Robert Lewandowski Borussia Dortmund Real Madrid 24042013Getty

Robert Lewandowski vom FC Bayern: Tormaschine mit Schönheitsfehler


HINTERGRUND

Er liegt schon über fünf Jahre zurück, der letzte ganz große Abend von Robert Lewandowski. Damals, am 24. April 2013, trug er noch das schwarz-gelbe Trikot von Borussia Dortmund, er sah noch etwas jugendlicher aus, und gegen Ende dieses denkwürdigen Abends im Westfalenstadion streckte er mit der rechten Hand vier Finger in die Höhe.

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Viermal. So oft hatte Lewandowski im Halbfinalhinspiel der Champions League gegen Real Madrid getroffen, teils in technischer Vollendung. Lewandowski hatte Cristiano Ronaldo die Show gestohlen, er hatte sich innerhalb von 67 Minuten auf die Einkaufszettel sämtlicher Top-Klubs aus Europa gespielt, sofern er dort nicht ohnehin schon vermerkt war. An jenem 24. April verabschiedete sich Lewandowski endgültig aus der internationalen Klasse, fortan wurde er als Weltklasse-Stürmer, als Prototyp des modernen Angreifers wahrgenommen.

Viereinhalb Wochen nach diesem magischen Auftritt blieb der Pole blass im deutschen Finale von Wembley. Der BVB verlor die enge Partie gegen Bayern knapp mit 1:2 und für Lewandowski begann eine Serie, die ihn selbst am meisten wurmt.

Robert Lewandowski nach Hinspiel in der Kritik

Beim FC Bayern hatten sie sich viel versprochen von den Qualitäten des Torjägers, der 2014 in den Süden gewechselt war und so vielseitig ist, dass er ohne Zweifel nach wie vor zu den besten Angreifern des Weltfußballs zählt. Sie haben freilich auch viel bekommen, 149 Tore in 191 Pflichtspielen sind eine beachtliche Quote. Einzig in den ganz großen, in den besonders wichtigen Partien hakt es mitunter beim inzwischen 29-Jährigen. Nicht erst seit seiner schwachen Leistung bei der 1:2-Niederlage im Halbfinalhinspiel der Königsklasse gegen Real am vergangenen Mittwoch muss sich Lewandowski Vorwürfe gefallen lassen, in den entscheidenden Spielen nicht seine beste Leistung abzurufen.

ZDF-Experte Oliver Kahn kritisierte etwa zuletzt, dass er Lewandowski "in diesen Spielen einfach zu wenig" sehe. "Bei seinen Qualitäten hatte er im Hinspiel nicht genügend Bedeutung, denn diese Art von Spielern muss in solchen Partien den Unterschied ausmachen", ergänzte der frühere Bayern-Verteidiger Bixente Lizarazu im kicker.

Karl-Heinz Rummenigge dagegen findet die Diskussion "lächerlich". Lewandowski habe auch in diesem Jahr 39 Tore gemacht "und wir sind froh, dass er bei uns ist und im nächsten Jahr auch noch bei uns spielen wird", erklärte der Vorstandsboss am Montag am Münchner Flughafen. Lewandowski sei "eine Tormaschine". Und überhaupt: Selbst Gerd Müller, "der ja in allen Statistiken die Nummer eins ist", habe auch mal Spiele gehabt, in denen es nicht so lief. Dann seien aber wieder Spiele gekommen, da habe er zwei-, dreimal getroffen. "Ich wünsche Lewandowski, dass er morgen so einen Tag hat", sagte Rummenigge, bevor er im Lufthansa-Airbus A340-600 mit der Flugnummer 2570 verschwand.

Lewandowski: Bilanz in K.o.-Spielen täuscht

Einen solchen Tag hatte Lewandowski allerdings erst zweimal in seiner Karriere. Der eine liegt über fünf Jahre zurück, der andere fast sechs, datiert vom 12. Mai 2012. Damals fertigte der BVB die Münchner im DFB-Pokalfinale mit 5:2 ab, Lewandowski steuerte drei Treffer bei. Seitdem blieb er in beiden Finalspielen des deutschen Pokals ohne Treffer. Und auch in den K.o.-Spielen der Champions League überzeugte er angesichts seiner Fähigkeiten zu selten.

