Radamel Falcao, AS MonacoGetty

Talentarbeit statt Super-Transfer: Monacos neue Philosophie


GOAL Hintergrund 

In der nahen Vergangenheit hat sich bei Monaco einiges getan. Als sie im Sommer 2013 Radamel Falcao und James Rodriguez für eine Summe von knapp 90 Millionen Euro verpflichteten, wurden sie von vielen Seiten mit dem Vorwurf konfrontiert, sie würden sich ihren Erfolg kaufen wollen.

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Bekanntlich scheiterte man mit dieser Methode, denn die Monegassen kamen über einen zweiten Platz in der Ligue 1 nicht hinaus. Das hat bei den Verantwortlichen für ein Umdenken im sportlichen und wirtschaftlichen Bereich gesorgt. Ab diesem Zeitpunkt verabschiedete man sich von riesigen Transferausgaben für gestandene Spieler und änderte die Philosophie des Klubs. Von nun an sollten talentierte Spieler verpflichtet werden, die man nach einer gewissen Entwicklung zu einem viel höheren Preis verkaufen kann.

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Seitdem blüht Monaco auf. Sowohl auf dem Platz als auch finanziell. Mittlerweile ist man eines der beliebtesten und bewundernswertesten Teams weltweit.

"Transfers sind Teil des Fußballgeschäfts", sagte Sportdirektor Vadim Vasilyev gegenüber RMC. „Besonders für Klubs, die nicht so vermögend sind. Und Monaco ist einer dieser Klubs.“

"Paris Saint-Germain, Real Madrid und Barcelona arbeiten wirtschaftlich alle in einer anderen Liga. Hier bei Monaco müssen wir Spieler verkaufen."

Kylian Mbappe MonacoValery Hache

Dass sie mittlerweile dennoch den finanzstarken Rivalen PSG, der seit dem Investoreneinstieg im Jahr 2011 über 650 Millionen Euro für neue Spieler ausgegeben hat, herausfordern können, gibt einen guten Einblick in die brillante Arbeit von Vasilyey und seinen Kollegen.

Ihre kluge Arbeit hat den Klub aus dem Fürstentum bereits an die Spitze Frankreichs gebracht und man ist nur drei Spiele davon entfernt, sich sogar zur Nummer eins im europäischen Klub-Fußball zu küren. Der Halbfinal-Einzug ist bereits ein Erfolg, den der große Rivale aus Paris in den letzten Jahren nicht vorzuweisen hat. Auch heuer scheiterte der Draxler-Klub bereits früh in der K.O.-Phase, als man gegen Barcelona einen 4:0-Vorsprung noch verspielte.

Vor allem die Art und Weise, wie der Erfolg der Monegassen zustandekommt, ist bemerkenswert. Das Team von Leonardo Jardim wird überwiegend wegen seinem erfrischenden Angriffsfußball gefeiert. Auch dank des 4-4-2-Systems stellt man mit 145 Toren in 55 Spielen die torgefährlichste Offensive in Europa. 

Stars wie Kylian Mbappe, Bernardo Silva, Tiemoue Bakayoko und Fabinho wurden geboren. Jetzt geht es nur noch darum, Titel zu gewinnen.

Tiemoue Bakayoko Serge Aurier PSG Monaco Coupe de la Ligue 01042017Gettyimages

Ironischerweise ist eine von Paris verpflichtete Personalie mitverantwortlich für den Aufschwung bei Monaco. 

Vielen ist der Name Bertrand Reuzeau nichtssagend, aber der ehemalige Direktor von Montpellier und Sochaux ist eines der Gesichter des erfolgreichen Jugendkonzepts.

"Ihr könnt mir eines Tages danken", sagte Claude Makelele bei seinem kurzen Intermezzo als technischer Direktor im Fürstentum, als er den ehemaligen französischen Profi anheuern konnte.

Rezeau verließ PSG nach der Verpflichtung von Carles Romagosa, einem ehemaligen Mitarbeiter von Barcas La Masia, mehr oder weniger ohne Umschweife. Der Hauptstadt-Klub vertraute nicht in das Können eines Mannes, der eine Menge an internationalen Stars wie Kingsley Coman, Mamadou Sakho und Alphonse Areola hervorbrachte. Dieser Verlust war Monacos Gewinn.

"Monaco ist der ideale Klub für die Entwicklung junger Spieler und wir müssen alles daran setzen, dass sie bei uns die Chance auf den Durchbruch haben”, sagte Reuzeau bei seiner Ankunft. Bisher liegt er mit seiner Einschätzung richtig. Vor allem Mbappes Leistungsexplosion ist das beste Beispiel für die hervorragende Arbeit bei den Monegassen.

