Die Frankreich-Fans werden ähnlich gut auf die WM 2010 zu sprechen sein wie die Deutschen auf die Weltmeisterschaft 2018 - beide Nationen versagten maßlos in diesen Turnieren.
Trainer der Equipe Tricolore war vor zwölf Jahren Raymond Domenech - auch der wird sich nur sehr ungern an das Versagen in Südafrika erinnern. Mit einem Punkt aus den drei Gruppenspielen landete man auf dem letzten Platz der Gruppe A.
Domenech wird aber vor allem die Halbzeit der Partie gegen Mexiko im Kopf geblieben sein. Der Grund: Nicolas Anelka ließ seinen Gefühlen freien Lauf. Und wie.
Frankreich geht gegen Mexiko unter: Anelka rastet in der Halbzeit aus
Wir schreiben den 17. Juni 2010: Frankreich braucht im zweiten Spiel der Gruppe A dringend einen Sieg, um einen Schritt in Richtung Achtelfinale zu machen. Die Mannschaft um Franck Ribéry, Nicolas Anelka und Co. zeigt in den ersten 45 Minuten jedoch eine bescheidene Leistung.
Mit einem 0:0 geht es in die Pause - bis dato zu wenig für Les Bleus. Und wer sich fragt, wie Mexiko diese Partie mit 2:0 letzten Endes souverän gewinnen konnte, bekommt nun einen Vorgeschmack, warum Frankreich so schlecht aus der Kabine kam.
Laut der französischen L'Equipe soll es nämlich zu einem lautstarken Disput zwischen Anelka und Domenech gekommen sein. Der Nationaltrainer forderte demnach von seinem Mittelstürmer einige taktische Veränderungen.
Getty Anelkas Reaktion? Ein Feuerwerk an Schimpfwörtern. "F*** dich in den Arsch, du H****sohn", zitiert die Sportzeitung die damalige Nummer 21 Frankreichs. Auf diese Worte reagierte Domenech daraufhin mit einer Auswechslung - Gignac kam für den offensichtlich angefressenen Anelka.
Schließlich brachte Javier Hernández die Mexikaner in der 64. Minute in Führung, Cuauhtémoc Blanco setzte in der 79. Minute nach einem Elfmeter dann den Schlusspunkt. Bei den Franzosen sollten die Spannungen aber weiterhin stärker sein als auf jedem Strommast.
Während Mittelfeldspieler Yoann Gourcuff nämlich nach der Partie mit französischen Journalisten sprach, erschienen Anelka und Ribéry in der Mixed Zone.
Gourcuff nahm Ribéry anschließend wahr und senkte seinen Blick. Dann rückte er ganz nah an die Bande, "um wie der Klassenbeste dem Rüpel der Schule Platz zu machen, um keinen Schlag auf den Hinterkopf zu bekommen", wie die L'Equipe berichtete.
Nach dem Spiel wurde Anelka von Trainer Domenech suspendiert. Und dann ging es in die nächste Runde: Mit einem Trainings-"Streik" protestierten Ribéry und Co. dann nämlich gegen den Ausschluss des Nationalstürmers.
Um zu verdeutlichen, wie chaotisch es bei den Franzosen während der WM 2010 zuging: Es folgte noch ein Streit zwischen Kapitän Patrice Evra und Konditionstrainer Robert Duverne, hinzu kam die Kündigung von Delegationschef Jean-Louis Valentin.
Nicolas Anelkas Karriere: Zahlreiche Top-Klubs - Höhepunkt beim FC Chelsea
Das Chaos war bei Anelka hingegen nicht abzusehen gewesen, der damals 31-Jährige war 2010 in der Blüte seiner Profikarriere - und hat unabhängig davon einen durchaus bemerkenswerten Weg genommen.
Die erste Profistation hatte er bei Paris Saint-Germain, von wo er aber schnell zum FC Arsenal wechselte. Bei den Gunners nahm der Rechtsfuß dann eine starke Entwicklung, weshalb er sich 1999 für 35 Millionen Euro Real Madrid anschloss.
Der Hauptstadt-Klub aus Paris wollte seinen Schützling schließlich wieder haben und überwies stolze 34,50 Millionen Euro nach Madrid für dessen Dienste. Über die Jahre spielte Anelka dauerhaft für europäische Top-Klubs: Er ging für den FC Liverpool, Manchester City oder Fenerbahçe Istanbul auf Torejagd.
Im Winter 2008 machte der FC Chelsea dann bei Anelka ernst und einigte sich mit den Bolton Wanderers auf einen 18-Millionen-Transfer.
Keinem Verein blieb er so lange erhalten wie den Blues (vier Jahre). Das hatte auch einen Grund: Im Chelsea-Trikot blühte Anelka regelrecht auf. In der Saison 2008/09 wurde er mit 19 Toren Torschützenkönig der Premier League, 2010 folgte die Meisterschaft mit den Londonern.
Ob die zahlreichen Trainer den gelinde ausgedrückt temperamentvollen Anelka jemals zu Gesicht bekamen, ist unklar. Raymond Domenech wird die Halbzeitpause des 17. Juni 2010 jedenfalls voraussichtlich nie vergessen.