Cristiano Ronaldo Nani Manchester UnitedGettyImages

Nani und Ronaldo: Zeit für ein Stückchen Ewigkeit

Cristiano Ronaldo tanzte spielerisch leicht in den spanischen Strafraum, ließ Gerard Pique, einen der besten Verteidiger der Welt, ins Leere rutschen und vollendete mit einem traumhaften Lupfer über Iker Casillas, einen der besten Torhüter der Welt. Als er schon jubelnd abdrehte, ertönte ein Pfiff. Der Schiedsrichter erkannte das Traumtor des Superstars wegen Abseits ab. Der Grund: Nani hatte das Tor geklaut, indem er auf der Linie seinen Kopf hinhielt. 

Ronaldo war außer sich, schimpfte über den Fehler seines Mitspielers. Dass das Tor eigentlich hätte zählen müssen, da der Ball bei Nanis Eingreifen schon hinter Linie war, machte den Lapsus des Angreifers nicht gerade leichter. Es war eine Szene, die bezeichnend für das Rollenverhältnis Nanis und Ronaldos war.

Beide als Wunderknaben gestartet, wurde aus CR7 eine Tormaschine, ein Phänomen, eine Marke, während Nani immer der Mann im Schatten blieb, der in wichtigen Momenten zu oft die falsche Entscheidung trifft und dessen Ausspruch "Nichts währt auf ewig, es gibt Aufs und Abs" symptomatisch für seinen Werdegang steht.

Nani und Ronaldo lassen Portugal vom Titel träumen

Sechs Jahre nach besagter Szene ist Ronaldos Wut natürlich längst verraucht. Er und Nani sind die wichtigsten Spieler Portugals und haben die Iberer wider alle Zweifler und Kritiker ins EM-Halbfinale geführt. Beide haben sie drei Turnier-Treffer, zusammen zudem vier Vorlagen. Ihre beiden Tore waren es die das Finale gegen tapfer kämpfende Waliser ermöglichten.

Ronaldo (31) und Nani (29), die beiden besten portugiesischen Fußballer der jüngeren Vergangenheit, harmonieren endlich und kommen sich nicht mehr in die Quere wie so oft, wenn Ronaldo, ganz Alpha-Tier, die Herrschaft in der Offensive für sich beanspruchte, und Nani, der ebenfalls das Individuelle liebt, so nicht zur Entfaltung kommen ließ.

Krasse Gegensätze trotz Parallelen

Sie haben dabei ganz unterschiedliche Wege hinter sich, die doch von Parallelen geprägt sind. Beide wurden sie in ärmlichen Verhältnissen auf Inseln geboren und nicht wie der Großteil der Portugiesen auf dem Festland. CR7 stammt von der Blumeninsel Madeira, Nani von Santiago, einer der kapverdischen Inseln.

Sie beide veredelten ihr Talent in der berühmten Nachwuchs-Schmiede von Sporting in der Hauptstadt Lissabon. Und sie beide wagten, zu den hoffnungsvollsten Talenten der Welt zählend, den Sprung zu Manchester United. Ronaldo folgte 2003 dem Ruf Sir Alex Fergusons, Nani vier Jahre später.

Und genau dort, im tristen Norden Englands beginnen die großen Unterschiede. Denn obwohl sie in Nanis Anfangszeit zusammen wohnten, war Ronaldo zu diesem Zeitpunkt mit 22 schon ein Superstar. Einer, der die Premier League mit seinen Dribblings und seinem gewaltigen rechten Fuß verzückte und wider Erwarten mit der physischen Spielweise dank der väterlich-harten Hand Fergusons gut zurecht kam.

Cristiano Ronaldo Nani Manchester UnitedGetty
Ronaldo (l.) und Nani gewannen 2008 gemeinsam die Champions League

Der lange Schatten des Superstars

Nani dagegen war ebenfalls bereits ein Star, allerdings nur in der Heimat. Für 25,5 Millionen und mit der Erwartung, ebenso wie Ronaldo für Furore zu sorgen, kam er zu den Red Devils – und konnte daran nur zerbrechen. Denn er ist eben kein Ronaldo, keiner der besten Spieler aller Zeiten, sondern nur ein sehr talentierter Techniker mit feinem rechten Fuß.

Während Ronaldo in ihrer ersten gemeinsamen Saison United mit 42 Toren zu Champions-League- und Liga-Titel führte, Englands Fußballer des Jahres wurde, schoss Nani nur vier Tore und wurde im Finale der Königsklasse nur eingewechselt.

Die Schere zwischen den beiden guten Freunden ging immer weiter auseinander. Ronaldo dominierte im Stile eines Großen, Nani spielte mal genial, mal unterirdisch. Als Ronaldo 2009 zu Real Madrid wechselte war er bereits neben Luis Figo und Eusebio der größte portugiesische Fußballer aller Zeiten. Nani haftete trotz Titeln und Toren mit Manchester der Ruf des verschleuderten Talents an.

Der sinkende Stern leuchtet wieder

Inzwischen ist Nani Ende 20. Er spielte zuletzt in einer Liga für die trotz allem eigentlich zu gut ist, und stand bei Fenerbahce unter Vertrag. Nun schließt er sich dem FC Valencia an, der lächerlich erscheinende 7,5 Millionen Euro für seine Dienste an den Bosporus überweist.

Sein Stern ist schon lange im Sinkflug und kämpfte in den letzten Jahren nur vereinzelt, wie etwa bei der EM 2012 dagegen an, bald zu erlöschen. Nun aber leuchtete er heller denn je. Denn Nani zeigt vor den Augen der Welt, was in ihm steckt.

Zeit, Geschichte zu schreiben

Am Sonntagabend stehen beide vor dem größten Moment ihrer Karriere. Titelsammler Ronaldo, weil er immer wieder betonte, dass ein Triumph für sein Land das Größte wäre und dieser seine Karriere veredelte. Und Nani, weil er endlich das zweite Gesicht Portugals wäre, das er immer sein wollte.

Sollte Portugal am Sonntag tatsächlich den EM-Titel gewinnen, wäre Nanis Tor-Klau nicht mehr weiter das Symbol seiner Karriere, sondern eines der Jubel-Bilder auf dem Rasen des Stade de France. Darauf zu sehen wären Ronaldo und Nani. Nicht mehr länger, die Lichtgestalt und der Gescheiterte in seinem Schatten. Sondern zwei, die in Portugal fortan unsterblich sein würden. Auf ewig.

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