Slobodan Komljenovic Yugoslavia World Cup 1998Getty

Exklusiv: Als Jugoslawien vom WM-Titel träumte


EXKLUSIV

"In Serbien (damals Jugoslawien, d. Red.) hat man den Weltmeistertitel erwartet", sagt Slobodan Komljenovic im Gespräch mit Goal mit einem Lachen und fügt - nun mit ernsterem Unterton - an: "Mit dieser Mannschaft hätte man eigentlich das Halbfinale erreichen können."

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Der frühere Bundesliga-Profi, heute 47 Jahre alt und Trainer in der Landesliga, redet von der WM 1998. Er war dabei, damals in Frankreich, stand in drei der letztlich vier Spiele 90 Minuten lang auf dem Platz, machte sogar zwei Tore. Für eine jugoslawische Nationalelf, die gespickt war mit großen Namen, die auch unter Experten als Geheimfavorit auf den WM-Titel galt.

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Starstürmer Predrag Mijatovic hatte gerade erst Real Madrid zum Champions-League-Titel geschossen, Kapitän Dragan Stojkovic war trotz fortgeschrittenen Alters immer noch ein erstklassiger Spielmacher. Auf der Sechs zog Vladimir Jugovic, 1996 CL-Sieger mit Juventus Turin und seinerzeit bei Lazio Rom angestellt, die Fäden, der spätere Inter-Star Dejan Stankovic war eines der größten Talente Europas. Und hinten verteidigten Jungs wie Freistoßkünstler Sinisa Mihajlovic oder eben Komljenovic, der damals beim MSV Duisburg in der Bundesliga kickte.

"Die Mannschaft war Wahnsinn", blickt Komljenovic zurück und gesteht ein: "Wenn man sich die Spieler anschaut, war unser Abschneiden zu schlecht." In der Gruppe belegten die Jugoslawen nach knappen Siegen gegen die USA und den Iran sowie einem 2:2 gegen Deutschland, bei dem man die DFB-Elf am Rande einer Niederlage hatte und durch Tore von Stankovic und Stojkovic zwischenzeitlich 2:0 geführt hatte, den zweiten Platz.

Jugoslawien bei der WM 1998: Drama im Achtelfinale

Das Minimalziel war damit erreicht. Doch es sollte weiter gehen, obwohl im Achtelfinale mit Holland eine der besten Mannschaften des Turniers wartete. Edwin van der Sar, Frank de Boer, Clarence Seedorf, Edgar Davids, Dennis Bergkamp oder Marc Overmars - bei Oranje hatte man 1998 eine Goldene Generation beisammen.

"Wir haben eine ganz schlechte erste Halbzeit gespielt, hatten Glück, nur 0:1 hinten zu liegen", erinnert sich Komljenovic, der sich mit Overmars herumschlagen musste. "Ich habe nie einen schnelleren Gegenspieler gehabt. Das war unglaublich."

Doch die Jugoslawen berappelten sich. Komljenovic selbst traf kurz nach dem Seitenwechsel per Kopf zum 1:1-Ausgleich, wenige Minuten später zeigte der Schiedsrichter nach einem Foul von Jaap Stam an Jugovic auf den Punkt. "Wenn der Elfmeter reingeht, gewinnen wir das Spiel wahrscheinlich", sagt Komljenovic.

Mijatovic trat an, der Superstar der Jugoslawen, der zwei Jahre zuvor für 14 Millionen Euro vom FC Valencia zu Real gewechselt war. "Was ihn extrem ausgezeichnet hat, war die enorme Geschwindigkeit bei der Ballan- und –mitnahme. So hat er sich immer die ein, zwei Meter Platz geholt, die er gebraucht hat", schwärmt Komljenovic von seinem Ex-Kollegen. "Und er hatte eine unfassbare Kaltschnäuzigkeit vor dem Tor - leider bei diesem Elfmeter eben nicht."

Slobodan Komljenovic Yugoslavia World Cup 1998Getty Slobodan Komljenovic (r.) bei der WM 1998 im Gruppenspiel gegen die USA

Mit voller Wucht knallte Mijatovic die Kugel an die Latte, nur Zentimeter fehlten, dass der Ball hinter der Linie wieder heruntergekommen wäre. Die Chance auf die Führung war vertan - und als sich an jenem Abend in Toulouse alle schon auf die Verlängerung einstellten, schlug Holland in der Nachspielzeit doch noch einmal zu. Davids traf zum 2:1-Endstand, Oranje zog ins Viertelfinale ein, scheiterte später im Halbfinale erst im Elfmeterschießen an Brasilien. Und Jugoslawiens Traum vom WM-Titel war jäh beendet.

Jugovic? "Das war Wahnsinn"

Komljenovic erinnert sich heute dennoch gerne zurück an den Sommer 1998. "Das Highlight meiner Karriere. Freude, einfach nur Freude", schwärmt er. Wer ihn aus dem jugoslawischen Mega-Team von damals denn am meisten beeindruckt hat? "Jugovic", antwortet er ohne Zögern und erklärt: "Ich hatte ihn immer als Kämpfertyp gesehen, als einen, der im defensiven Mittelfeld viel läuft und viel arbeitet. Aber als ich ihn dann täglich im Training erlebt habe, habe ich gemerkt: Der Typ verfügt über eine herausragende Technik, das war Wahnsinn. Der konnte so viel mit dem Ball anstellen und hat immer alles gesehen: Wo der Ball hin muss, wo er stehen muss – einfach sensationell."

In Russland hat Serbien nun wieder eine Mannschaft, die über reichlich internationale Klasse verfügt. Schalkes Matija Nastasic und die Routiniers Branislav Ivanovic und Aleksandar Kolarov hinten, Nemanja Matic auf der Sechs, dazu mit Dusan Tadic, Sergej Milinkovic-Savic oder Adem Ljajic viel Qualität im Spiel nach vorne.

"Wir haben eine starke Defensive, Super-Kicker hinten drin", lobt Komljenovic, gibt aber zu denken: "Was uns ein bisschen fehlt, ist der Stürmer." An Nationalcoach Mladen Krstajic hat er daher eine klare Bitte: "Ich hoffe, dass er den Luka Jovic von der Eintracht mitnimmt. Der ist bei Weitem der gefährlichste Stürmer, den wir haben."

Wenn er das Team von 2018 mit "seinem" von 1998 vergleichen müsste? "Damals waren wir von den Namen und den Titeln her doch um einiges besser. Jugovic hat mit allen Mannschaften, bei denen er war, große Titel geholt, Mijatovic hat mit Real automatisch Trophäen gewonnen", betont Komljenovic. "Die Mannschaft damals war um einiges stärker."

Dennoch traut er den Serben in Gruppe E mit Brasilien, der Schweiz und Costa Rica Platz zwei hinter der Selecao zu. "Dann wird’s im Achtelfinale ja vielleicht Deutschland", weiß Komljenovic und bleibt Realist: "Das wird schwierig." Wohlwissend, dass in Serbien von Realismus eher wenig gehalten wird, wenn es um Fußball geht. Dort wird man wahrscheinlich wieder den Weltmeistertitel erwarten. Ganz wie vor 20 Jahren.

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