Pietro Pellegri Monaco 2018Getty Images

Pietro Pellegri: Wie der "neue Messi" in Monaco die Hölle erlebt


HINTERGRUND

Enrico Preziosi war euphorisch. Vor allem, weil sein FC Genua, den er seit 2003 als Präsident anführt, ein solches Juwel in seinen Reihen hatte. Sicherlich aber auch ob der Aussicht, dieses Juwel in nicht allzu ferner Zukunft mal für eine riesige Summe verkaufen zu können. 

"Wir haben den neuen Messi. Er heißt Pellegri", sagte Preziosi schon 2015. Er sprach seinerzeit von einem gerade mal 14-Jährigen, von Pietro Pellegri. "Wunderstürmer" nannten sie ihn schon damals. Ihn, der gut ein Jahr nach Preziosis huldigender Ankündigung mit nur 15 Jahren, neun Monaten und fünf Tagen in der Serie A debütieren sollte. Der aus Genua stammt, der seit Kindheitstagen glühender Fan des FC ist, in dessen Heimatviertel Pegli im Westen der italienischen Hafenstadt er aufwuchs.

Pellegri, der mit 16 dann auch sein erstes Tor in der Serie A folgen ließ, war im Jahr 2017 eines der begehrtesten Talente auf der ganzen Welt. Juventus Turin, Inter Mailand, AC Mailand, auch Manchester United - sie alle machten keinen Hehl daraus, den italienischen Junioren-Nationalstürmer, der von seiner Spielart an sein Idol Zlatan Ibrahimovic erinnert, verpflichten zu wollen - und sie boten teilweise horrende Summen dafür.

Pellegri, von seinem Vater Marco, der als Teammanager bei Genua arbeitet, bestens beraten, wählte den nächsten Schritt in seiner noch jungen Laufbahn aber mit Bedacht. Im Sommer 2017 blieb er zunächst noch in Genua, für das ihm in insgesamt neun Serie-A-Einsätzen drei Tore gelangen. Und im Januar 2018 ging er dann statt zu einem der ganz großen Namen nach Monaco. Bei der AS, so hoffte er, würde er sich mit etwas mehr Ruhe weiterentwickeln können.

pietro pellegri genoa 18092017Social Media

25 Millionen Euro zahlten die Monegassen für Pellegri. Mit Vinicius Junior, den sich Real Madrid im Sommer 2017 45 Millionen Euro hatte kosten lassen, war weltweit nur ein 16-Jähriger je teurer.

Pietro Pellegri: Monaco statt Juve oder United

Auch von außen betrachtet erschien der Wechsel nach Frankreich sehr sinnvoll. Eine Saison zuvor war Monaco mit einer extrem talentierten Mannschaft bis ins Halbfinale der Champions League vorgedrungen und hatte PSG vom nationalen Thron gestoßen. Die vielversprechendsten Jungstars hatte der Klub aus dem Fürstentum daraufhin für viel Geld verkauft: Kylian Mbappe an PSG, Benjamin Mendy und Bernardo Silva an Manchester City, Tiemoue Bakayoko an Chelsea.

Monaco brauchte also Nachschub, neue Hoffnungsträger. Und Pellegri kam in dem Wissen, dass man bei den Monegassen als junger Spieler seine Chancen bekommt, dass man hier rasch sogar Verantwortung übernehmen kann. 

Doch die gut zwei Jahre, die Pellegri bisher in Frankreich verbracht hat, kommen einem Albtraum gleich. Verletzung reihte sich an Verletzung, in Fahrt kommen konnte er deshalb nie. Lediglich sechs Pflichtspiele hat der inzwischen 19-Jährige bis dato für Monaco absolviert, das letzte davon im September 2018.

Der Start verlief noch ganz ordentlich. Nachdem er zunächst behutsam ans erste Team herangeführt worden war, traf Pellegri Anfang der Saison 2018/19 gegen Bordeaux und avancierte damit zum ersten im 21. Jahrhundert geborenen Spieler, der in der Ligue 1 ein Tor erzielte. Das gleiche Kunststück, das er ja schon in der Serie A fertig gebracht hatte.

