Wenn es eine Szene gibt, die symbolisch für die Karriere von Valeri Bojinov steht, dann ereignet sie sich am 19. Januar 2012: In der dritten Minute der Nachspielzeit zwischen Bojinovs Klub Sporting Club aus Lissabon und Moreirense im Drittrunden-Match des portugiesischen Ligapokals bekommen die Gastgeber beim Stand von 1:1 einen Elfmeter zugesprochen. Bojinov steht mit dem Ball in der Hand am Elfmeterpunkt schaut in Richtung seiner Teamkollegen und wartet. Der etatmäßige Strafstoßschütze des Teams, der chilenische Nationalspieler Matias Fernandez, meldet sich und will die Kugel für die Ausführung haben – aber Bojinov stößt ihn einfach weg. Pfiffe ertönen von den Heim-Fans im Jose Alvalade.
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Was danach folgt, ist zu diesem Zeitpunkt schon fast klar: Bojinovs Versuch wird pariert. Anstatt sich zum Matchwinner zu krönen, wird er der Sündenbock. Einen Tag nach dem Match gibt sein Klub bekannt, dass er wegen seiner Aktion suspendiert wird.
Es hätte etwas Gutes werden können, aber es lief alles schief. Das war nicht nur an diesem Januar-Abend in Portugal so, sondern gilt irgendwie für die gesamte Laufbahn des Bulgaren.
14 Vereine in 16 Jahren
In einer Szene zeigt sich vieles von Bojinov: sein großes Selbstbewusstsein, manche würden von einem großen Ego sprechen. Sein mitunter schwieriger Charakter. Seine exzellenten Anlagen und das Wenige, was er daraus gemacht hat. 14 Klubs in 16 Jahren sprechen eine eindeutige Sprache.
Zuletzt spielte Bojinov für den FC Lausanne in der Schweizer Super League – wobei 'spielen' sehr freundlich formuliert ist. Meist wartete er seit seinem Wechsel im Sommer auf seine Kurzeinsätze. Im Pokal traf er per Freistoß gegen einen unterklassigen Gegner, es ist sein einziges Tor für Lausanne und wird es auch bleiben, denn in der vergangenen Woche löste er seinen bis 2019 laufenden Vertrag bei den Schweizern nach drei Monaten wieder auf und ist derzeit vereinslos.
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Die Vertragsauflösungen ziehen sich wie ein roter Faden durch die Karriere von Bojinov und sie zeichnen kein gutes Bild vom Stürmer. Sie sind Zeugnis der hohen Erwartungen, die nicht erfüllt wurden. Sie verraten, welchen Ärger es mit dem Bulgaren auch hinter den Kulissen immer wieder gab.
GOALWenn man sich die Liste der Klubs anschaut, die es schon einmal mit Bojinov probiert haben, liest sich das durchaus beeindruckend: Fiorentina, Juventus und Manchester City tauchen dort auf, dazu auch Sporting in Portugal. Wenn man allerdings genauer hinschaut, dann muss man feststellen, dass der Angreifer in seiner Profi-Karriere nur zwei wirklich starke Spielzeiten abgeliefert hat: 2004/05 traf er elfmal für Lecce in der Serie A, 2015/16 gelangen ihm 18 Tore für Partizan Belgrad. Es waren die einzigen Jahre in seiner Laufbahn, in denen er mehr als zehn Liga-Treffer erzielen konnte.
Und wenn man die Karriere noch kompakter zusammenfasst, kann man auch sagen, dass es seit 2005 für Bojinov stetig und rapide bergab ging. Damals war er 19 Jahre alt, inzwischen ist er 31.
Die falschen Schlagzeilen
"Er ist ein Spieler, bei dem immer etwas passiert", sagte der britische TV-Journalist Dave Farrar 2007, als Bojinov für viel Geld von der Fiorentina zu Manchester City wechselte. Er meinte das ausschließlich positiv, doch im Nachhinein hört sich der Satz wie eine böse Vorahnung an. Bei Florenz war man von Bojinov nicht überzeugt, bei Juve war er nur Ersatz-Stürmer in der zweiten Liga, bei Manchester City war er lange verletzt. Und auch bei den folgenden Stationen bekam Bojinov kein Bein auf den Boden, bis sein Ruf nach dem Zwischenfall in Portugal schließlich völlig ruiniert war.
GOALZu wenig Ehrgeiz, mangelnde Fitness, Star-Allüren und ein Privatleben, das vor allem auf den Titelseiten der bulgarischen Boulevard-Blätter stattfand, taten ihr Übriges. Valeri Bojinov und der zwei Jahre jüngere Torhüter Nikolay Mihaylov sollten die neue Generation des Landes führen und an alte Erfolge, etwa den Halbfinaleinzug bei der WM 1994, anknüpfen. Die Beiden teilten aber nicht nur zwei Ex-Partnerinnen, sie waren beide nacheinander mit einem Pop-Sternchen und einem Playboy-Model zusammen, sondern auch das sportliche Schicksal: Mihaylov ist nun mit 29 Jahren ebenfalls vereinslos, nachdem er 2011 noch als Stammkeeper Meister in Holland beim FC Twente geworden war.
"Ich brauche einfach eine Chance. Jemanden, der an mich glaubt", sagte Bojinov 2015. Dabei gab es diese Leute während seiner gesamten Karriere. Doch sie wurden alle enttäuscht. "Ich kann wieder meine Bestform erreichen", behauptete der Stürmer trotzig. In dieser Woche startete Bojinov seine Bewerbungen für einen neuen Klub: Er präsentierte sich auf Instagram beim Training im Fitnessstudio, auf dem Laufband, bei Gleichgewichtsübungen. 'Seht her, ich kann es noch', will er wohl sagen.
Überraschend käme es nicht, wenn es noch einmal ein Verein mit Valeri Bojinov versucht. Überraschend wäre es eher, wenn er mit einer guten Saison oder zwei starken Spielzeiten seinen Absturz aufhalten könnte.