfte es also nicht geben. Die Verantwortlichen und ein Großteil der Mannschaft liegen in der Causa Tuchel auf einer Linie. Dass Pierre-Emerick Aubameyang kurz vor dem Abgang zu Paris St. Germain steht, fällt zumindest in diesem Punkt nicht ins Gewicht - anders als im sportlichen Bereich. Zumal das scheinbar größte Übel im vergangenen Jahr ohnehin der Trainer war. Nun gilt es, mit einer neuen sportlichen Leitung den Erfolg der vergangenen Jahre fortzuführen. Und das als Einheit.


