Teófilo Gutiérrez: Südamerikas Balotelli, der einen Mitspieler mit einer Waffe bedrohte

Der Begriff "Enfant terrible" wurde im Fußball schon für einige bekannte Spieler verwendet, um ihren Hang zur Auffälligkeit zu beschreiben. Éric Cantona etwa, oder auch Nicolas Anelka. Wörtlich übersetzt bedeutet der Begriff "schreckliches Kind", klingt also gar nicht mehr so schön flapsig, sondern ziemlich ernst.

Mario Balotelli ist wohl das jüngste Mitglied im wenig ruhmreichen Klub jener Spieler, die in der Öffentlichkeit nicht das beste Image haben. Auch Teófilo Gutiérrez hatte im Laufe seiner Karriere einige Momente, die beim Außenstehenden durchaus für Kopfschütteln sorgten. Der heute 37 Jahre alte Kolumbianer wurde bisweilen als "Balotelli Südamerikas" bezeichnet.

Gutiérrez wuchs in der kolumbianischen Großstadt Barranquilla auf, im Viertel La Chinita, das man - egal, zu welcher Tageszeit - eher meiden sollte. "Der Fußball hat mich von der Gewalt weggebracht. Ich hatte schon immer die Mentalität von jemandem, der im Leben etwas werden will. Mein Vater war Juniorentorwart, er hat mich immer ermutigt", blickte Gutiérrez einst zurück.

Seine Familie lebte in ärmlichen Verhältnissen, der kleine Teo arbeitete auf einem Fischmarkt und mahlte zudem Weizen für die Empanadas, die seine Großmutter auf der Straße verkaufte. Wer mit dem Begriff nichts anzufangen weiß: Empanadas sind gefüllte Teigtaschen, die besonders in Spanien und Südamerika verbreitet sind.

Teófilo Gutiérrez bedroht Mitspieler: "Habe nicht darüber nachgedacht"

Als Fußballer schafft er in seiner Heimat bei Atlético Junior den Durchbruch. Im Januar 2010 wechselt er zu Trabzonspor in die Türkei, doch wirklich glücklich wird er dort nicht. Nach einem Jahr wechselt Gutiérrez nach Argentinien zu Racing Club. Und dort kam es im April 2012 zu jener verhängnisvollen Szene, die das Bild von ihm dauerhaft prägen sollte.

Das Derby Racing gegen Independiente gehört zu den größten Rivalitäten in Argentinien, nur Boca vs. River Plate ist noch größer. Und an jenem Tag im April 2012 verlief für Racing zunächst alles nach Plan, auch dank Teo. Er brachte sein Team in Führung, flog jedoch später vom Platz und seine Mannschaft verlor in Unterzahl noch mit 1:4. Anschließend kam es in der Kabine zu einem lautstarken Streit mit Torwart Sebastián Saja, in dessen Verlauf Gutiérrez plötzlich eine Waffe zog und Saja bedrohte.

Teofilo Gutierrez Lanus River Plate 28092014Getty

Schnell stellte sich heraus, dass es sich dabei nur um eine Spielzeugpistole handelte, aber der Schaden war angerichtet. "Ich habe einen schweren Fehler gemacht, das muss ich zugeben. Jeden Tag frage ich mich, warum in aller Welt ich das getan habe. Es sind Momente, Sekunden, ich habe nicht darüber nachgedacht. Es war etwas Unerwartetes: Niemand hätte das erwartet, nicht einmal ich. Das alles geschah in diesem Moment", schilderte Gutiérrez später.

Für seinen Klub war es die eine große Eskapade zu viel, nachdem er sich zuvor im Training bereits mit zwei Mitspielern geprügelt hatte. Noch im selben Monat schickte Racing Teo auf Leihbasis weg. Zunächst für wenige Wochen zu Lanús, später bis Jahresende zu seinem alten Jugendklub Atlético.

Seine erfolgreichste Zeit erlebte Gutiérrez zwischen 2013 und 2015 bei River Plate, wo er unter anderem die Copa Libertadores gewann. Seine starken Leistungen bescherten ihm noch einmal eine Chance in Europa, bei Sporting CP kam er in der Saison 2015/16 immerhin auf 15 Tore in 32 Spielen. Doch erneut konnte - oder wollte - er so weit weg von zu Hause nicht Fuß fassen, nach einem Jahr kehrte er wieder nach Südamerika zurück.

Teófilo Gutiérrez macht sich an Frau von Teamkollegen heran

Ein Jahr war er noch in Argentinien für Rosario Central aktiv, wo er nach einem Tor im Spiel gegen die Boca Juniors im legendären Bombonera die Boca-Ultras mit einem River-Jubel bis aufs Äußerste provozierte. Es kam zu riesigen Tumulten mit den Boca-Spielern, Gutiérrez flog vom Platz.

2017 kehrte er schließlich nach Kolumbien zu Atlético zurück, dorthin, wo alles begann. Doch auch in vertrauter Umgebung konnte er sein provozierendes Verhalten nicht ganz lassen. Über die Sozialen Medien soll sich Teo an die Frau seines Mitspielers Roberto Ovelar herangemacht haben, der ihn zunächst zur Rede stellte und schließlich völlig erbost den Klub verließ.

Im Sommer 2021 verließ das "Enfant terrible" Atlético Richtung Deportivo Cali, seit Jahresbeginn 2023 ist er vereinslos. Apropos: Als Teos Karriere noch nicht abzusehen war und er zwischen Fischmarkt, Weizen und Fußballplatz pendelte, hatte seine Mutter einst große Probleme, die Miete zu bezahlen. Da beruhigte der kleine Bub sie mit den Worten: "Mach dir keine Sorgen, wenn ich Fußballer werde, schenke ich dir ein Haus." Und er hielt Wort. Vielleicht ist doch nicht jedes Enfant terrible ein schreckliches Kind.

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