HINTERGRUND
Paris Saint-Germain steht souverän an der Tabellenspitze der Ligue 1 und hat in einer Gruppe mit Bayern München, Anderlecht und Celtic in der Champions League vorzeitig den Einzug in das Achtelfinale klargemacht. Trotzdem ist am Parc des Princes nicht alles Gold, was glänzt.
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Hinter verschlossenen Türen brodelt es und es gibt Probleme, in deren Zentrum der teuerste Spieler der Welt steht.
"Neymar ist charismatisch und unverschämt"
Neymar, der im Sommer für 222 Millionen Euro vom FC Barcelona nach Paris gelotst wurde, soll das fehlende Puzzlestück PSGs auf dem Weg zum ersehnten Triumph in der Königsklasse sein.
Sportlich verlief die Integration des Superstars ohne größere Komplikationen: In elf Spielen markierte er zehn Tore und nimmt auf Anhieb die Anführerrolle auf dem Rasen ein, die ihm zugedacht worden war. Er beweist aktuell, dass er hinter Cristiano Ronaldo und Lionel Messi der drittbeste Spieler der Welt ist und als dieser wurde er in der vergangenen Woche bei den FIFA Best Awards in London auch ausgezeichnet.
Während der Druck der Weltrekordablöse sich bislang noch gar nicht auf seine sportlichen Leistungen auswirkt, sind mehrere Mannschaftskameraden irritiert wegen des Hochmuts des Brasilianers.
Ex-PSG-Sportdirektor Leonardo nannte den 25-Jährigen "charismatisch und unverschämt". Im Journal Du Dimanche warnte er Stürmer und Verein: "Er darf sich niemals größer fühlen als der Klub. Niemals! Auch dann nicht, wenn er der beste Spieler der Welt ist. PSG muss immer wichtiger sein als Neymar, das ist essenziell. Ansonsten werden wir auch nicht den besten Neymar sehen."
Elfer-Zoff offenbarte die Unstimmigkeiten
Das Problem dabei: Neymar fühlt sich aber größer als PSG. Mit dem Moment seiner Verpflichtung genoss er im Verein praktisch den Status eines Königs. Und einmal war dies auch auf dem Rasen zu sehen.
Im Ligue-1-Duell mit Olympique Lyon stand es Ende September Mitte des zweiten Durchgangs noch 0:0, als Dani Alves Edinson Cavani vor der Ausführung eines Freistoßes den Ball klaute und diesen seinem alten Barca-Spezi Neymar reichte. Als Cavani sich wenig später bei einem PSG-Strafstoß wehrte und vor Neymar auf die Ausführung bestand, verstand der Brasilianer die Welt nicht mehr.
Nach dem enormen Hype, den es im Sommer um Neymars Ankunft in der französischen Hauptstadt gegeben hatte, verwunderte es kaum, dass diese Bilder blitzschnell für Schlagzeilen und heiße Diskussionen sorgte. Es waren genau jene Schlagzeilen und Diskussionen, die der Klub verhindern wollte.
Die sportliche Leitung versuchte, die Situation zu entschärfen. Angeblich wurde Cavani ein Bonus in Höhe von einer Million Euro angeboten, damit dieser die Elfmeter künftig Neymar überlässt. Cavani lehnte ab und Neymar war noch wütender. Alleine, dass eine klare Ansage von Unai Emery ausblieb, lässt tief blicken.
Frostige Stimmung bei Dani Alves' Dinner
Vier Jahre spielt Cavani mittlerweile bei PSG und ist Vize-Kapitän. Er ist unter den Mitspielern sehr angesehen und sein Wort hat in der Kabine Gewicht. Die Art und Weise, wie Neymar seinen Sturmkameraden behandelte, kam nicht gut an. Vor allem natürlich nicht bei den Spielern, deren Perspektive innerhalb des Kaders sich durch den Kauf des Angreifers ohnehin verschlechtert hatte.
