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Genk ist der Klub in Belgien, der viele der Top-Stars des Landes hervorgebracht hat. Kevin De Bruyne, Thibaut Courtois, Yannick Carrasco und Divock Origi trugen schon das Trikot des Klubs, der es trotzdem geschafft hat, um die Titel mitspielen zu können, obwohl er regelmäßig seine besten Akteure zu Geld macht.
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In der aktuellen Saison hat Genk das Viertelfinale der Europa League erreicht, wo gegen Celta de Vigo Schluss war. Und das, obwohl der Verein erst im Januar den 19-Jährigen Leon Bailey und den 20-Jährigen Wilfred Ndidi verkauft hat - für insgesamt rund 33 Millionen Euro Ablöse.
"Verkäufer-Klub? Ist Realität"
Der Transfer von Bailey zu Leverkusen war der teuerste des Bundesliga-Wintertransferfensters und der von Ndidi der drittteuerste der Premier League, wo er nun für Leicester spielt. Patrick Janssens ist Genks Vereinsboss und er muss zugeben, dass der Verein die Talente gezwungenermaßen abgeben muss. Aber das wird seiner Meinung nach Genks Suche nach dem nächsten vielversprechenden Akteur nicht beeinflussen.
"Betrachten wir uns als Verkäufer-Klub? Das ist nicht unser Ziel, aber Realität", sagte er Goal: "Wir sehen uns als Verein, der eine Fußball-Universität ist. Ein Verein, der hochwertige Spieler hervorbringt."
"Wir können nicht mehr viel tun, wenn die Spieler verstanden haben, wie gut sie sind. Und wenn sie verstehen, dass Top-Klubs und viel Geld auf sie warten. Wir hätten sie natürlich gerne länger bei uns, aber das ist nicht immer realistisch", erklärte der Klub-Boss.
Janssens führte weiter aus: "Wir haben eine sehr gute Jugend-Abteilung, die sich toll entwickelt hat. Man kann einen Spielstil erkennen, Methoden, die wir mit den Spielern erarbeitet haben. Alles ist technisch sehr anspruchsvoll und basiert nicht auf Kraft."
"Die Grundlage sind die fußballerischen Fähigkeiten und eine positive, offensive Herangehensweise. Für belgische Standards haben wir etwas geschaffen, das gut läuft. Und der Erfolg, den wir mit dem System haben, hat es uns ermöglicht, Talente aus dem Ausland zu holen", so der Klub-Boss.
Die Goldene Generation
"Wir bringen die Spieler ziemlich schnell in unsere erste Mannschaft. Gleichzeitig müssen wir aber auch sagen, dass wir zu einem gewissen Zeitpunkt so etwas wie eine Goldene Generation hatten", gestand Janssens.
"Es gab De Bruyne, Courtois, Benteke und Carrasco kurz hintereinander, also muss es auch ein wenig mit Glück zusammenhängen. Aber dieses Glück haben wir zu unserem Vorteil genutzt", ergänzte er.
Aus Spielersicht ist Genk also ein Team, das jungen Talenten eine Chance gibt. Der Großteil der Nachwuchskicker, die zu Stars wurden, kommt aus Belgien, aber inzwischen kann sich der Verein auch auf dem internationalen Markt behaupten und zieht begabte, junge Spieler an.

Kalidou Koulibaly kam von Metz aus der zweiten französischen Liga und Ndidi wurde zu einem Probetraining nach Belgien eingeladen, nachdem er in seinem Heimatland Nigeria von Scout Ronald Janssen entdeckt worden war. Janssen ist inzwischen von Manchester United abgeworben worden.
Ndidi hat die Umstellung vom belgischen Fußball auf die Premier League und die Champions League hervorragend verkraftet. Er meint, dass Genk für ihn der erste Schritt zum Erfolg gewesen ist.
"Man wird gut trainiert"
"Genk sammelt viele junge Spieler ein und möchte, dass sie den Fußball richtig verstehen", sagte Ndidi zu Goal. "Für mich war es am Anfang schwer, denn ich war das erste Mal in Europa", fügte er hinzu.
"Ich habe bei einer Familie gewohnt, die sich sehr um mich gekümmert hat. Es gab verschiedene Trainer mit verschiedenen Methoden, aber alle haben versucht, eine junge erste Mannschaft auf die Beine zu stellen und den Talenten eine Chance zu geben. Man wird gut trainiert und sie scheinen immer die richtigen Spieler zu finden", so Ndidi.

