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Oliver Kahn im Interview: Deshalb sagte ich 2009 dem FC Schalke 04 ab


EXKLUSIV

14 Jahre lang stand Oliver Kahn im Tor des FC Bayern München, nun ist er erfolgreicher Unternehmer bei Goalplay - und 2020 wird er wohl zum FCB zurückkehren. Im zweiten Teil des Interviews mit Goal und SPOX spricht Kahn über sein MBA-Studium nach dem Karriereende und erklärt, warum er 2009 dem FC Schalke 04 abgesagt hat.

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Zudem äußert Kahn seine Meinung zur viel diskutierten 50+1-Regel, zu globalen Entwicklungen im Profifußball, zum Thema Traditionserhalt und beantwortet die unvermeidliche Frage zu einem Job beim FC Bayern.

Hier geht es zum ersten Teil des Interviews mit Oliver Kahn. Darin spricht der einstige Welttorhüter über sein frühes Interesse an den Themen Management und Börse, ein legendäres Zitat von Otto Rehhagel, die Philosophie seines Unternehmens Goalplay und weshalb er bei der Markenbildung von Profisportlern noch großen Nachholbedarf sieht.

Zwischen 2009 und 2011 haben Sie einen Master-Aufbaustudiengang MBA an der privaten Universität Seeburg in Österreich mit Schwerpunkt "General Management" und im Nebenfach Sportmanagement absolviert. Wie anstrengend war nach 20 Jahren Profifußball das Eintauchen in das neue Leben?

Kahn: Das Lernen neu zu lernen und sich neues Wissen zu erarbeiten, war anfangs schon schwierig. Ich musste vorab einige Kurse belegen, um mich für den Studiengang zu qualifizieren. Zu Beginn der Präsenzphasen musste sich jeder vorstellen. Ich habe dann gesagt: "Ich heiße Oliver Kahn und war früher mal Torwart". Das hat immer für eine gewisse Heiterkeit gesorgt.

Haben Sie zwischenzeitlich auch einmal gezweifelt, ob das alles wirklich Sinn für Sie ergeben würde?

Kahn: Nein, weil mir das wissenschaftliche Arbeiten irgendwann Spaß gemacht hat. Ich fand die Kombination spannend: Was wird in der Theorie gelehrt und was kann ich davon dann mit in die Praxis nehmen?

Während dieser Zeit, nur ein Jahr nach Ihrem Karriereende, haben Sie 2009 mit dem FC Schalke 04 wegen des vakanten Managerpostens verhandelt. War es während des Studiums noch Ihr Plan, anschließend daran wieder ins sozusagen angestammte Geschäft zurückzukehren?

Kahn: Menschen tendieren dazu, sich an das zu halten, was sie kennen. Bei mir war dies das Fußballgeschäft. Deshalb habe ich dieses Treffen mit Clemens Tönnies in Rheda-Wiedenbrück nach einigen Vorgesprächen auch angenommen.

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Nach den Verhandlungen sagten Sie, das Angebot wäre ein halbes Jahr zu früh gekommen.

Kahn: Ich weiß noch, wie ich in Rheda-Wiedenbrück im Hotel saß. Alles war total geheim und keiner sollte etwas wissen. Im Fernsehen lief n-tv. Plötzlich sah ich, wie unten im Ticker-Band stand: Oliver Kahn zu Verhandlungen in Rheda-Wiedenbrück eingetroffen. (lacht)

Aber deshalb haben Sie Schalke nicht abgesagt?

Kahn: Nein. Beide Parteien fanden die Idee sehr interessant, aber ich habe mich letztlich einfach noch nicht bereit gefühlt. Ich behaupte, ein gutes Gespür dafür zu haben, wann ich für bestimmte Dinge bereit bin und wann nicht.

Aufsichtsratsboss Tönnies lobte anschließend das von Ihnen vorgelegte Konzept. Wann haben Sie sich denn darüber Gedanken gemacht und dieses zusammengestellt?

Kahn: Ich habe mich zu der Zeit, unter anderem auch im Studium, viel mit den strategischen Aspekten des Fußballgeschäfts beschäftigt. Deshalb war das damals nichts Außergewöhnliches für mich, mir Gedanken über die grundsätzliche Ausrichtung eines Vereins zu machen.

Wie sehr spielte es denn für Ihre Absage eine Rolle, dass man sich eine Gemeinschaft zwischen Schalke 04 und Oliver Kahn nicht so richtig vorstellen konnte?

Kahn: Es waren viele kleine Punkte, warum es für mich zu früh kam. Ich war und bin einfach zu 120 Prozent von Bayern München geprägt. Ob dieses extreme Erfolgsdenken auch in einem anderen Verein funktioniert, habe ich mich schon gefragt.

Und wenn das Angebot ein halbes oder ganzes Jahr später gekommen wäre, hätten Sie es dann angenommen?

Kahn: Das ist hypothetisch.

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Schalke ist bis heute einer der wenigen eingetragenen Vereine geblieben. Gehörte es zu Ihren damaligen Gedanken, dass man die Profiabteilung aus dem Verein ausgliedern müsse, um im modernen Fußball mithalten und eben Titel gewinnen zu können?

