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Real Madrid - Toni Kroos im Exklusiv-Interview: "Zidane sagte mir, dass das Beste noch kommt"


EXKLUSIV-INTERVIEW

Toni Kroos gilt als Fußballer, der über den Tellerrand hinausschaut. So äußert er sich nicht nur im wöchentlichen Podcast “Einfach mal Luppen” mit seinem Bruder Felix auch zu allerlei Themen, die nicht den Sport betreffen. Kroos verfolgt vielfältige Projekte und hat vor einiger Zeit die Toni Kroos Academy ins Leben gerufen.

Im exklusiven Interview mit Goal und SPOX das vor Real Madrids 1:2 in der Champions League gegen Sheriff Tiraspol geführt wurde, spricht der Weltmeister von 2014 daher über weit mehr als über sein Leben bei Real Madrid, sondern erklärt auch, was es mit der Academy, die es als App auf Spanisch, Englisch und Deutsch gibt, auf sich hat. Außerdem äußert sich Kroos dazu, wieso er nicht Trainer werden will und verrät, welche Mitspieler bei Real Madrid außer ihm Fußballschuhe noch selbst putzen.

Herr Kroos, hat sich Ihr Trainer Carlo Ancelotti im Vergleich zu seiner ersten Amtszeit bei Real Madrid eigentlich groß verändert?

Kroos: Ich hatte 2014 ein sehr gutes Verhältnis zu Carlo. Da ich bislang seit seiner Rückkehr noch nicht viele Spiele absolvieren konnte und nicht viele Gespräche geführt habe, kann ich das nicht genau beurteilen. Es gibt aber Unterschiede und ich kann bereits jetzt sagen, dass unser Verhältnis immer noch sehr gut ist.

Er hat Sie also damals nicht angerufen, als er zu Bayern ging?

Kroos: Nein, er wusste, dass ich in Madrid sehr glücklich bin. Und vielleicht wusste ich, dass wir uns eines Tages hier wiedersehen würden. (lacht)

Es wird in Madrid viel über Neuzugang Eduardo Camavinga gesprochen. 

Kroos: Bislang hat er sich sehr gut geschlagen. Wegen meiner Verletzung (Kroos litt an einer Schambeinentzündung, die Red.) habe ich seine Fähigkeiten noch nicht so häufig im Training erlebt. Aber das, was wir bislang in den Spielen gesehen haben, ist sehr gut.

Im Mittelfeld ist auch Fede Valverde ein großes Thema. Stört Sie die Vorstellung eines Generationswechsels - weg vom Trio Casemiro-Kroos-Modric?

Kroos: Nein, das ist in Ordnung. Wir müssen nicht darüber reden, was wir im Laufe unserer Karrieren und auch in der letzten Saison gezeigt haben. Es gibt aber Unterschiede zwischen uns: Casemiro ist 29, Luka ist 36 und ich bin 31. Wir sind nach wie vor in der Lage, auf hohem Niveau zu spielen. Als ich 29 war und unter Zinedine Zidane zum dritten Mal die Champions League gewonnen hatte, sagte er zu mir, dass das Beste noch kommt. Und dass er seine beste Zeit als Spieler ab 30 oder 31 hatte. Ich denke, dass ich mit 31 immer noch sehr gut Fußball spielen kann.

Toni Kroos Real Madrid EntrenamientoReal Madrid

Haben Sie seit seinem Abschied mit Zidane gesprochen?

Kroos: Nein. Wir hatten ein sehr gutes Gespräch, als er ging. Wir teilen dieselben Ansichten. Wie ich ihn kenne, wollte er etwas abschalten. Er nutzt die Zeit mit seiner Familie. Eines Tages werden wir sich wieder Kontakt haben, denn wir hatten schon immer ein gutes Verhältnis.

Es gibt viele Spekulationen um einen Wechsel von Kylian Mbappe. Erwarten Sie seine Verpflichtung?

Kroos: Im Sommer habe ich gesagt, dass ich gerne einen Spieler wie ihn hätte. Gleichzeitig haben wir auch ohne ihn eine gute Mannschaft. Mal sehen, was in der Zukunft passiert. Für mich ist es schwierig, das einzuschätzen, weil ich nicht derjenige bin, der darüber entscheidet. Wir wissen, dass Real ihn verpflichten wollte, es aber letztlich nicht geklappt hat. Meine Meinung für die Zukunft hat sich aber nicht geändert: Die besten Spieler müssen bei Real spielen und er ist sicherlich einer von ihnen.

Sie selbst konnten zuletzt wegen einer Verletzung nicht spielen. Stattdessen haben sie ihr neues Projekt - die Toni-Kroos-Akademie - vorangetrieben. Sie entstand aus der #ToniKroosChallenge, die Sie während der Pandemie auf den Weg gebracht haben. Richtig?

Kroos: Genau, die Idee kam während der Pandemie. Die Kinder konnten nirgendwo zum Fußball gehen. Also habe ich nach einer Alternative gesucht. Ich wollte ihnen ein wenig Freude bereiten. Da sie viele Stunden zu Hause verbringen und in den sozialen Netzwerken sehr aktiv sind, habe ich Online-Übungen vorgeschlagen. Ich bekam über 1000 Videos, das war unglaublich. Es bildete die Grundlage für das Projekt. Dann habe ich überlegt, was ich noch tun könnte. Durch die Veröffentlichung der App auf Englisch, Spanisch und Deutsch haben wir die ganze Welt erreicht. Ich wollte den Kindern etwas Professionelles beibringen, das in Spielen tatsächlich hilfreich sein könnte. Ich glaube wirklich, dass man ein besserer Spieler wird, wenn man die Übungen richtig macht und gut trainiert.