Seine Bilanz liest sich zwar gut, sie täuscht allerdings etwas über die jüngere Vergangenheit hinweg. Lewandowski hat in 30 K.o.-Spielen zwar 19 Treffer und in sieben Halbfinalspielen sechs Tore erzielt, vier davon stammen aber aus jener Galavorstellung gegen Real Madrid. Rechnet man diese heraus, stehen zwei Tore in sechs Halbfinalpartien zu Buche, Lewandowski hat dann 269 Minuten pro Tor gebraucht und eine Chancenverwertung von neun Prozent. In den sechs Halbfinaleinsätzen seit dem 4:1 gegen Real gab Lewandowski 26 Torschüsse ab, von denen bloß zwei im Tor landeten. Und von seinen fünf Großchancen verwertete der Pole in diesen Begegnungen nur eine.

Robert Lewandowski Borussia Dortmund Real Madrid 24042013GettyRobert Lewandowski nach seinem vierten Tor im CL-Halbfinal-Hinspiel gegen Real im April 2013

Lewandowski ist ein außergewöhnlicher Fußballer, er ist einer, der gegen den VfL Wolfsburg fünf Tore in neun Minuten macht, der gegen seinen Ex-Klub aus Dortmund in 15 Partien zehnmal getroffen hat. Lewandowski ist aber auch einer, der in einem Halbfinalspiel gegen Real Madrid eine hundertprozentige Möglichkeit ungenutzt lässt. Einer, der dann seine wenigen Fehler macht, wenn man sie sich am wenigsten erlauben darf. Seit vier Spielen ist Lewandowski in der Königsklasse ohne Tor. 

"Ein Weltklassespieler": Lewandowski für Heynckes gesetzt

Lewandowski hat nicht viele Schwächen, aber diese eine muss er sich ankreiden lassen. Er, seine Berater, eigentlich alle im Fußball-Buisness sehen ihn an der Weltspitze. Doch genau dort, auf allerhöchstem Niveau, hat er noch Luft nach oben.

Zuletzt wurde Lewandowski unterstellt, lustlos zu trainieren, es hieß wieder einmal, der Stürmer wolle seinen Wechsel zu Real Madrid forcieren. Weil Sandro Wagner gleichzeitig so stark aufspielt, wurde sogar spekuliert, dass dieser eine ernstzunehmende Alternative für die Startelf darstelle.

"Robert", sagte Trainer Jupp Heynckes dazu, "ist für mich ein Weltklassespieler. Sie glauben doch bitte schön nicht, dass ich ihn in Madrid weglassen würde. Er hat bis dato 39 Pflichtspieltore erzielt, das ist eine Saisonmarke, davon träumen die meisten Stürmer in Europa." Außerdem trainiere Lewandowski gut. 

Der 72 Jahre alte Coach hatte vergangene Woche ein längeres Gespräch mit seinem Schützling geführt. Nun hofft er, dass der Stürmer die richtige Antwort auf dem Spielfeld gibt.

Sammer: "Weltklasse zeigt sich in Weltklasse-Momenten"

Am Montagabend nahm er Lewandowski dann erneut in Schutz. "Wir hatten in der Bundesliga große, große Torjäger: Klaus Fischer, Gerd Müller, ich kann mich auch selbst dazuzählen. Und wir hatten alle Phasen, in denen wir nicht getroffen haben und kritisiert wurden. Dann ist es wichtig, dass man Vertrauen vom Trainer bekommt. Und Lewy hat meine volle Unterstützung", sagte er im Bauch des altehrwürdigen Estadio Santiago Bernabeu auf der Pressekonferenz. 

Und außerdem liege es ja nicht nur an Lewandowski. "Die Mannschaft spielt auch eine Rolle", sagte Heynckes: "Es ist zum Beispiel wichtig, dass ein Mittelfeldspieler mit in die Tiefe geht, damit sich nicht beide Innenverteidiger auf Robert konzentrieren können."

Matthias Sammer pflichtete Heynckes bei, "dass Robert ein Weltklasse-Spieler ist", ergänzte jedoch bei Eurosport: "Aber Weltklasse zeigt sich in Weltklasse-Momenten, in Situationen, in denen du das Außergewöhnliche beweisen musst. Ich finde das Rückspiel ist ein wunderbarer Augenblick, seine Gefährlichkeit und seine Klasse zu zeigen."

Die Erinnerung an die zwei glorreichen Abende Lewandowskis aus BVB-Zeiten werden weiter verblassen, in München schauen sie darauf ohnehin nicht gerne zurück. Um seinen Fähigkeiten und seinen eigenen Ansprüchen gerecht zu werden, muss Lewadowski endlich wieder eines dieser ganz großen Spiele entscheiden. Am besten gleich am Dienstagabend.

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