Anderlecht trat im Viertelfinale der Europa League gegen Manchester United an und Gent schaltete Tottenham aus, bevor im Achtelfinale im rein belgischen Duell gegen Genk Schluss war. Diese Erfolge auf europäischer Bühne sind ein Zeichen dafür, dass die belgischen Mannschaften nun davon profitieren, dass die schon angesprochene Goldene Generation das Niveau des Nationalteams entscheidend angehoben hat.
Finanziell gesehen ist Belgien aber immer noch nicht vergleichbar mit den fünf großen europäischen Ligen. Die belgischen Vereine legen dabei auf die Sozialarbeit in ihren Städten mehr Wert, als große TV-Verträge abzuschließen, die die Liga auch auf anderen Kontinenten bekannt machen könnten.
Gegen die Flut anschwimmen
In der Europa League trat Manchester United in dieser Saison an und gab im September des vergangenen Jahres einen Rekordumsatz von rund 620 Millionen Euro bekannt. Genk hingegen spielt im selben Wettbewerb und wird als Verein geführt, der keine Gewinne erzielen darf. Janssens erklärte, warum er trotzdem nicht auf Klubs wie United neidisch ist.
"Ich sage immer gerne, dass wir gegen die Flut anschwimmen", meinte er, als er um einen Vergleich seines Teams mit den großen europäischen Vereinen gebeten wurde. "Wir sind als Klub mit einer Verantwortung der Stadt gegenüber gegründet worden", erklärte er.
"Der Verein ist langsam immer größer geworden, aber er hat seine Vereinsstruktur immer behalten. Das bedeutet, dass niemand den Klub kaufen oder verkaufen kann. Keiner kann Geld aus dem Klub nehmen und zum Beispiel Dividenden zahlen. Das ist zwar geschichtlich gesehen kein Einzelfall, aber wir werden immer mehr zu einer Ausnahme", so Janssens.
"In England wurde zu einem Zeitpunkt in den Komfort der Stadien investiert. Das Pay-TV kam auf, die Premier League wurde gegründet. Wir sehen uns eher aus städtischer Klub - in einer Zeit, in der die meisten Vereine zu Firmen werden", meinte der Belgier.
Getty ImagesWaterschei, ein Klub, der schon einmal gegen Aberdeen im Halbfinale des Europapokals der Pokalsieger stand, und Winterschlag, der Klub, der Arsenal im UEFA-Cup 1981 demütigte, taten sich 1988 zusammen und fusionierten zum KRC Genk.
Der Verein steht nun im Mittelpunkt in der Region Limburg. Janssens meint, dass der belgische Fußball bald dem niederländischen den Rang ablaufen wird, obwohl sich die Vereine gerne um die sozialen Probleme in ihrer Gegend kümmern.
"Als Ganzes bewegen wir uns in die richtige Richtung", sagte er. "Die Liga ist ausgeglichener geworden. Und sie ist auch besser als die niederländische", ergänzte er.
Getty Images"Natürlich gibt es in Holland mit Feyenoord, Ajax und PSV drei Verein, die größer als die belgischen Klubs sind, wenn man die Geschichte und die Größe der Stadien betrachtet. Solche großen Vereine haben wir in Belgien nicht. Aber jedes größere Team aus Belgien ist in der Lage, diese drei Mannschaften zu schlagen", war sich Janssens sicher.
Holland überholen
"Natürlich nicht einfach so, das ist klar. Falls wir in der Europa League gegen Ajax hätten antreten müssen, hätten wir an unsere Chance geglaubt. Es ist nicht mehr so, dass wir nicht mehr gegen die niederländischen Teams antreten wollen", sagte er.
"Unsere aktuelle Mannschaft, besonders mit dem aktuellen Trainer, ist schon ganz nah dran an dem Fußball, den wir spielen lassen wollen. Und ich denke nicht, dass wir einen Einzelspieler haben, der genauso außergewöhnlich ist, wie es De Bruyne war. Vielleicht war das ein Bailey, aber der ist ja im Winter gegangen", so Janssens.
"Wir haben einen jungen Kader mit viel Potenzial. Als Team sind wir, was die Spielweise angeht, nahe dran am Ideal", so der Vereins-Boss.