Doch seit jenem Tor gegen Bordeaux am 26. August 2018 hat man von Pietro Pellegri kaum noch etwas gehört. Zunächst schmerzten die Leisten, dann zog er sich einen Muskelfaserriss im Adduktorenbereich zu und seit rund vier Monaten plagen ihn muskuläre Probleme im Oberschenkel. Nur einmal in dieser Saison, am dritten Spieltag gegen Nimes, war er wenigstens so weit gesund, dass er zumindest in Monacos Kader stehen konnte. 

Pietro Pellegri Monaco 2018-19Getty Images

Leonardo Jardim, sein früherer Trainer in Monaco, nahm Pellegris nicht enden wollende Leidenszeit als mahnendes Beispiel wahr: "Vielleicht sollten wir unsere Idee, schon 14- oder 15-jährige Jungs nach oben zu den Profis zu ziehen, überdenken. Häufig killen wir die Spieler damit - und danach übernimmt niemand die Verantwortung dafür", sagte Jardim im November letzten Jahres bei France Football.

Ex-Monaco-Coach: "Ein 16-Jähriger ist kein Mini-Erwachsener"

Und Jardim schickte bei seinen Ausführungen auch eine Spitze in Richtung Genua: "Wenn sie vor zwei oder drei Jahren in Genua etwas behutsamer mit Pietro umgegangen wären, hätte er heute vielleicht nicht all diese muskulären Probleme. Ein 16-Jähriger ist kein Mini-Erwachsener, das müssen wir respektieren. Wir glauben heutzutage, dass ein 15- oder 16-jähriger Junge austrainiert ist, aber das stimmt nicht. Die Muskeln und Sehnen reifen erst mit 18 oder 19 langsam aus. Diese Message müssen wir verbreiten, weil wir ansonsten jungen Spielern ihr Leben versauen könnten."

Pellegris Leben respektive seine Karriere sind zwar noch nicht versaut. Er ist immer noch erst 19 und wenn er sich irgendwann von den Verletzungsproblemen erholt, hat er immer noch genug Zeit, sich nach ganz oben zu spielen. Aber einen Schaden hat seine Laufbahn in den letzten gut zwei Jahren definitiv davon getragen.

In Goals NxGn-Ranking, das jedes Jahr die 50 besten Teenager der Fußballwelt auflistet, ist Pellegri 2020 jedenfalls nicht vertreten - und ist wahrscheinlich der prominenteste Name, der unter all diesen Mega-Talenten nicht auftaucht. 2018 und 2019, obwohl als 2001er Jahrgang stets einer der Jüngeren, hatte er es noch in die NxGn geschafft.

Dass er 2020 fehlt, ist ob seiner langen Abwesenheit jedenfalls kein Wunder. Immer, wenn er kurz davor war, zurückzukommen, musste er den nächsten gesundheitlichen Rückschlag einstecken. Und nun, da die Ausbreitung des Coronavirus die Ligue 1 bis auf weiteres lahmgelegt hat, muss auch Pellegri ein mögliches Comeback weiter verschieben. Denn immerhin: Am 5. März, genau 527 Tage nach seinem letzten Pflichtspieleinsatz, war er bei Monaco ins Mannschaftstraining zurückgekehrt.

Wenn Pellegri positiv denkt, kann er die Corona-Pause als Chance sehen, nun genug Zeit zu haben, seinen Körper auf die Rückkehr auf den Platz vorzubereiten. Doch wird er nach einem dann länger als 18 Monate andauernden Wartestand je das Niveau erreichen können, das seinem Talent entspricht? Ein Stürmer, der mit 16 sein erstes Serie-A-Tor erzielt hat, für den eine großartige Karriere vorgezeichnet schien, wird sich dann wieder ganz neu beweisen müssen.

Obwohl Pellegri erst 16 Profispiele bestritten hat, steht er bereits an einem Scheideweg. Und die große Frage ist: Wird sein Körper zulassen, dass er die richtige Route einschlägt?

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