Die Fokussierung auf die Jugendarbeit ist natürlich kein neues Phänomen, aber beim Klub von der Cote d’Azur wird seit Jahren konstant darauf geachtet. Es gab immer wieder Phasen, in denen das Team mit Top-Stars verstärkt wurde, aber ein großer Anteil des Kaders bestand in der Regel aus eigenen Spielern. So stammen beispielsweise die Weltmeister Thierry Henry, Lilian Thuram und Emmanuel Petit aus der hauseigenen Akademie.  

Real Madrid hat seine cantera, das spanische Wort für Steinbruch. Monacos System in der Jugendarbeit hat sein Herz sprichwörtlich auch wieder in einem Steinbruch gefunden. Einem stillgelegten Steinbruch. La Turbie, das eigentlich in Frankreich liegt, ist der Ort, an dem seit 1981 Talente gezüchtet werden.

Aber es ist keine gewöhnliche Akademie. Bei Monaco werden die Spieler nicht im Alter von acht oder neun Jahren bereits angeworben. Wegen dem Mangel an Talenten in der Region müssen die Verantwortlichen einen anderen Weg einschlagen und darauf warten, bis die Spieler die Jugendarbeit des französischen Fußballverbandes durchlaufen haben. Auch danach wird viel mehr auf Qualität als auf Quantität geachtet.

Das Scouting beginnt bereits viele Jahre vorher

"Während meiner Zeit in Monaco habe ich gelernt, dass der Klub das beste Scouting-Netzwerk in Frankreich hat", sagte der ehemalige Sportdirektor Tor-Kristian Karlsen dem Guardian. "Ab dem Alter von 11 oder 12 Jahren werden landesweit die besten Spieler aufgespürt. Sie haben sehr qualifizierte Scouts in allen Regionen, die bei Beobachtungen eine herausragende Arbeit leisten."

Natürlich sind es nicht nur die vielen jungen Spieler, die Monaco an die Spitze geführt haben. Die Grundlage dafür wurde auch bei ihren Transfers gelegt. Auch hier stellen sie den Pariser Rivalen klar in den Schatten, bei dem Sportdirektor Patrick Kluivert bereits nach einer Saison wieder vor dem Aus steht.

Luis Campos, ein ehemaliger Scout von Mourinho bei Real Madrid, spielte bei den Transfers von Radamel Falcao, James Rodriguez, Bernardo Silva und Joao Moutinho dank seinen Beziehungen zum erstklassigen Berater Jorge Mendes eine große Rolle. Als Monaco sich vom Konzept der großen Transfers verabschiedete, schaffte er es auch vielversprechende Talente wie Bakayoko, Sidibe oder Mendy nach Monaco zu bringen.

HD Djibril SidibeGetty

All diese Spieler wurden mit der Versprechung gelockt, dass sie im Fürstentum die besten Voraussetzungen für ihre Entwicklung vorfinden würden. Und sie alle bekamen ihre Chance. Sidibe ließ dafür sogar ein Angebot von Arsenal unbeachtet.

"Es fehlten nur noch Kleinigkeiten bis zu meiner Unterschrift", erklärte er Le Parisien. "Normalerweise nimmst du so ein Angebot einfach an, aber nach reichlicher Überlegung, war ich der Meinung, dass ich möglicherweise nicht so viel spielen würde."

In Monaco kommt er auf seine Einsätze und stand in dieser Saison über 40 Mal auf dem Platz und ohne eine Blinddarmentzündung wären es sogar noch mehr Spiele geworden. Und außerdem ist er nun mit seiner Mannschaft in der Champions League weiter gekommen, als die Gunners im Großteil des letzten Jahrzehnts.

Campos war also mehr oder weniger für den Sidibe-Transfer verantwortlich, aber im Sommer muss man seinen Abgang verkraften. Ihn zieht es nach Lille, wo Klubeigner Gerard Lopez ein Projekt startet, das dem System Monacos durchaus ähnlich sein soll.

Im Fürstentum wird man also erst im Sommer herausfinden, wie schwerwiegend dieser Verlust ist. 

Während bei PSG in den letzten zwölf Monaten einige Transfer-Flops dabei waren, hat bei der AS in letzter Zeit so gut wie alles zusammengepasst.

Es hat sogar den Anschein, als würde dieses Team bereits seit Jahren zusammenspielen. Auch in der entscheidenden Phase der Saison treten sie wie Champions auf, aber die Grundlage dafür wurde schon lange Zeit vorher dank einer herausragenden Arbeit gelegt.

Im reichsten Fürstentum der Welt hat man also herausgefunden, dass man mit Geld nicht unbedingt auch immer Erfolg kaufen kann.

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