GFX GnagnonGoal / Getty Images

Rennes-Talent Joris Gnagnon: Auf den Spuren von Mbappe und Dembele


HINTERGRUND

Direkt hinter einem der trostlosen Betonklötze in Bondy, einem Banlieue im Pariser Osten, liegt ein Hartplatz. Daneben eine Halfpipe, auf die Grafitti gesprüht wurden. Sonst dominiert die Farbe Grau. Selbst der Himmel, der diesen Ort Frankreichs, an dem Träume meistens enden, bevor sie richtig begonnen haben, überspannt, ist meistens gräulich. Der Smog der Großstadt färbt sein leuchtendes Blau, wenn der Wind ungünstig steht, in ein Anthrazit, das alles Helle zu verschlucken scheint. Hier, auf diesem Platz, auf dem sich Jung und Alt tummeln und gemeinsam davon träumen, es dem neuen, alles überstrahlenden Idol Bondys nachzumachen und es auf die große Bühne zu schaffen.

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Die Bühne, die derzeit so omnipräsent in der Hauptstadt und letztlich in ganz Frankreich ist. Die Bühne, auf die seit jenem Sommertag, an dem Paris Saint-Germain für 222 Millionen Euro Neymar verpflichtete, die ganze Welt blickt. Die Bühne, die hell erleuchtet im Parc de Princes steht. Die Bühne, auf der neben Neymar und Cavani Kylian Mbappe spielt. Dieser begnadete 18-Jährige, der einst hier, mitten im Grau des Banlieue-Platzes kickte. Ein zwei Jahre Älterer ist in der gleichen Banlieue geboren, spielte hier mit Mbappe, ehe der wegzog. Nach Monaco, in eine bessere Zukunft. Joris Gnagnon aber blieb, hatte den Traum schon fast aufgegeben, versuchte es in Mannschaften aus Pariser Vororten.

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Mit 17, in dem Alter, in dem Mbappe längst eine leuchtende Zukunft prophezeit wurde, ergatterte Gnagnon einen Vertrag bei Stade Rennes' U19, in jener Akademie, in der auch Ousmane Dembele und Tiemoue Bakayoko ausgebildet wurden. Neben Ersterem, jenem neben Mbappe anderen Hochbegabten des französischen Fußballs, der heute für den FC Barcelona spielt, erkämpfte er sich einen Stammplatz in der A-Jugend der Bretonen. Er arbeitete hart, immer vor Augen, dass Mbappe es raus aus Bondy geschafft hatte, jener Techniker, mit dem zusammen er in den Straßen dieses trostlosen Vororts aufgewachsen war.

Joris Gnagnon RennesGetty

Geprägt vom Straßenfußball

"Meine Eltern haben mich geprägt", sagt er auf der Homepage von Stade Rennes. Sie kamen als Immigranten aus der Elfenbeinküste nach Paris. "Für sie habe ich hart gearbeitet, um ihnen ein besseres Leben zu ermöglichen." Und so lernte er schnell, war für einen Innenverteidiger extrem handlungsschnell und technisch versiert – die Prägung des Straßenfußballs.

Drei Tage nach seinem 19. Geburtstages stellte ihn Rennes-Trainer Philippe Montanier zum ersten Mal von Beginn an auf. "Ich habe einfach immer mein Bestes gegeben", sagt Gnagnon, der nie wie die anderen Talente, die es zuhauf in der Ligue 1 gibt, in Frankreichs Auswahlteams gespielt und im legendären Zentrum Clairefontaine trainiert hatte. Erst im März dieses Jahres wurde er in die U20 der Equipe Tricolore berufen. Da aber war er längst Stammspieler in der französischen Beletage.

Denn "sein Bestes" war verdammt gut. 2015/16 noch nur siebenmal in der Ligue 1 auflaufend wurde er im Folgejahr von Christian Gourcuff, dem Vater des einstigen Megatalents Yoann, vom einen auf den anderen Tag zum Stammspieler befördert. Am elften Spieltag war das. Seitdem ist er aus der Startelf Rennes' nicht mehr wegzudenken. Ein einziges Mal spielte er seitdem nicht. In dieser Saison sind es gar erst elf Minuten insgesamt, die er nicht absolvierte. Und das aus gutem Grund: Er ist dynamisch, ballsicher, hat ein gutes Auge, Ruhe am Ball, ist kopfballstark. Er bringt das Gesamtpaket eines modernen Innenverteidigers mit. Und das, obwohl er erst so spät einem der berühmten Leistungszentren der Profi-Klubs beitrat. Geduldig arbeitet er an seinen Schwächen und stärkt seine Stärken.

Joris GnagnonGetty

"Der ideale Verteidiger"

"Er hat alles, was es braucht, um erfolgreich zu sein", sagt Trainer Gourcuff. "Er setzt seinen Körper sehr gut ein, liest aber gleichzeitig das Spiel. Seine Technik ermöglicht es ihm, einen sauberen Spielaufbau zu kreieren. Für mich ist er der ideale Verteidiger." Ein Loblied wie dieses ruft natürlich Scouts der Top-Teams auf den Plan. Die des FC Chelsea, die ihn ein Jahr lang beobachtet hatten, wollten im vergangenen Sommer zuschlagen: Sie unterbreiteten Rennes ein Angebot für den 20-Jährigen. Und Gnagnon? Lehnte ab. Er wolle sich lieber in Ruhe entwickeln und nichts überstürzen.

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Eine Entscheidung, die von seiner Reife zeugt. Er denkt viel nach über seine Entscheidungen. So wie die, künftig für die Elfenbeinküste aufzulaufen, das Land seiner Eltern, wo seine Wurzeln liegen. Anfang Oktober war er gegen Mali erstmals im Kader. Zwar kam er noch nicht zum Einsatz, aber auch hier hat er selbstredend eine große Zukunft. Mit Eric Bailly und Serge Aurier wird er, entwickelt er sich weiter so kontinuierlich, eine Top-Abwehr bilden.

Aurier kommt übrigens aus einem Nachbar-Banlieue Bondys. Und auch er hat es geschafft. Raus aus dem Grau, aus dem Elend, der Trostlosigkeit. Er steht wie Mbappe und so viele andere bereits für die Hoffnung, es auf die große Bühne zu schaffen. Gnagnon ist ebenfalls auf dem besten Weg. Es werden weitere Angebote kommen. Von Chelsea und den anderen Big Playern der Branche. Denn das Rennes-Juwel, das einst mit Mbappe auf einem Hartplatz kickte, ist etwas Besonderes. Oder wie es Gourcuff ausdrückte: "Er hat eine strahlende Zukunft. Ich traue ihm alles zu." Gnagnon denkt daran erst einmal gar nicht, er wird einfach weiter "sein Bestes" geben. Für seine Eltern. Denen hat er kürzlich eine Wohnung in einem besseren Viertel gekauft. 

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