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Vor drei Jahren Champions League, jetzt bei Bayern II in Liga drei: Das ist Amateure-Neuzugang Dimitri Oberlin


HINTERGRUND

27. September 2017: Im St. Jakob Park zu Basel lief die 20. Spielminute, als Benfica Lissabon die erste große Chance auf den Ausgleich liegenließ. Basel-Torwart Tomas Vaclik hatte das 1:1 verhindert, den Portugiesen mit seiner Tat jedoch eine Ecke beschert. Im hohen Bogen segelte die Kugel in den Strafraum und fand in Dimitri Oberlin einen dankbaren Abnehmer.

Per Kopf bugsierte der Offensivmann das Kunstleder in Richtung Renato Steffen an die Mittellinie. Oberlin rannte, ja flog beinahe seiner Kopfballabwehr hinterher, erreichte in der Spitze rund 38 Stundenkilometer. Wenige Sekunden und 90 zurückgelegte Meter später nahm er Steffens Pass wieder auf – und schob den Ball am herausstürmenden Julio Cesar vorbei.

Erstes Champions-League-Tor im ersten Königsklassen-Einsatz von Beginn an für Dimitri Oberlin. Nach dem Seitenwechsel vergoldete er seinen Gala-Abend, indem er noch einen Elfmeter herausholte und das 4:0 auch noch selbst erzielte. "Usain Oberlin", titelte das Boulevardblatt Blick , auch Vergleiche mit dem DC-Comichelden The Flash wurden bemüht.

Oberlin erzielte in der damaligen Champions-League-Saison noch zwei weitere Treffer, im Achtelfinale Mitte Februar beziehungsweise Anfang März durfte er gegen Pep Guardiolas Manchester City in Hin- und Rückspiel jeweils von Beginn an ran. Es sollten seine bis dato letzten Auftritte auf der ganz großen europäischen Bühne sein, der Champions-League-Glamour ist drei Jahre später verflogen. Die Realität heißt aktuell 3. Liga in Deutschland, immerhin aber bei einem Klub, der Glanz und Gloria zu versprühen weiß: Oberlin spielt in der Zweitvertretung des FC Bayern.

Bayern-Neuzugang Oberlin: Angebliche Coronaparty und zerrüttetes Verhältnis zu Basel

Vor rund zwei Wochen verkündeten die Bayern den überraschenden Wechsel. Der 23-Jährige erhielt ein Arbeitspapier bis Saisonende. Doch wie kam es dazu, dass die Bayern-Amateure plötzlich einen jungen Profi mit Champions-League-Erfahrung an Land zogen? Hauptverantwortlich für den Deal zeichnete FCB-Campusleiter Jochen Sauer.

Der 48-Jährige kennt Oberlin aus gemeinsamen Tagen bei Red Bull Salzburg. Sauer arbeitete zwischen 2010 und 2017 als Geschäftsführer der Roten Bullen in der Mozartstadt, wo Oberlin von 2015 bis 2018 unter Vertrag stand, ehe er für vier Millionen Euro zum FC Basel wechselte. "Ich kenne ihn noch gut aus meiner Zeit bei RB Salzburg und weiß um seine Qualtäten. Das hat sicher geholfen, ihn zu uns zu holen", erklärt Sauer im Gespräch mit Goal und SPOX   und schiebt nach: "Als dann sein Berater auf mich zukam und sich gleichzeitig Leon Dajaku die Möglichkeit mit einer Leihe zu Union Berlin bot, haben wir zugeschlagen."

Oberlin galt bei Basel zuletzt als Sorgenkind. Ende November vergangenen Jahres soll der Angreifer, der sämtliche U-Nationalmannschaften der Eidgenossen durchlief, laut Blick mit seiner Kreditkarte ein Hotelzimmer in einem Zürcher Hotel gebucht haben. Über drei Dutzend Gäste hätten dort mitten in der Pandemie eine Party gefeiert, bei der Sachschaden entstanden sei. "Ein Freund von mir hatte Geburtstag, ich habe ihm ein Geschenk vorbeigebracht, bin aber gleich wieder gegangen", verteidigte sich Oberlin damals.