Kahn: Die Ausgliederung der Lizenzspielermannschaft in eine Kapitalgesellschaft ist zunächst einmal ein rein struktureller Vorgang, bei dem in Deutschland der Verein ja weiterhin mindestens 51 Prozent der Anteile hält. Der Einfluss des Vereins bleibt also weiterhin bestehen. Ich will damit sagen, dass durch eine Ausgliederung lediglich die Voraussetzung geschaffen wird, haftungsrechtlich und finanzwirtschaftlich anders als bei einem reinen Verein zu agieren. Sportlicher Erfolg ist dadurch noch lange nicht garantiert. Real Madrid ist übrigens immer noch ein Verein und zeigt, dass man mit dieser Struktur extrem erfolgreich sein kann.

Dietmar Hopp, Klaus-Michael Kühne, Red Bull - in Deutschland werden Investoren im Fußball immer als anrüchig angesehen, während andere Länder ein entspannteres Verhältnis zu ihnen haben. Ist das ein deutsches Problem?

Kahn: Die 50+1-Regel existiert nur in Deutschland und ist dementsprechend ein deutsches Phänomen. Ich gehe davon aus, dass das Bundeskartellamt die geltende 50+1-Regelung in der aktuellen Form noch dieses Jahr kippen könnte, da sie im Kern gegen europäisches und deutsches Kartellrecht verstößt. Eine Regel, die die Beteiligung von Geldgebern an einem Fußballklub einschränkt und vom DFB und der DFL quasi als Monopol ins Leben gerufen wurde, dürfte in der heutigen Welt wenig Chancen haben zu bestehen. Insofern würde ich hier nicht mehr lange von einem Problem sprechen.

Es scheint ziemlich schwierig, innerhalb der deutschen Profiligen auf einen gemeinsamen Nenner beim Thema 50+1 zu kommen.

Kahn: In Deutschland wird beim Thema 50+1 reflexartig die Mär von den guten Bewahrern und den bösen Gegnern der Regel beschworen. Zwischendrin gibt es fast nichts. Aus meiner Sicht ist es durchaus möglich, starke Tradition mit den Interessen von Geldgebern im Fußball zu verbinden. Vereine wie Manchester United, Chelsea, AS Rom, Manchester City und Paris Saint-Germain haben sich durch ihre Geldgeber zu global agierenden Fußballunternehmen entwickelt, die erstklassig aufgestellt sind. Sie haben zusätzliche Kompetenzen aufgebaut, um Investoren sinnvoll in den Verein zu integrieren. Wenn wir in Deutschland konkurrenzfähig bleiben wollen, kommen wir wohl nicht umhin, uns mit diesen Themen zu beschäftigen, ohne immer sofort die Traditionskeule zu schwingen.

Dass dies jedoch passiert, ist das für Sie dann nachvollziehbar?

Kahn: Absolut. Der Fußball ist eine identifikationsstiftende Bastion unserer Gesellschaft, bei der man sich immer noch darauf verlassen kann, dass um 18 Uhr die Sportschau läuft. In einer sich rasant verändernden Welt wirkt der Fußball wie einer der letzten stabilen Anker. Ich bin großgeworden in diesem Umfeld und kenne und schätze die starke Tradition und Kultur des Fußballs. Trotzdem bin ich Realist. Der Fußball wird sich nicht von den globalen Entwicklungen abkoppeln können. Ansonsten werden wir irgendwann mit den Top-Ligen in Europa nicht mehr konkurrenzfähig sein.

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Was also wäre Ihr Vorschlag?

Kahn: Ich bin nicht im Besitz eines Patentrezepts. Aber ich denke, wir sollten gut gewappnet sein für die Zeit nach 50+1. Jeder Verein wird die Freiheit haben, selbst entscheiden zu können, wie er auf diese Herausforderung reagieren will. Rückwärtsgewandtes Denken und ewig festhalten wollen am Status Quo waren noch nie wirklich gute Ratgeber. Während viele Traditionsvereine in der Versenkung verschwunden sind, zeigen Vereine wie Hoffenheim oder Leipzig, wie es auch gehen kann.

2020 will die DFL die Bundesliga-Medienrechte für den nächsten Vierjahreszyklus neu vergeben. Wäre dies, zusammen mit den möglichen Auswirkungen des Brexit, eine Chance für den deutschen Fußball, verlorenen Boden gegenüber England wieder gut zu machen?

Kahn: Die Engländer bereiten sich bereits auf die möglichen negativen Folgen des Brexit vor. In erster Linie geht es dabei um arbeitsrechtliche Fragestellungen. Eine Abschaffung der Arbeitnehmerfreizügigkeit hätte wahrscheinlich gravierende Folgen für die Premier League. Möglich sind auch Währungsverluste beim britischen Pfund. Aber wer will das seriös einschätzen? In jedem Fall aber besteht dort momentan eine Unsicherheit und davon könnte die Bundesliga durchaus profitieren.

Herr Kahn, in so gut wie jedem Ihrer Interviews, das Sie seit Ihrem Karriereende gegeben haben, werden Sie nach einem Wiedereinstieg beim FC Bayern gefragt. Inwiefern sind Sie denn froh, dass Sie das bald hinter sich haben?

Kahn: Das ist die bislang beste Ihrer Fragen. (lacht) Und ich kann sie auch gut beantworten: Ich bin tatsächlich froh, dass ich danach demnächst nicht mehr gefragt werde.

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