Cristiano Ronaldo Euro 2016 European Championships FranceGetty Images

Ronaldo, der Vollendete: "Ich habe seit 2004 darum gebetet"

Die letzten Schritte waren verdammt mühsam. Cristiano Ronaldo humpelte die Stufen nach oben, sein linkes Knie war dick bandagiert, doch nichts und niemand konnte ihn nun noch aufhalten. Dann endlich, nach zwölf quälend langen Jahren, hielt er endlich diesen großen, silbernen Pokal in den Händen. Er riss ihn an sich, schüttelte ihn, küsste ihn heiß und innig. Seine Karriere war in diesem Augenblick vollendet. Er war glücklich, demütig und dankbar.

"Ich habe seit 2004 darum gebetet, dass ich noch eine Chance bekomme", sagte Ronaldo. 2004 hatte er als 19-Jähriger das Finale der EM in Portugal verloren, 0:1 gegen Griechenland. Seine Gebete wurden erhört, er bekam seine Chance - und musste nach 25 Minuten unter Tränen ausgewechselt werden. Alles schien verloren, doch ein Mann namens Eder (109.) schoss Ronaldo und Portugal zum 1:0 (0:0) n.V. gegen Frankreich schließlich ins Glück.

"Nicht der Schwan hat getroffen, sondern das hässliche Entlein", sagte Portugals Trainer Fernando Santos, ein Satz, der das gesamte Turnier für seine Mannschaft gut zusammenfasste. Ronaldo und seine Portugiesen hatten sich durch die Vorrunde gequält, sie belegten nur Rang drei in ihrer Gruppe, mogelten sich danach an Kroatien vorbei, besiegten Wales. Ihr Fußball war destruktiv, unansehnlich, Ronaldo teils wenig überzeugend - aber: am Ende erfolgreich.

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Innenbandverletzung bei Ronaldo

Portugal verkraftete sogar den Ausfall seines Superstars, der nach einem Foul von Dimitri Payet (8.) mit einer Innenbandverletzung im linken Knie erst weitermachte, dann aber mit einer Trage vom Platz geholt werden musste. "Das war hart", gestand Abwehrspieler Pepe, "wir haben alle Hoffnungen in ihn gesetzt, weil er ein Spieler ist, der in jeder Minute ein Tor schießen kann." Nun konnte er nicht mehr, doch die Portugiesen sagten sich: Jetzt erst recht!

"Als er gesagt hatte, dass er nicht weitermachen kann, habe ich meinen Mitspielern gesagt: Wir gewinnen es für ihn, wir kämpfen für ihn", sagte Pepe. Er selbst ging mit gutem Beispiel voran, er hielt den Laden zusammen, er spielte nicht weniger überragend als ein paar Meter hinter ihm Rui Patricio, der Torhüter, der die Franzosen mit Glanzparaden zur Verzweiflung brachte. Einer konnte nicht mehr für alle, also: alle für einen, alle für Portugal.

Obwohl: Ronaldo tat, was in seiner Macht stand. Er stand an der Seitenlinie, er gestikulierte, motivierte, fast war er mehr Trainer als Santos. Der Superstar, verschrien als arrogant, als gnadenloser Egoist, bestätigte auch in diesen Momenten, was die über ihn sagen, die ihn abseits des Rampenlichts erleben: Ronaldo ist ein Teamplayer. "Er hat uns unterstützt, er hat uns Stärke gegeben", sagte Eder, der eingewechselte Schütze des Siegtreffers.

Lob für Coach Santos

Es gab aber keinen Spieler, der nicht auch den Trainer lobte. Santos, gekommen aus Griechenland, hatte die Portugiesen im Spätsommer 2014 übernommen. Sein erstes Spiel war: eine Niederlage (1:2), gegen Frankreich, im Stade de France. Danach gelang es ihm, eine homogene Mannschaft aus den Alten und Jungen zu bilden - in die sich Ronaldo einordnete, in der er sich unterordnete, auch, wenn es ihm bisweilen schwer fiel.

"Wir repräsentieren die portugiesischen Menschen", sagte Pepe und betonte: "Wir waren demütig." Das galt eben auch für Ronaldo. Der 31-Jährige, unter anderem dreimaliger Weltfußballer und dreimaliger Gewinner der Champions League, wollte diesen Titel so sehr, dass er dafür seine Gesundheit aufs Spiel setzte. "Unser Kapitän ist unglaublich, er hat einen riesigen Spirit, er investiert doppelt so viel wie alle anderen", sagte Santos.

Während in Lissabon und andernorts in Portugal die Menschen die Nacht zum Tage machten, war Ronaldo vor allem: glücklich, dankbar - und überhaupt nicht der Pfau, als der er sich oft gebärdet. "Diese Trophäe ist für alle Portugiesen und für alle, die mit uns geweint haben", sagte Ronaldo. "Wir haben gezeigt", ergänzte Staatspräsident Marcelo Rebelo, "dass wir alle Widrigkeiten überwinden können."

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