Laut Blick nicht die einzige Verfehlung Oberlins. Gleich mehrfach soll er den Heimspielen seiner Mannschaft ferngeblieben sein, wenn er wieder einmal nicht im Kader stand. Das Verhältnis zwischen Klub und Spieler schien irreparabel. Ende des Jahres lösten die Basler Oberlins eigentlich noch bis Sommer laufenden Vertrag auf. "Dimitri hatte seit längerer Zeit Probleme bei seinem vorherigen Klub FC Basel und hat zuletzt gar nicht mehr gespielt", erklärt Sauer. "Am Ende haben sich beide Seiten auf eine Vertragsauflösung geeinigt."

Entsprechend ablösefrei kam Oberlin zum amtierenden Drittligameister. Er habe "nicht lange überlegen" müssen, als er vom Interesse der Münchner erfuhr, wurde er auf der vereinseigenen Website zitiert. "Als ich vom Interesse erfahren habe, konnte ich es am Anfang gar nicht glauben", schwärmte Oberlin weiter. "Es ist ein Traum, bei Bayern zu spielen. Ich bin stolz darauf, jetzt dieses Trikot zu tragen." Was er sich von dem Schritt erhofft? "Ich will mich auf dem Platz wieder gut fühlen, mich weiterentwickeln und besser werden."

Bayerns Zweckbeziehung mit Oberlin: "Kann sich bei uns nachhaltig für Erstliga-Klubs empfehlen"

Nachvollziehbar, wenn man bedenkt, dass Oberlins einziger Arbeitsnachweis für die aktuelle Saison ein 14-minütiger Kurzeinsatz für Basel in der Europa League war – und zwischenzeitliche Leihen beim FC Empoli (Januar 2019 bis Juni 2019) und Zulte Waregem (Saison 2019/20) zuletzt keine Früchte getragen hatten.

"Wir können ihm bei uns eine Plattform bieten, auf der er wieder nachhaltig auf sich aufmerksam machen und für Erstliga-Klubs empfehlen kann", sagt Sauer, der vor allem auf Oberlins Sprint- und Abschlussstärke hofft. "Er ist sehr schnell, besitzt eine große Dynamik, geht gerne ins Eins-gegen-Eins und zeigt Zug zum Tor. Er ist ein sehr geradliniger und torgefährlicher Spieler.", sagt der Nachwuchschef und ergänzt: " Nach unseren vielen Offensiv-Abgängen im Sommer und jetzt auch im Winter versprechen wir uns mit ihm zusätzliche Torgefahr im Team."

Mit 26 geschossenen Treffern nach 20 Spielen rangieren die Bayern, die in der Vorsaison noch mit der torgefährlichsten Offensive aufgewartet hatten, aktuell im Mittelfeld der 3. Liga. Bevor Oberlin allerdings die erhoffte Verstärkung wird und Werbung in eigener Sache betreiben kann, gilt es, einige Defizite aufzuarbeiten. "Dimi muss nach seiner langen Spielpause körperlich aufholen", verrät Sauer. "Ihn für 90 Minuten spielfit zu bekommen, ist unsere erste Aufgabe. Daran werden wir intensiv arbeiten." Am vergangenen Wochenende, beim 0:1 gegen den KFC Uerdingen, reichte es immerhin für 45 Minuten. Dabei vermochte Oberlin seine Fähigkeiten bereits anzudeuten.

DIMITRI OBERLIN BASELGetty Images

Quelle: Getty Images

Bei aller kommunizierter, auf Gegenseitigkeit beruhender Wertschätzung, ist klar, dass es sich zwischen Oberlin und dem FC Bayern um eine Zweckbeziehung handelt. Oberlin möchte sich für Höheres empfehlen, die Münchner wiederum von seiner Erfahrung auf hohem Niveau profitieren. Dementsprechend gibt es aktuell auch keine Pläne für ein langfristiges Engagement.

"Dimitri ist noch jung und hat natürlich weiterhin hohe Ambitionen. Von daher stellt sich die Frage derzeit nicht", sagt Sauer über eine mögliche Zusammenarbeit über den Sommer hinaus. "Sein Engagement bei uns ist rein auf die nächsten Monate ausgerichtet. Aber im Fußball weiß man ja nie, was passiert und wohin die Wege führen." 

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