Dani Alves versucht seinerseits, die Wogen zu glätten und organisierte ein Abendessen für die gesamte Mannschaft. El Pais schrieb anschließend, die Atmosphäre habe der "auf einer Beerdigung" geglichen.
Der Zwist setzt sich aktuell innerhalb der Mannschaft fort. Zum Beispiel sind die Trainingsleistungen Neymars durchaus fragwürdig. Vor zwei Wochen verbrachte der 25-Jährige zum Beispiel den Großteil einer Einheit damit, seine Gegenspieler zu tunneln. Und Laufübungen brach er ab.

Das große Problem dabei: Neymar ist der Meinung, dass er von seinen Mannschaftskameraden mehr Respekt verdient, als diese ihm entgegenbringen. Während Fans und Verein ihm unterwürfig jeden Wunsch von den Augen ablesen, ist das bei seinen Mitspielern nicht der Fall.
Neymar erwartet, dass er wie Leo Messi behandelt wird
Er kam bei PSG in der Erwartung an, er werde dort nun so wertgeschätzt, wie er es von Superstar Lionel Messi beim FC Barcelona gewohnt war. Nun musste er aber lernen, dass sein 222-Millionen-Preisschild nicht automatisch ausreicht, um Respekt von den anderen Stars in einem hochkarätig besetzten Team zu bekommen.
Eine Quelle aus dem Umfeld der Mannschaft sagt der Le Parisien : "Neymar hat sich die letzten vier Jahren in Barcelona an der Seite seines Vorbilds Leo Messi entwickelt. Er hält es für normal, dass er nun in Paris dieselben Privilegien genießt. Er vergisst dabei aber, dass dieses Team schon eine Geschichte ohne ihn hat."
Als Kapitän Thiago Silva und Routinier Thiago Motta versuchten, ihn ein wenig zurechtzuweisen, habe Neymar kaum zugehört gezeigt und abgelenkt gewirkt, so El Pais .
Auch sein Verhalten gegenüber Trainer Unai Emery ist zweifelhaft. In einem Bericht der Le Parisien heißt es, der Ex-Coach des FC Sevilla habe keinerlei Kontrolle über den Brasilianer. Neymar kümmere es kaum, welche Anweisungen der Trainer ihm gebe.
Mehrere Stars sollte gehen, nur Matuidi verabschiedete sich
Der Verein, der ihn als Speerspitze auf dem Rasen und in der Berichterstattung braucht, ist bemüht, sein Aushängeschild zu besänftigen, Spannungen abzubauen und ihm nach Möglichkeit seinen Willen zu geben.
Als PSG Neymar im Sommer verpflichtete, war überall von möglichen Sanktionen wegen eines Verstoßes gegen das Financial Fair Play der UEFA die Rede. Der Verein plante einen Sommerschlussverkauf und kontaktierte die Berater mehrerer Spieler, um deren Willen zu einem Transfer abzuklopfen. Einzig Blaise Matuidi, dem das Vorgehen seines langjährigen Vereins missfiel, entschied sich zu einem Wechsel und ging zu Juventus.
Der Klub hatte seine Position deutlich gemacht und musste anschließend zurückrudern, weil Spieler wie Angel Di Maria, Thomas Meunier und Julian Draxler weiter (wichtige) Teile der Mannschaft waren. Die logische Konsequent: Diese Spieler und ihre sozialen Gruppen innerhalb der Mannschaft reagierten maximal verstimmt.
Will Neymar sein Verhalten ändern?
Neymar steht nun an einem Scheidepunkt seiner Karriere. Ändert er sein Verhalten und wird er zum besten Spieler der Welt? Oder fühlt er sich weiterhin wohl dabei, sich zu benehmen, als sei er allen anderen im Verein überlegen?
Die Antwort auf diese Frage wird wesentlich sein für seine eigene Zukunft, aber auch für die seines Vereins.