Möchten Sie in Zukunft als Trainer arbeiten, sei es im Nachwuchs- oder im Profibereich?

Kroos: Das muss nicht in der Zukunft liegen, denn ich trainiere bereits viele Kinder auf der ganzen Welt. Das macht mir Spaß, weil ich ihnen mit meiner Erfahrung helfen kann. Es ist nicht so, dass mir jemand etwas vorgibt und ich setze es um. Ich habe mir viele meiner Spiele der vergangenen Jahre angesehen, nach wichtigen Dingen gesucht und sie mit Erklärungen aufgezeichnet. Daran glaube ich. Derzeit denke ich nicht darüber nach, professioneller Trainer zu werden. Ich möchte eher mit Kindern arbeiten. Ich reise ungern viel und verbringe nicht gerne viel Zeit in Hotels. Viel mehr gefällt mir das, was ich täglich tue und die Möglichkeit zu haben, vielen Menschen auf der Welt zu helfen.

Wie kommt Ihre App in der Kabine an?

Kroos:  Ich wurde natürlich gefragt, was es ist, wie es funktioniert und wie ich das mit Podcast, App und drei Kindern zu Hause schaffe. Das Gute ist, dass ich noch jung bin. Wenn wir unterwegs sind, beispielsweise im Flieger oder in Hotels, nutze ich die Zeit. Ich spiele nicht PlayStation, sondern denke darüber nach, was wir mit der App machen könnten.

Im Kapitel "Tanzen mit dem Ball" haben Sie sich von einer Übung in Valdebebas [Trainingsgelände von Real Madrid, Anm. d. Red.] inspirieren lassen. Sie erklären Finten und Dribblings. Dabei sind Sie nicht der klassische Dribbler.

Kroos: Es gehört nicht zu meinem Spiel, viel mit dem Ball zu laufen, aber es gibt Situationen, in denen es sein muss. In diesem Kapitel geht es um enge Ballführung, um Kontrolle zu haben und gleichzeitig den Kopf oben zu behalten. Um dazu in der Lage zu sein, bedarf es viel Training. Es gibt Spieler, bei denen immer alles funktioniert. Mein Spiel besteht nicht darin, vier Gegenspieler auszudribbeln, sondern eine Idee zu haben, bevor der Gegner kommt, um nicht mit Tempo ins Eins-gegen-Eins zu gehen. Es ist wichtig zu wissen, wohin sich der Gegenspieler bewegt, um auf die andere Seite zu gelangen. Diese Fähigkeiten sind für mich wichtiger. Den Ball gut einschätzen und kontrollieren zu können, damit ich auf den Beinen nicht schneller sein muss als mein Gegenspieler. Ich muss schneller im Kopf sein.

In einem anderen Kapitel sieht man, wie Sie Ihre Fußballschuhe, die so nicht mehr produziert werden, putzen. Ist das zum Beispiel bei Real Madrid üblich?

Kroos: Ich habe noch keinen Spieler bei Real gesehen, der seine Schuhe jeden Tag putzt und sich so vorbereitet. Bei mir ist es etwas Besonderes, weil sie für mich das Wichtigste auf dem Platz sind. Wichtiger als vielleicht für andere Spieler! Ich fühle mich nur in diesem Modell [11pro, Anm. d. Red.] wohl. Ich glaube, das liegt am Material und der Farbe. Heutzutage verändert sich das alle ein bis zwei Monate. Für viele Spieler ist das kein Problem, sie bekommen neue Schuhe und spielen am nächsten Tag damit. Ich bin da etwas anders, ich muss mich sehr wohl fühlen. Meine Schuhe trage ich jetzt seit sieben oder acht Jahren. Ich mag, dass sie weiß sind und das Material ist perfekt. Adidas produziert sie zum Glück weiter für mich. Ich pflege sie gut, ich bereite sie vor jedem Training vor und putze sie anschließend, damit sie am nächsten Tag wieder in Ordnung sind.

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Werfen wir noch einen Blick in die Heimat. Mit der neuen Euphorie, die durch Hansi Flick entfacht worden ist: Vermissen Sie es, für Deutschland aufzulaufen?

Kroos: Ich wusste, dass wir sehr gute Spieler mit einer großen Zukunft haben. Ich kenne Hansi Flick aus seiner Zeit als Co-Trainer der Nationalmannschaft. Wir haben nach der EM gesprochen und ich habe ihm meine Idee und Wünsche mitgeteilt. Es hatte nichts damit zu tun, wer Trainer ist. Es war eine persönliche, keine sportliche Entscheidung. Ich wollte etwas mehr Zeit mit meiner Familie verbringen, mich etwas mehr ausruhen und mich nach vielen Jahren in der Nationalmannschaft auf Madrid konzentrieren. Das wäre bei jedem Trainer so gewesen. Ich hätte gerne mit Hansi Flick zusammengearbeitet, aber ich wollte meine Meinung nicht ändern und damit bin ich zufrieden. Ich wünsche ihm nur das Beste, denn er ist nicht nur ein guter Trainer, sondern auch ein toller Mensch, der mit Deutschland viel erreichen wird.

Sehen Sie Joshua Kimmich als Ihren idealen Nachfolger?

Kroos: Er muss mir gar nicht nachfolgen. Wir haben bereits zusammen gespielt und gut harmoniert. Ich mochte ihn sehr. Bei der Europameisterschaft wurde er etwas anders eingesetzt und wir haben nicht zusammen im Mittelfeld gespielt. Er ist ein guter Fußballer und hat einen guten Charakter. Er will immer gewinnen und ist sehr motiviert. Joshua hat zweifelsohne eine große Zukunft vor sich. Er hat ein etwas anderes Profil als ich, aber dennoch ein sehr gutes.

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